Achberger, Leopold (1903–1994), Superintendent

Achberger Leopold, Superintendent. Geb. Pressburg, Ungarn (Bratislava, Slowakei), 27. 8. 1903; gest. Graz (Steiermark), 3. 1. 1994; evang. AB. Sohn von Karl Achberger (evang. AB) und Franziska Achberger, geb. Schiessel (Schüssel, Schüssler), verwitwete Madlee (geb. Pressburg, 19. 10. 1860; gest. Bratislava, Tschechoslowakei/Slowakei, 1920; röm.-kath.), Vater des Germanisten Friedrich Achberger (geb. 1948; gest. USA, 1984, verunglückt); ab 1930 in 1. Ehe verheiratet mit der Kinderkrankenschwester Erika Achberger, geb. Wetjen (geb. Bremen, Deutsches Reich/Deutschland, 1906; gest. Graz, 1952), in 2. Ehe ab 1954 mit Elise Achberger, geb. Treczak, verwitwete Rex (geb. Heinrichswalde, Deutsches Reich / Slavsk, Russische Föderation, 1901; gest. 1994). – Achberger wuchs im Pressburger Stadtteil Blumenthal im sogenannten Baron-Walterskirchen-Haus in beengten und bescheidenen Verhältnissen eines Arbeiterhaushalts auf. Die katholische Mutter brachte aus ihrer 1. Ehe einen Sohn und eine Tochter mit und schärfte dadurch Achbergers Blick für die besonderen verbindenden Bedingungen, aber auch die Beschwernisse und Nöte einer interkonfessionellen Ehe; Achbergers späterer Einsatz für Ökumene und zwischenkirchliche Verständigung liegt hierin begründet. Nach dem Besuch der Evangelischen Volksschule und des Evangelischen Lyceums, einer weit über die Grenzen der Donaumonarchie hinaus berühmten humanistischen Bildungsanstalt mit ungarischer, später slowakischer Unterrichtssprache, sowie nach einer auf Ungarisch absolvierten Reifeprüfung 1922 widmete sich Achberger dem Studium der Theologie in Wien (1922–26) und Kiel, das er durch Erteilen von Nachhilfeunterricht finanzierte. Er wählte zuerst die Wiener Fakultät, die im Sommer 1922 nach langjährigen Bemühungen in den Verband der Universität Wien inkorporiert worden war, nicht die Pressburger Akademie. Diese Option darf nicht überbewertet werden, obgleich sie sich in der Retrospektive als entscheidende Zäsur darstellt. Achberger studierte, um in den Dienst seiner Heimatkirche – die deutsche Kirchengemeinde zu Pressburg mit ihrem bemerkenswert breitgefächerten Schulwerk – zurückzukehren. Nach seinem Examen in Wien 1926 ging er jedoch als geistliche Hilfskraft nach St. Veit an der Glan (bis 1928) und wirkte dann bis 1930 als Religionslehrer in Wien. Sein Plan, mit einer Dissertation über ein alttestamentliches Thema die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, um in der Folge an die Pressburger Akademie berufen zu werden, konnte nicht verwirklicht werden. Die Liebe zum Lehramt und zum mündlichen Vortrag blieb jedoch ein bestimmendes Element auf seinem Lebensweg. Die Wahl zum Pfarrer von Gröbming in der Steiermark im Mai 1930, die Ordination und Amtseinführung durch Senior Paul Spanuth im August desselben Jahres sowie die im Oktober erfolgte Eheschließung und Familiengründung rückten andere Lebensziele in den Vordergrund. 1946 wurde Achberger von den Presbyterien der steirischen evangelischen Gemeinden zum ersten Superintendenten in der Steiermark gewählt, aber erst im November 1947 vom Staat bestätigt. Das lange Zuwarten des Kultusamts mit dem vom Gesetz geforderten kirchenhoheitlichen nihil obstat resultierte aus dem haltlosen Verdacht einer nationalsozialistischen Betätigung, den Achberger durch gelegentliche Beitragsleistungen an eine der Vorfeldorganisationen der NSDAP hervorgerufen hatte. Aber da er nie im strengen Sinn Nationalsozialist, weder Parteimitglied noch Parteimitgliedsanwärter, gewesen war, sich vielmehr aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Michaelsbruderschaft kritisch zur politischen und kirchenpolitischen Lage geäußert hatte, kam es mit Verzögerung doch zur staatlichen Bestätigung. Achberger hatte sich 1935 der Michaelsbruderschaft angeschlossen, die sich um eine neue Beziehung zur römisch-katholischen Kirche bemühte und den traditionellen Antikatholizismus in der Evangelischen Kirche zu überwinden