Trauttmansdorff-Weinsberg, Ferdinand d. J. Gf. zu (1825–1896), Diplomat, Politiker und Hofwürdenträger

Trauttmansdorff-Weinsberg Ferdinand d. J. Gf. zu, Diplomat, Politiker und Hofwürdenträger. Geb. Wien, 27. 6. 1825; gest. Schloss Fridau (Ober-Grafendorf, NÖ), 12. 12. 1896; röm.-kath. Enkel von →Ferdinand Fürst zu T.-W. d. Ä., ältester Sohn von (Franz) Joseph Ferdinand Gf. zu T.-W. (s. u.) und Josephine Gfn. Károlyi v. Nagy-Károlyi (1803–1863), Großvater von →Josef Gf. zu T.-W.; ab 1860 verheiratet mit Maria Prinzessin v. u. z. Liechtenstein (1834–1909). – T. dürfte in Berlin eine Ausbildung in diplomat. Theorie und Praxis erfahren haben. 1847 scheint er als Attaché an der dortigen Gesandtschaft, die sein Vater 1827–49 leitete, auf, 1849 wurde er zunächst nach Stuttgart und dann nach Paris versetzt. Dem folgte eine Verwendung in London, ehe er 1856–57 kurz als Geschäftsträger in Berlin wirkte. 1859–66 war er ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister im dynast. eng mit Preußen verbundenen Großhg.tum Baden. Auf diesem schwierigen Posten gelang es ihm – nach dem Scheitern der österr.-preuß. Einigungsversuche 1860/61 und vor dem Hintergrund des preuß. Verfassungskonflikts (1862) – dazu beizutragen, das Großhg.tum vorübergehend Preußen zu entfremden und 1863 zumindest zur Teilnahme am Frankfurter Fürstentag und 1866 zum vorübergehenden Eintritt in die von Österr. geführte antipreuß. Bundesexekution zu bewegen. Ende 1866 wurde T. in gleicher Funktion nach München versetzt, wo er bis 1868 wirkte, aber nicht verhindern konnte, dass Bayern und die südwestdt. Staaten sich immer stärker auf den Norddt. Bund ausrichteten. Von Mitte 1868 bis 1872 bekleidete er den Botschafterposten am Hl. Stuhl in Rom: Hier stand er vor der heiklen Aufgabe, angesichts des Untergangs des Kirchenstaats, der konfessionellen Gesetze und der damit verbundenen Aufkündigung des Konkordats von 1855 das traditionell gute Einvernehmen zwischen Papst und Wr. Hof nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten; außerdem fungierte er als Beobachter des Vatikan. Konzils. Ende April 1872 in Disponibilität versetzt; seine im November 1878 erfolgte Ernennung zum Botschafter in Berlin wurde unmittelbar danach sistiert. Grund hierfür dürfte seine inzwischen erlangte große Bedeutung in den inneren Angelegenheiten gewesen sein: Wie sein Vater wurde T. nach dessen Tod (1870) zum Mitgl. auf Lebenszeit ins HH berufen, wo er als konservativer Anhänger der Verfassungspartei galt. 1872 bekleidete er das Amt des Vizepräs. des HH, 1877 Präs. der RR-Delegation, 1879 bis zu seinem Tod Präs. des HH. Der auch in Mähren begüterte T. (Allodial-Herrschaft Koritschan mit Mauchnitz) stand zudem seit Beginn an der Spitze der 1879 gebildeten Mittelpartei des mähr. Großgrundbesitzes und vermochte im HH die Formierung einer Mittelpartei zu bewirken. Damit trug er wesentl. dazu bei, dass die Wehrgesetzvorlage der kurz zuvor gebildeten Regierung von →Eduard Gf. Taaffe im Dezember 1879 die erforderl. parlamentar. Mehrheit erhielt. Die Ernennung T.s zum Obersthofkämmerer im März 1884 stand zumindest mittelbar damit im Zusammenhang. Seitdem stammten beinahe alle vom K. persönl. ausgesuchten Inhaber der obersten Hofämter aus dem Umfeld der Mittelpartei. Als Inhaber des nach dem Obersthofmeister zweiten Hofamts war T. nicht nur für die Ahnenproben und den Hofzutritt zuständig, sondern insbes. auch für den Habsburg-Lothring. Hausschatz und für die Kunsthist. Smlgg. In unmittelbarer zeitl. Nähe mit der Oberstkämmererwürde wurde er Kurator des Österr. Mus. für Kunst und Ind. und 1885 Ehrenmitgl. der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus). 1849 Kämmerer, 1868 w. Geh. Rat, erhielt er 1867 das Großkreuz des Franz Joseph-Ordens, 1870 das Großkreuz des Leopold-Ordens und wurde 1880 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies. Sein Vater (Franz) Joseph Ferdinand Gf. zu T.-W. (geb. Brüssel, Österr. Niederlande/B, 19. 2. 1788; gest. Obřistwí, Böhmen / Obříství, CZ, 22. 8. 1870; röm.-kath.) war während der ersten Hälfte des 19. Jh. ein bedeutender Diplomat, dessen Karriere ihn als Missionschef bzw. ao. Gesandten und bevollmächtigten Minister über Baden (1815–18), Württemberg (1818–20) und Bayern (1820–27) schließl. an den preuß. und mecklenburg. Hof in Berlin führte. Die Zeit seiner dort knapp 22-jährigen Tätigkeit (1827–49) war nicht zuletzt auch von den gegensätzl. Interessenlagen zwischen Wien und Berlin im Zusammenhang mit der Bildung des Zollver. geprägt. 1861 lebenslängl. Mitgl. des HH.

L.: WZ, 22. 4. 1861; A. Hudal, Die österr. Vatikanbotschaft 1806–1918, 1952, S. 197ff.; A. Lhotsky, in: ders., Aufsätze und Vorträge 4, 1974, S. 277ff.; E. Matsch, Der Auswärtige Dienst von Österr.(-Ungarn) 1720–1920, 1986, s. Reg.; R. R. Luft, in: Die Chance der Verständigung, ed. F. Seibt, 1987, S. 187ff.; R. Agstner, in: MÖStA 42, 1992, S. 284f.; M. Winkelhofer, in: Adel und Politik in der Habsburgermonarchie und den Nachbarländern zwischen Absolutismus und Demokratie, ed. T. Tönsmeyer – L. Velek, 2011, S. 197ff.; B. Douglas, Die Geschichte der Präsentation der Kunstkammer im Kunsthist. Mus. von 1891 bis 2013, hist.-kulturwiss. DA Wien, 2013, S. 60f.
(H. P. Hye)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 436f.
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