Adler Ludwig (Louis), Gynäkologe. Geb. Wien, 7. 11. 1876; gest. New Milford, Connecticut (USA), 8. 8. 1958; mos. Sohn von Josefine (Josephine) Adler, geb. Wolf (geb. Pressburg, Ungarn / Bratislava, Slowakei, 23. 10. 1849; gest. Wien, 6. 4. 1938), und des Kaufmanns und Bäckermeisters Adolf (Abraham Adolph) Adler (geb. Austerlitz, Mähren / Slavkov u Brna, Tschechien, 25. 10. 1835; gest. Wien, 10. 4. 1904); ab 1912 verheiratet mit der Schauspielerin Hedwig Adler, geb. Quandt, bekannt als Hedwig Reinau (geb. Berlin, Deutsches Reich/Deutschland, 9. 8. 1884; gest. Litchfield, Connecticut / USA, 1972). – Nach bestandener Matura am Staatsgymnasium in Wien-Alsergrund (1894) studierte Adler Medizin an der dortigen Universität; 1900 Dr. med. Nach einer kurzen Tätigkeit an der 1. Syphilisklinik wechselte er 1901 an das Pathologisch-anatomische Institut der Universität unter Anton Weichselbaum, wo erste wissenschaftliche Arbeiten entstanden. Anfang 1904 trat Adler in die 1. Universitäts-Frauenklinik unter →Friedrich Schauta ein. Zunächst als Frequentant beschäftigt, wurde er 1906 zum 3. und 1908 zum 2. Assistenten befördert. In diesen Jahren führte er zudem mit dem Laborleiter der Klinik, →Fritz Hitschmann, diejenigen Untersuchungen durch, die ab 1907 zu einem Paradigmenwechsel in der histopathologischen Beurteilung der menschlichen Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) führten: Zuvor als entzündlich und damit krankhaft eingestufte Schleimhautbilder (Endometritis) wurden nun als Ausdruck der physiologischen Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut im menstruellen Zyklus der Frau erkannt. Die erste diesbezügliche Präsentation auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie 1907 in Dresden löste im Auditorium begeisterte Zustimmung aus. Die oft als Klassiker bezeichnete ausführliche Arbeit der beiden Autoren erschien erst im Jahr darauf („Der Bau der Uterusschleimhaut des geschlechtsreifen Weibes mit besonderer Berücksichtigung der Menstruation“, in: Monatsschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie 27, 1908). 1912 habilitierte sich Adler mit der Arbeit „Zur Physiologie und Pathologie der Ovarialfunktion“ (in: Archiv für Gynäkologie 95, 1911). Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit verlagerte sich danach auf die Strahlentherapie, die damals von vielen Koryphäen des Fachs als der Operation überlegene, neue Methode zur Behandlung von Krebserkrankungen betrachtet wurde. In seiner 1919 publizierten, viel beachteten Untersuchung „Die Radiumbehandlung maligner Tumoren in der Gynäkologie. Grundlagen, Technik und Erfolge nebst Bericht über 250 behandelte Fälle“ kam Adler zu dem Ergebnis, dass individualisiert und vom Tumorstadium abhängig behandelt werden müsse: Zwar seien mit der Strahlentherapie bei der Behandlung von „inoperablen, gänzlich verlorenen Karzinomfällen“ durch kein anderes Mittel erreichbare Erfolge erzielt worden, sie habe aber noch nichts geleistet, was dazu berechtigen würde, „das Messer, dem wir so viele Erfolge verdanken, aus der Hand zu legen“. Nach 1912 übernahm Adler in immer stärkerem Maße die Vertretung seines erkrankten Chefs Schauta. 1919 wurde er zum ao. Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie ernannt und leitete die Klinik bis zum Mai 1920 kommissarisch. Anschließend war er Primararzt in mehreren Wiener Krankenhäusern, darunter im Kaiser-Franz-Josef-Spital, im Wilhelminenspital (ab 1921), in der Krankenanstalt Rudolfstiftung (ab 1932) und im Bettina-Stiftungs-Pavillon im Elisabethspital (ab 1935). In Letzterem trat er – selbst auch ein hoch anerkannter gynäkologischer Operateur – die Nachfolge von →Wilhelm Latzko an. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs flüchtete Adler mit Ehefrau und Tochter in die USA. Er kam damit dem Entzug der Lehrbefugnis zuvor. Im Gegensatz zu anderen Emigranten konnte Adler trotz seines fortgeschrittenen Alters als international anerkannter Wissenschaftler und renommierter Frauenarzt in New York City beruflich schnell Fuß fassen. Er führte in der Park Avenue bis 1956 eine Praxis, war Belegarzt am Beth Israel Hospital sowie Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am St. Clareʼs Hospital. 1943 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Die Revision der Endometritislehre des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sowie die Erstbeschreibung der physiologischen Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut während des weiblichen Zyklus durch Adler und Hitschmann stellen einen Meilenstein in der Geschichte der Gynäkologie dar. Nach der Korrelation ihrer Befunde mit den zyklischen Vorgängen im Eierstock durch den deutschen Gynäkologen Robert Schröder waren die Voraussetzungen für die Entwicklung der Bioassays geschaffen, die Ende der 1920er- und in den 1930er-Jahren die Entdeckung und chemische Darstellung der Ovarialhormone (Estrogene und Progesteron) möglich machten. Adler war 1907–33 (Austritt) Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, ab 1934 Ehrenmitglied des British Congress of Obstetrics and Gynecology sowie der Edinburgh Obstetrical Society, ab 1935 der Sociedad de Obstetricia y Ginecología de Buenos Aires und ab 1947 der Gesellschaft der Ärzte in Wien, weiters Mitglied der American Medical Association, der American Society of Obstetrics and Gynecology sowie Ehrenmitglied der British Association of Obstetrics and Gynecology. Außerdem wurde er zum Honorary Fellow of the American Association of Gynecologists and Abdominal Surgeons ernannt.