versuchte. Sie wurde daher als katholisierend empfunden und irritierte viele Gemeindemitglieder, sodass die Kirchenleitung im Sommer 1946 ein theologisches Klärungsgespräch ansetzte, bei dem Achberger die Position der Michaelsbruderschaft zum zentralen Thema Kirche und Amt vortrug. Die Übersiedlung nach Graz, wo seit 1942 der Sitz der Superintendentur geplant war, musste mangels einer geeigneten Wohnung unterbleiben. Als Achberger sich deshalb veranlasst sah, sein Superintendentenamt niederzulegen, wurde er durch die Gemeinden bestärkt, dieses zunächst von Gröbming aus zu verwalten. Erst 1951 kam es zum Wechsel nach Graz, wo er von der Pfarrgemeinde Kreuzkirche aus amtierte. In der Nachkriegszeit galt es v. a., das kirchliche Leben wieder anzuregen, die zerstörte Infrastruktur aufzubauen, die nötigen Laienhelfer für den Religionsunterricht auszubilden sowie sich um ein gutes Gesprächsklima mit der römisch-katholischen Schwesterkirche zu bemühen. Mit besonderer Anteilnahme widmete er sich dem Religionsunterricht an der Lehrerbildungsanstalt, um der ethischen Einbindung des Lehrberufs den nötigen christlichen Rahmen zu geben. 22 Jahre gehörte er von Amts wegen allen synodalen Gremien sowie der Superintendentenkonferenz seiner Kirche an. Aufgrund einer starken gesundheitlichen Beeinträchtigung wurde er 1969 in den Ruhestand versetzt, nahm jedoch als Emeritus am kirchlichen Leben regen Anteil und verkörperte bis zu seinem Lebensende die Dialogbereitschaft mit dem Katholizismus, sodass er mit Recht als ein Brückenbauer der Ökumene gewürdigt werden konnte. Achberger erhielt mehrere Ehrungen und Auszeichnungen, etwa das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1963), das Bürgerrecht der Landeshauptstadt Graz (1967), den Ehrenring des Landes Steiermark (1970) sowie das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern (1993).

W. (s. auch Rampler): Die Evangelische Superintendenz A.B. Steiermark 1946–1969, 1970; Zur Geschichte des Lyceums der Evangelischen Gemeinde A.B. Preßburg, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 96, 1980; Über den Wandel im Verhältnis zwischen der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche seit 1938, vornehmlich in der Steiermark, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 96, 1980; Die innere Entwicklung der evangelischen Kirche in der Steiermark im 16. Jahrhundert, in: Evangelisch in der Steiermark. Glaubenskampf – Toleranz – Brüderlichkeit, ed. G. Pferschy, 1981; Gestalten aus dem Leben Alt-Preßburgs, in: Heimatblatt der Karpatendeutschen in Österreich 33, 1982, F. 5–6; Mein Weg in der Kirche, in: Innovation und Tradition. Festschrift zum 75-Jahr-Jubiläum der Superintendenz Steiermark, ed. M. Axmann u. a., 2022.
L.: Amtsblatt für die Evangelische Kirche A. und H. B. in Österreich, 1969, Nr. 9, S. 57, 1994, Nr. 1, S. 3f.; H. Begusch, Ein Brückenbauer der Ökumene, in: Ökumenisches Forum 16, 1993, S. 13ff.; H. Begusch, Von der Toleranz zur Ökumene, in: Kirchengeschichte der Steiermark, ed. K. Amon – M. Liebmann, 1993, S. 536ff., 575ff.; H. Rampler, Evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen der Steiermark seit dem Toleranzpatent. Ein Beitrag zur österreichischen Presbyteriologie, 1998, S. 57f. (mit Bild und W.); H. Miklas, Die Evangelische Kirche in der Steiermark 1945–1995, in: Die Steiermark 1945–1995, ed. A. Ableitinger, 2002, S. 477ff.; R. Rappel, Ökumene hat Geschichte. Die Entwicklung des ökumenischen Dialogs in der Steiermark, in: Konfession und Ökumene. Die christlichen Kirchen in der Steiermark im 20. Jahrhundert, ed. E.-Ch. Gerhold u. a., 2002, S. 279ff.; E.-Ch. Gerhold, Die Evangelische Kirche, in: Vom Bundesland zur europäischen Region. Die Steiermark von 1945 bis heute, ed. J. F. Desput, 2004, S. 705ff.; Evanjelický augsburského vyznania farský úrad, Bratislava, Slowakei; Mitteilung Gertrud Knittel (gest.), Villach, Gottfried Achberger, Friedrichshafen, Deutschland.
(Karl W. Schwarz)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)