Steinberg, Julius (1841–1916), Journalist und Musiker

Steinberg Julius, Journalist und Musiker. Geb. Dubkowitz, Böhmen (Dobkovičky, CZ), 8. 8. 1841; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 6. 1. 1916. Vater von Gisela Wien-Steinberg (s. u.); verheiratet mit Leni (Leonore) Kersch, der Schwester des Sekretärs des Prager deutschen Theaters Sigmund Kersch. – Früh verwaist, bestritt S. als Kind seinen Lebensunterhalt durch Violinspiel u. a. in Kurkapellen in Teplitz (Teplice) und half während des Gymnasialbesuchs im Orchester des Prager Ständetheaters aus. Bei →Friedrich Smetana soll er →Franz Schuselka begegnet sein, mit dem er musizierte und in dessen Wochenschrift „Die Reform“ er seine ersten Artikel veröffentlichte. Nach der Matura wurde S. Korrespondent der „Prager Morgenpost“ und bald darauf Gerichtssaalberichterstatter beim „Tagesboten aus Böhmen“. Über →August Wilhelm Ambros mit Künstlerkreisen in Kontakt gekommen, beschäftigte er sich unter dessen Einfluss verstärkt mit Musik, Theater sowie bildender Kunst und folgte ihm 1865 als Musikkritiker beim „Prager Abendblatt“, der Abendausgabe der amtlichen „Prager Zeitung“, nach. Für beide Blätter war S. in der Folge – bis 1900 als externer Mitarbeiter – vielfältig journalistisch tätig, in den letzten Jahrzehnten v. a. als Leitartikler. Darüber hinaus arbeitete er lange Zeit für das „Prager Tagblatt“, fungierte über 30 Jahre als Prager Korrespondent des Telegraphen-Korrespondenz-Bureaus in Wien und berichtete auch für eine Reihe von Wiener Zeitungen. Seine Texte waren stets sachlich und sowohl politisch als auch national zurückhaltend. Als inoffizieller Berater des Ständetheaters kam S. mit bekannten Künstlern in Berührung, über deren Prager Aufenthalte er für die ausländische Presse berichtete (z. B. Lilly Lehmann, →Alfred Grünfeld, 1888 soll er von Prag aus →Gustav Mahlers Engagement in Budapest durch den Prager Cellisten →David Popper vermittelt haben). Von bleibendem Wert sind die Musik- und Theaterkritiken S.s, der sich autodidaktisch umfangreiche Spezialkenntnisse angeeignet hatte, z. B. die Beschreibungen der Prager Erstaufführungen des „Ring des Nibelungen“ unter Gustav Mahler und Karl Muck (1885 und 1886). Er unterhielt gute Kontakte zu den Repräsentanten des tschechischen Theaters, v. a. zum Direktor des Nationaltheaters →František Adolf Šubert. 1908 wurde S. kaiserlicher Rat, 1913 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Seine Tochter Gisela Wien-Steinberg (geb. Prag, 25. 5. 1873) war mit dem Redakteur und Schriftsteller Moriz Wien verheiratet. Sie studierte Gesang an der Prager Opernschule von Thomas Loewe und Marie von Dreger Loewe-Destinn und debütierte 1892 in Prag. 1893 gastierte sie am deutschen Landestheater u. a. als Mignon in Ambroise Thomas gleichnamiger Oper und als Rose Friquet in Louis Aimé Maillarts „Das Glöckchen des Eremiten“. Als Konzertsängerin trat sie in Wien, Leipzig, Dresden, München und anderen Städten auf. Beim „Prager Abendblatt“ hatte sie das Musik- und Schauspielreferat über die deutsche Landesbühne und jenes über Konzertveranstaltungen inne und war damit die erste Kritikerin Prags.

W.: Tischgenosse, 1868 (Drama, nicht aufgeführt, Manuskript); Physiognomien aus den böhmischen Gerichtssälen, 1874.
L.: Bohemia, 22. 8. 1905; Deutsche Zeitung Bohemia (A.), FB (A.), Prager Abendblatt, Prager Tagblatt, WZ (A.), 7. 1. 1916; Prager Abendblatt (Parten), Národní listy, 8. 1. 1916; Kosel 2; Wininger; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 3, 1888, S. 876; A. G. Przedak, Geschichte des deutschen Zeitschriftenwesens in Böhmen, 1904, S. 186; Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Schweiz Musiker in Wort und Bild, 1909 (auch für Gisela Wien-S., beide m. B.); Deutsche Tonkünstler in Wort und Bild, ed. F. Jansa, 2. Ausg. 1911 (m. B.); R. Procházka, Das romantische Musik-Prag, 1914, S. 71. – Gisela Wien-S.: Deutsche Kunst- & Musikzeitung 19, 1892, S. 59 (m. B.).
(J. Ludvová)  
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)