Bauer, Leopold (1872–1938), Architekt

Bauer Leopold, Architekt. Geb. Jägerndorf, Schlesien (Krnov, CZ), 1. 9. 1872; gest. Wien, 7. 10. 1938; röm.-kath. Sohn des Gastwirts und Hoteliers Josef Bauer (1843–1915) und von Maria Anna Bauer, geb. Flemmich (1847–1883), Vater der Architekten Otto Heinrich Bauer, Harald Bauer (beide s. unten) und Wolfgang Bauer (1911–1995). – In kunstsinnigen Kreisen aufgewachsen, absolvierte B. 1888 die Realschule in Jägerndorf und besuchte 1888–91 die Staatsgewerbeschule in Brünn (Brno), wo →Adolf Loos und Josef Hoffmann seine Mitschüler waren. Nach einjähriger Praxis in Thorn (Toruń) und Düsseldorf studierte er 1892–96 (mit Unterbrechung) an der Wiener Akademie der bildenden Künste (ABK), anfangs bei →Karl Frh. von Hasenauer, dann bei Otto Wagner, dessen Assistent er auch kurzfristig war. 1896 erhielt er das Schwendenwein-Stipendium, das ihm eine zweijährige Studienreise nach Italien, Frankreich und Deutschland ermöglichte. Nach Wien zurückgekehrt, machte er sich 1900 selbstständig und vertrat eine radikal moderne Position, die er auch in mehreren Publikationen darlegte. 1902 hatte er seinen ersten Erfolg mit dem preisgekrönten Entwurf für das „Haus eines Kunstfreundes“ und realisierte Einfamilienhäuser in Mähren und Schlesien. Um 1905 begann B., sich einer traditionsverbundenen Richtung zuzuwenden, und übte Kritik an Otto Wagner und dem Rationalismus der Moderne, was ihm das Wohlwollen konservativer Kreise einbrachte. Neben zahlreichen Schlossumbauten in Böhmen und Mähren sowie dem Bau der Handels- und Gewerbekammer in Troppau (Opava), 1908–10, erhielt er 1912 den Auftrag für das Großprojekt der Österreichisch-Ungarischen Bank (Wien 9), von dem jedoch infolge des Ausbruchs des 1. Weltkriegs nur das Druckereigebäude realisiert werden konnte. 1913 erhielt B. eine Professur an der ABK, die er aber bereits 1919 unter dem Druck der Studentenschaft zurücklegen musste. In der Zwischenkriegszeit errichtete er einen Großteil seiner Bauten in Schlesien, u. a. das Warenhaus Breda & Weinstein in Opava (1926–28), das sich durch einen eigenwilligen Expressionismus auszeichnete. In Wien realisierte er u. a. 1925–26 die Wohnhausanlage „Vogelweidhof“ (Wien 15) und 1929–30 den Erweiterungsbau des Warenhauses Gerngross (Wien 6). Daneben beteiligte er sich an unzähligen Wettbewerben (u. a. Verwaltungsgebäude der „Chicago Tribune“, 1922), entwarf Möbel, Keramik, Teppiche etc. und veröffentlichte eine Reihe von Artikeln, in denen er sich, beeinflusst von den Theorien →Josef Poppers, auch mit sozialen und wirtschaftlichen Problemen befasste. 1915 Oberbaurat, erhielt B. mehrere Auszeichnungen (u. a. 1895 Hofpreis 1. Klasse in Gold, 1904 Goldene Medaille bei der Weltausstellung in St. Louis) und war Mitglied zahlreicher Vereine, so ab 1900 der Wiener Secession – an deren Ausstellungen er sich beteiligte –, ab 1909 des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins sowie ab 1915 der Wiener Bauhütte. Sein ältester Sohn Otto Heinrich Bauer (geb. Wien, 3. 7. 1900; gest. ebd., 18. 9. 1991) besuchte die Realschule, studierte anschließend an der TH Wien Architektur (Diplom 1926) und trat danach in das Architekturbüro seines Vaters ein, das er nach dessen Tod weiterführte. B.s zweiter Sohn Harald Bauer (geb. Adamsthal, Mähren / Adamov, CZ, 29. 7. 1901; gest. Wien, 1. 8. 1990; röm.-kath.) besuchte die Staatsgewerbeschule in Wien (1921 Matura) und studierte nach Praxisjahren in Klagenfurt und Wien 1926–28 an der ABK bei Clemens Holzmeister. Danach wirkte er als freischaffender Architekt in Opava, wo er bis 1938 Inneneinrichtungen, Wohn- und Industriebauten sowie Geschäfts- und Krankenhäuser plante und ausführte. Während des 2. Weltkriegs war er mit der Planung von Industrieanlagen und Lazaretten betraut, 1946–51 arbeitete er u. a. für die Österreichischen Tabakwerke, danach für die Donaukraftwerke A.G.; für die Gemeinde Wien entwarf er Wohnhaus- und Schulanlagen. Harald B. war ab 1946 Mitglied des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, ab 1952 der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs und der Gesellschaft bildender Künstler Wiens (Künstlerhaus).

Weitere W. (s. auch AKL; Architektenlexikon): Villa K. Reißig, 1901–02 (Brno); Villa Bauer, 1905 (Wien 13); Wohnhausanlage „Speiser-Hof“, 1928–32 (Wien 21); etc. – Publ.: Gesund wohnen und freudig arbeiten, 1919; Das Wohnungselend und die Isolierung Wiens, in: Der Bautechniker 30, 1920; Oberbaurat Professor L. B. Seine Anschauung in Wort und Werk, 1931; etc.
L.: AKL (auch für Harald B.); Czeike (m. B.); Lex. böhm. Länder; Thieme–Becker; Vollmer; L. B. Der Künstler und sein Werk, ed. F. v. Feldegg, 1918; L. B. zum 60. Geburtstage …, 1932 (m. B.); U. Hieke, Studien zu L. B. …, phil. Diss. Wien, 1976; J. Vybíral, Architektonické dilo L. B. …, DA Brno, 1986; M. Kristan, Der Nachlass des Architekten L. B. in der Albertina, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 48, 1994, S. 160–166; P. Šopák, Domov a svět … L. B., in: Češi a Němci dříve a dnes, 2000, S. 11–20; H. Weihsmann, In Wien erbaut, 2005 (m. B., auch für Harald und Otto Heinrich B.); J. Vybíral, Evoluční teorie ve službách nastupující moderny …, in: Kultura jako téma a problém dějepisectví, ed. T. Borovský u. a., 2006, S. 141–153; ders., Junge Meister. Architekten aus der Schule O. Wagners in Mähren und Schlesien, 2007, s. Reg.; Architektenlexikon Wien 1880–1945, http://www.architektenlexikon.at (m. W. u. L., nur online, Zugriff 1. 6. 2010); ABK (auch für Harald B.), Albertina, Architekturzentrum (Achleitner-Archiv), alle Wien.
(Ch. Gruber – U. Prokop)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)