Abel, Gustav (Gustave, Gustave Antoine) (1901–1988), Höhlenforscher, Alpinist und Mechaniker

Abel Gustav (Gustave, Gustave Antoine), Höhlenforscher, Alpinist und Mechaniker. Geb. Metz, Deutsches Reich (Frankreich), 8. 11. 1901; gest. Salzburg (Salzburg), 16. 7. 1988; französisch-reformiert. Sohn von Martha Alwine Abel, geb. Görisch (geb. Dresden, Sachsen/Deutschland, 6. 5. 1869; gest. Salzburg, 17. 1. 1939), und dem Glas- und Porzellanmaler Anton Abel (geb. Buchau, Böhmen / Bochov, Tschechien, 1. 8. 1873; gest. Salzburg, 12. 4. 1957); ab 1943 verheiratet mit Anna Abel, geb. Gittmaier (geb. Obernberg am Inn, Oberösterreich, 5. 6. 1910; gest. Salzburg, 30. 9. 1983). – Abel wurde in Metz als Sohn eines Auslandsösterreichers geboren. Mit den Eltern übersiedelte er 1914 noch vor Beginn des 1. Weltkriegs über Stuttgart nach Salzburg. Bis 1918 erhielt er eine nautische Ausbildung in Triest, 1918–21 absolvierte er eine Mechanikerlehre in Salzburg. In der Folge übernahm er einige Gelegenheitsarbeiten u. a. im Ausland, etwa im Bergbau, war aber wiederholt auch arbeitslos. Zweieinhalb Jahre diente er in der französischen Fremdenlegion. Nach Interventionen von Abel selbst, vom im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft für die Höhlen zuständigen Beamten Ernst Kiesling und vom Verein für Höhlenkunde in Salzburg bei Landeshauptmann →Franz Rehrl 1934 und 1935 erhielt Abel eine Stelle bei den Wasserwerken in Salzburg, wo er bis zu seiner Pensionierung 1967 blieb. 1940 bestand er die Meisterprüfung. In seiner Freizeit befasste er sich mit Naturwissenschaften, v. a. mit Höhlenkunde. Als seine Lehrmeister gab er →Karel Absolon, Martin Hell, →Georg Kyrle, Otto Lehmann, Artur Vandebosch und Paul Wernert an. Darüber hinaus hielt er sich häufig im Ausland auf und betätigte sich als Bergsteiger von den Pyrenäen bis zu den Karpaten. Im Zuge seiner alpinistischen Tätigkeit besuchte er auch Höhlen des Untersbergs bei Salzburg. 1926 trat er dem Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg bei und war ab 1930 Tourenwart, bis er 1938 wegen seiner sozialistischen Gesinnung gekündigt wurde. 1940 wurde er jedoch zum stellvertretenden Vereinsführer gewählt. Nachdem Abel die angebotene Mitarbeit bei der Forschungsstätte für Karst- und Höhlenkunde der Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ der SS zunächst abgelehnt hatte, übernahm er 1941 die Leitung der Abteilung für Lichtbildwesen und Lichtbildpropaganda. Zu seinen Aufgaben gehörte die Erstellung eines Bildarchivs. Die Aufforderung der Forschungsstätte, in die von ihr 1942 gegründete Karstwehrtruppe einzutreten, lehnte er ab. 1943 hielt er allerdings Vorträge für diese Vereinigung und leitete deren Touren. Weiters erstellte er Gutachten für das Oberkommando der Wehrmacht und den Generalbevollmächtigten für Chemie. Für die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) fungierte Abel als KdF-Wart der Gauhauptstadt Salzburg und veranstaltete Exkursionen in die Eisriesenwelt, war jedoch gegen Kriegsende im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv. 1945–46 fungierte er, da er als politisch nicht belastet galt, als kommissarischer Leiter des Vereins für Höhlenkunde in Salzburg und 1946–60 als Obmann des neu konstituierten Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg. Nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Vorstand 1960 gründete er eine Arbeitsgemeinschaft für Höhlenkunde im Haus der Natur. 