Abraham (Ábrahám), Paul (Pál) (1892–1960), Komponist und Dirigent

Abraham (Ábrahám) Paul (Pál), Komponist und Dirigent. Geb. Apatin, Ungarn (SRB), 2. 11. 1892; gest. Hamburg (D), 6. 3. 1960; mos. Sohn des Kaufmanns Jakab Abraham und dessen Frau Flora, geb. Blau; verheiratet mit Sári (Charlotte) Abraham, geb. Feszélyi (1895–1975). – A. besuchte die (schwäbische) Volksschule in Apatin. Nach dem frühen Tod des Vaters übersiedelte die Familie nach Budapest, wo A. die Bürgerschule, die Handelsakademie und eine Banklehre absolvierte. An der dortigen Landesakademie für Musik studierte er bei Adolf Schiffer Cello und bei →Victor von HerzfeldKomposition. Bei Akademiekonzerten wurden seine ersten eigenen Kompositionen aufgeführt, u. a. ein Cellokonzert, ein Streichquartett und eine „Ungarische Serenade“ („Magyar szerenád“, alle verschollen). Nach dem Ende des 1. Weltkriegs, den er zuletzt noch als Soldat mitgemacht hatte, versuchte sich A. als Börsenspekulant. 1927 übernahm er eine Kapellmeisterstelle am Fővárosi Operettszínház in Budapest, wo drei Jahre später jenes Werk herauskam, das den Komponisten direkt ins damalige Theaterzentrum Berlin führte: „Viktória“ (auf Deutsch „Viktoria und ihr Husar“). Die Berliner Erstaufführung im Metropoltheater wurde zu einer Sensation. V. a. wegen der Jazznummern, wie sie in der Operette zuvor noch nicht gewagt worden waren, wirkte A.s Musik überaus modern. Dazu kam eine offene Schlagerdramaturgie, wie sie für die Spätphase des Genres typisch war: eine bunte Mischung aus Jazz und Csárdas, Revue und Operette, Sentiment und Parodie. So fand A. auch im aufkommenden Tonfilm ein reiches Betätigungsfeld. Seine beiden nächsten, für Berlin komponierten Operetten „Die Blume von Hawaii“ und „Ball im Savoy“ wurden ebenfalls Erfolge und machten A. wohlhabend. Umso härter traf ihn die Machtergreifung der Nationalsozialisten, befand er sich doch gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Auf seine Rückkehr nach Budapest folgte ein schleichender Abstieg. Obwohl er sich anfangs noch dort und in Wien als Film- und Operettenkomponist halten konnte, verschlimmerte sich seine Lage nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938. Im Februar 1939 verließ A. schließlich Ungarn, hielt sich über ein Jahr in Paris auf, ehe er sich nach einer Irrfahrt über Casablanca und Havanna schließlich nach New York retten konnte. Hier gelang es ihm nicht mehr, Fuß zu fassen. Die Ausweglosigkeit seiner Bemühungen belastete ihn schwer und die ersten Symptome einer Syphiliserkrankung machten sich bemerkbar. 1946 wurde A. zunächst ins Spital und anschließend in eine psychiatrische Klinik in Queens überwiesen. Dort lebte er auf engstem Raum, verrichtete Hilfsarbeiten, galt aber schließlich als geheilt. Da er nur ein Besucher-Visum für die USA hatte, drohte ihm die Abschiebung nach Ungarn. Auf Betreiben des Filmproduzenten und Freunds Alexander Paal wurde in Hamburg eine Paul Abraham-Gesellschaft gegründet, mit dem Ziel, ihn nach Deutschland zurückzuholen. Als dies 1956 endlich gelang, war A. bereits schwer gezeichnet. Nach einem 16-monatigen Aufenthalt in der Psychiatrie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf bezog er mit seiner Frau eine Wohnung in der Nähe und lebte von den Einnahmen seiner jetzt wieder populären Musik. Gespielt wurde sie allerdings in eher biederen Neufassungen, da die Originalinstrumentation wie die vieler Komponisten im „Dritten Reich“ verloren gegangen war.

Weitere W. (s. auch Grove, 2001; MGG II): Zenebona, 1928; Az utolsó Verebély lány (Der Gatte des Fräuleins), 1928; Märchen im Grand-Hotel, 1934; Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus, 1935; 3:1 a szerelem javára (Roxy und ihr Wunderteam), 1936; A Fehér hattyú (Der weiße Schwan), 1938. – Filmmusik: Melodie des Herzens, 1929; Die Privatsekretärin, 1931; Das Blaue vom Himmel, 1932; Antonia, 1935.
L.: Czeike; Grove, 1980, 2001 (mit W.); MGG II (mit W.); F. Hadamowsky – H. Otte, Die Wiener Operette, 1947, s. Reg.; N. Dostal, Ans Ende deiner Träume kommst du nie. Berichte. Bekenntnisse. Betrachtungen, 1982, passim; M. Pacher, Der Kronprinz der Operette. P. A., 1982; Gy. Sebestyén, P. Á., 1987 (mit Bild); H. Grunwald u. a., Ein Walzer muß es sein. A. Grünwald und die Wiener Operette, 1991, s. Reg. (mit Bild); R. Dachs, Sag beim Abschied ..., 1994, S. 137ff. (mit Bild); K. Gänzl, The Encyclopedia of The Musical Theatre 1, 1994; D. Hirschel, in: Operette unterm Hakenkreuz, ed. W. Schaller, 2007, S. 40ff.; K. Waller, P. A. Der tragische König der Operette, 2. Aufl. 2017.
(St. Frey)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)