Stoessl, Otto (1875–1936), Schriftsteller, Journalist und Beamter

Stoessl Otto, Schriftsteller, Journalist und Beamter. Geb. Wien, 2. 5. 1875; gest. ebd., 15. 9. 1936. Sohn von Adolf S. (s. u.). – S. stud. ab 1893 mit Unterbrechung an der Univ. Wien Jus. 1900 Dr. jur., fand er danach eine Anstellung als Beamter bei der K. Ferdinands-Nordbahn. Schon während seines Stud. hatte er Kritiken für Z. verf., ab 1897 war er literar. tätig und mit Vertretern der Moderne wie Altenberg (s. Engländer Richard), Paul Ernst, Alfred Kubin, Samuel Lublinski, Robert Scheu und Karl Kraus (s. d.) in engerem Kontakt. Gem. mit Scheu verf. er die 1898 erschienenen Dramen „Waare“ und „Tote Götter“, in dieses Jahr fällt auch sein eigenständiges Debüt mit der Erz. „Leile“. 1906–11 wirkte S. mit rund 25 Beitrr. – etwa dem satir. Essay „Der Germanist“ (1908) – an der „Fackel“ mit, schrieb aber auch zahlreiche weitere Erz. bzw. Novellen: In der Roman-Erz. „In den Mauern“ (1907) gestaltet er die Geschichte einer Wr. Bürgerfamilie, in „Sonjas letzter Name“ (1908) eine die sozialen und nationalen Grenzen überschreitende Beziehung zwischen der poln.-jüd. und der Off.welt, in „Egon und Danitza“ (1911) wird der Lebenswandel eines Hochstaplers und dessen scheiternde Beziehung zu einer Frau serb. Herkunft nachgezeichnet. 1912 folgte der Roman „Morgenrot“, 1914 mit „Unterwelt“ ein weiterer Novellenbd. (erschienen 1917). Wegen Kurzsichtigkeit untaugl., konnte er den 1. Weltkrieg in seinem Zivilberuf überstehen. 1923 wurde S., der seit 1919 auch Burgtheaterkritiker der „Wiener Zeitung“ war, als HR pensioniert und widmete sich fortan ausschließl. literar. und künstler. Interessen, u. a. als Ehrenmitgl. des Hagenbunds (rund um Carry Hauser). Während der Roman „Das Haus Erath“ (1920), das den Abstieg einer Unternehmerfamilie über drei Generationen bis 1918 gestaltet, als S.s Hauptwerk gilt, waren die 20er Jahre auch ertragreich für sein essayist. Schaffen und für seine Roman- und Erzählprosa, wie z. B. der Künstlerroman „Sonnenmelodie“ (1923), ein Abgesang auf die Monarchie, bezeugt. Unter den späten Erzählbde. verdient v. a. „Menschendämmerung“ (1929) Erwähnung. Sein Vater, der Kinderarzt Adolf S. (Stössel) (geb. Neu-Raussnitz, Mähren / Rousínov, Tschechien, 3. 4. 1844; gest. Wien, 17. 2. 1896; mos.), Sohn eines Rabb., stud. nach Abschluß des Gymn. in Brünn (Brno) 1865–66 Phil., ab 1866 Med. an der Univ. Wien; 1871 Dr. med. Er befaßte sich v. a. mit der Pflege und Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern und setzte sich vehement für das Stillen ein. Weiters engagierte er sich für die Einführung von Schulärzten und für die Verbesserung der hygien. Maßnahmen in den Schulen.

Weitere W. (auch s. u. F. Stoessl; Fritsch; Kosch): Gesammelte Werke, 4 Bde., 1933–38 (Bd. 1 m. B.); K. Kraus – O. S. Briefwechsel 1902–25, ed. G. J. Carr, 1996 (m. B.); etc. – Adolf S.: Ueber den Gebrauch der Bäder im Kindesalter, 1875; Semiotik und Untersuchung des Kindes, 1875; Beitrr. in Archivo di pathologia infantile, WMW, Wr. med. Presse; etc.
L.: WZ, 1. 5. 1935; Hall–Renner; Killy; Kosch (m. W. u. L.); Nagl–Zeidler–Castle 4, s. Reg. (m. B.); F. Stoessl, in: Österr. in Geschichte und Literatur 17, 1973, S. 23ff. (m. W.); C. Fritsch, Der Kritiker O. S., phil. Diss. Wien, 1985 (m. W. u. L.); F. Derré, in: Akten des Internationalen Symposiums A. Schnitzler und seine Zeit, ed. G. Farese, 1985, S. 302ff.; J. P. Strelka, in: Die österr. Literatur, ed. H. Zeman, 1, 1989, S. 847ff.; W. M. Bauer, in: „Kakanien“, ed. E. Thurnher u. a., 1991, S. 367ff.; G. J. Carr, in: Modern Austrian Literature 27, 1994, Nr. 2, S. 21ff.; ders., in: From Perinet to Jelinek. Viennese Theatre …, ed. W. E. Yates, 2001, S. 127ff. – Adolf S.: NFP, 18. 2. 1896 (A.); Eisenberg 2; K. E. Kogler, Die Einführung des Schularztes lässt sich nicht über Nacht machen …, phil. Diss. Wien, 2007, S. 31; IKG, UA, beide Wien.
(P.-H. Kucher)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 298
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