1979 trat er dem Höhlenverein Hallstatt-Obertraun bei. Abel durchforschte zahlreiche Höhlengebiete in Europa, besonders intensiv die Höhlen Salzburgs. Er unternahm etwa 1.000 Exkursionen in 350 Höhlen, war bei 150 Neuentdeckungen dabei, fand rund 100 neue Abschnitte in bekannten Höhlen und zeichnete 280 Höhlenpläne mit 28.000 m selbst vermessener Gesamtlänge. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählte die Eisriesenwelt im Tennengebirge, wobei als eine seiner bedeutendsten Entdeckungen jene der Eiskogelhöhle 1942 gilt. In den 1960er- und 1970er-Jahren war Abel technischer Leiter und Organisator der von Kurt Ehrenberg und Karl Mais geleiteten Grabungen in der Schlenken-Durchgangshöhle. Abel führte Temperatur- und Eispegelmessungen in Salzburger Höhlen durch, barg Sedimente und Tierknochen und untersuchte Fledermäuse (dabei wurden 2.500 Fledermäuse beringt). Er verfasste etwa 600 Arbeiten, vorrangig über Höhlenkunde, für Tageszeitungen und Fachblätter im In- und Ausland, schrieb aber 1965 auch das Buch „Salzburger Gitter erzählen. Kleine Metaphysik schmiedeeiserner Kunst“. Sein Diaarchiv umfasst mehr als 15.000 Objekte, darunter Aufnahmen von Höhlen und Bergbauen, und befindet sich im Naturhistorischen Museum in Wien. Für seine Höhlenfotos wurde er mehrfach international ausgezeichnet. Abel hielt ca. 550 Vorträge im In- und Ausland, v. a. über Höhlenkunde, Geografie und Kunstgeschichte. Ab 1929 befasste er sich zudem mit den Grundsätzen eines Höhlenkatasters. Das von ihm vorgeschlagene System wurde aber weder von österreichischen noch – zur Zeit der NS-Herrschaft – von deutschen Stellen übernommen. Schließlich erstellte er einen privaten Welthöhlenkataster. Die dafür gewählte Einteilung nach Gebirgsgruppen fand in abgewandelter Form im offiziellen deutschen und österreichischen Höhlenkataster Anwendung. Ab den 1930er-Jahren arbeitete Abel an der Gestaltung der 1929 eröffneten Höhlenabteilung des Hauses der Natur in Salzburg mit, betreute die Sammlung ab 1936 weitgehend allein und leitete sie ehrenamtlich spätestens ab 1942 bis zu ihrer Schließung 1980. Dort integrierte er auch seine eigene Sammlung von ca. 600 Exponaten. Er war ab 1947 Konsulent des Bundesdenkmalamts, Ehrenmitglied der Société de Spéléologie de France und Korrespondent der Bundeshöhlenkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, ab 1951 korrespondierendes Mitglied des Český speleologický klub (Brno), ab 1964 Ehrenmitglied der Fédération Française de Spéléologie, ab 1982 Korrespondent des Naturhistorischen Museums Wien sowie Mitglied des Österreichischen Alpenvereins, des Touristenvereins Die Naturfreunde und in Höhleninstitutionen in Belgien, Großbritannien und Italien. 1929 erhielt er den Bronzenen, 1931 den Silbernen Höhlenbären des Hauptverbands Deutscher Höhlenforscher, 1962 die Goldene Fledermaus mit Smaragd des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg, 1964 den Ehrenbecher des Landes Salzburg, 1970 den Förderungspreis der Dr. Dr. h. c. Eduard Paul Tratz-Stiftung und 1986 das Ehrenzeichen für Verdienste um Österreichs Höhlenforschung des Verbands österreichischer Höhlenforscher.

Weitere W.: Die wirtschaftliche Bedeutung der Höhlen Salzburgs. Einst und jetzt, in: Salzburger Wacht, 20., 21. 7. 1933; Neue Höhlen im Untersberg, in: Mitteilungen über Höhlen- und Karstforschung, 1935; Salzburger Höhlenforschungen, in: Mitteilungen über Höhlen- und Karstforschung, 1935; Les grottes et les explorations spéléologiques en Autriche, in: Bulletin de la Société Royale Belge d'Études Géologiques et Archéologiques Les Chercheurs de la Wallonie 12, 1936; Unterirdische Märchenwelt, in: Völkischer Beobachter. Wiener Ausgabe, 10. 8. 1939; 250 Höhlen in drei Jahren durchforscht, in: Völkischer Beobachter. Wiener Ausgabe, 13. 10. 1941; Im Reich der Höhlen. Höhlenforschung und Höhlenforscher, 1949; Water storage in the Alpine karst, in: Cave Science 2, 1951, Nr. 16; 24 Jahre Beringung von Fledermäusen in Salzburg, in: Bonner zoologische Beiträge, Sonderheft 11, 1960; Definizione di concrezioni e di ghiaccio in grotta. Definitionen bei Konkretionen und Hoehlensis [!], in: Memorie. Rassegna Speleologica Italiana e Società Speleologica Italiana 5, 1961; Die Salzburger Eishöhlen, in: Salzburg. Natur – Kultur – Geschichte 2, 1961, Nr. 2/3; Spuren des Altsteinzeitmenschen in der Schlenkendurchgangshöhle, in: Berichte aus dem Haus der Natur in Salzburg 8, 1978; Il Paleolitico nelle Alpi Calcaree settentrionali (Austria), in: Notiziario Sezionale. Club Alpino Italiano. Sezione di Napoli, N. S. 36, 1982, Nr. 1.
L.: Gustave Abel – 75 Jahre, in: Die Höhle 27, 1976, S. 156ff. (mit Bild); G. Kirner, Ein Leben für die Berge. Gustl Abel. Vom Fremdenlegionär zum Höhlenbergsteiger, in: Der Bergsteiger 44, 1977, Nr. 7, S. 410, 417; P. Schneider, Gustav Abel zum 80. Geburtstag, in: Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher 27, 1981, Nr. 3, S. 44f.; A. Ausobsky, In dankbarem Gedenken unserem Altobmann Gustave Antoine Abel, in: Atlantis. Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg, 1988, Nr. 2, S. 3ff.; B. Geze, Abel Gustave (1901–1988), in: Spelunca, 1988, Nr. 31, S. 14f.; W. Klappacher, Gustav Abel – Sein Wirken im Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg, in: Atlantis. Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg 24, 2002, Nr. 3–4, S. 69ff.; P. Danner, Der Welthöhlenkataster von Gustave Abel und sein Bezug zu Katasterprojekten in Deutschland und Österreich, in: Die Höhle 66, 2015, S. 107ff. (mit Bild); P. Danner, Die Neuordnung der Großdeutschen Höhlenforschung und die Höhlenforschung in Salzburg von 1938 bis 1945, in: Berichte der Geologischen Bundesanstalt 119, 2017; W. Klappacher, Gustave Abel – Sein Leben als Höhlenforscher und Fotograf, in: Die Höhle 68, 2017, S. 107ff.; W. Hubka, Gustave Abel (1901–1988). Persönliche Erinnerungen, in: Atlantis. Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg 40, 2018, Nr. 1/2, S. 11ff.; J. Mattes, Wissenskulturen des Subterranen. Vermittler im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Ein biografisches Lexikon, 2019; P. Danner, Salzburger Höhlenforscher im Widerstand gegen das NS-Regime, in: Atlantis. Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in Salzburg 44, 2022, Nr. 1–4, S. 57ff.; Haus der Natur Salzburg, HNS-WA-027 Abel Gustaf [!]; Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg, Buch der Expeditionen, Protokolle der Ausschusssitzungen und Monatsversammlungen; Naturhistorisches Museum, Archiv der Karst- und Höhlen-Arbeitsgruppe, Nachlass Gustave Abel, alle Wien; Salzburger Landesarchiv, Salzburg / Rehrl-Brief 1935/2400; Stadtarchiv Dresden, Deutschland.
(Peter Danner)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)