Aicher, Hermann (1902–1977), Puppenspieler, Bühnenbildner und Theaterdirektor

Aicher Hermann, Puppenspieler, Bühnenbildner und Theaterdirektor. Geb. Salzburg (Salzburg), 11. 6. 1902; gest. Salzburg (Salzburg), 1. 7. 1977; röm.-kath. Sohn von Rosa (Rosina) Aicher, geb. Deutsch (geb. 22. 2. 1861), Gutsbesitzerstochter aus Graz, und →Anton Aicher, Vater der Puppenspielerinnen Friedl Aicher (geb. 1926) und Gretl Aicher (geb. Salzburg, 9. 7. 1928; gest. Salzburg, 14. 3. 2012); ab 1926 mit der Sopranistin Elfriede Eschenlohr verheiratet. – Seit der Gründung des Salzburger Marionettentheaters durch seinen Vater 1913 war Aicher an diesem Theater tätig. Er besuchte die Realschule in Salzburg und studierte in Wien ab 1921 drei Semester an der Technischen Hochschule. An der Akademie der bildenden Künste soll er außerdem Kurse in Bildhauerei besucht haben (möglicherweise als Privatschüler, da er in den Matrikeln nicht aufscheint). Nach dem Tod seines Bruders (1919) war er in die Leitung des Marionettentheaters eingetreten, das er später als Hochzeitsgeschenk von seinem Vater erhielt. Aicher widmete sich der Erneuerung des nun im Alten Borromäum angesiedelten Theaters, hielt Schritt mit technischen Neuerungen im Bühnenbereich, zollte aber auch dem Wunsch nach fantastischem Repertoire Rechnung. So entstanden utopische Stücke wie „Die Raumrakete“, „Das Weihnachtswunder“ oder „Der Frühlingszauber“. Die junge Familie begann schon in den 1930er-Jahren ausgedehnte Reisen ins Ausland zu unternehmen: Gastspielreisen führten sie nach Hamburg, Wien, in die Niederlande sowie bis nach Istanbul, Sofia und Athen. 1936 folgten Moskau und Leningrad, wo in Sälen mit bis zu 2.500 Besucher:innen gespielt wurde. Dafür mussten neue, größere Marionetten gebaut werden. 1937 erhielt man in einem Wettbewerb der Puppentheater auf der Pariser Weltausstellung die Goldmedaille. Ab demselben Jahr fanden im Auftrag der NS-Organisation Kraft durch Freude in zahlreichen Städten Vorstellungen statt, und auch in Form von Fronttheater-Gastspielen in Norwegen, Rumänien und Dänemark kamen die Marionetten zum Einsatz. 1944 wurde Aicher zum Militär eingezogen. Im September jenes Jahres wurden alle Theater geschlossen, nur zur Weihnachtszeit konnte man einige Vorstellungen spielen. 1947 gab das Salzburger Marionettentheater das erste deutschsprachige Gastspiel in Paris nach Kriegsende im renommierten Théâtre des Champs-Elysées. Noch hatte Aicher ein großes Ensemble zur Verfügung, das ihm erlaubte, ganzjährig in Salzburg zu spielen und gleichzeitig auf Tournee zu gehen. Als aber 1950 die Behörden das Stammhaus der Marionetten im Borromäum wegen Baufälligkeit sperrten, musste sich das Theater von dutzenden Inszenierungen trennen, die an diese Räumlichkeit angepasst waren. Aicher erkannte und nutzte die Chance neuer Aufnahmetechniken und kommerzieller Musikaufnahmen. Endlich konnten damit auch große Opern und Theaterstücke in verschiedenen Sprachen einstudiert werden. Es folgten neuerlich ausgedehnte Tourneen (wiederholt in die USA und 1964 nach Australien), und die Salzburger Marionetten festigten nun ihren Ruf als Botschafter der Kunst des Marionettenspiels. Das Kernrepertoire verlagerte sich unter Aicher auf die Opern Mozarts. Die Marionettentechnik wurde weiter verfeinert. Einen Höhepunkt der Ära Aichers bedeutete sicherlich der Bezug des festen Hauses in der Schwarzstraße 1971, das bis heute das Zuhause der Salzburger Marionetten ist. Nach Aichers Tod übernahm seine Tochter Gretl, die seit ihrer Jugendzeit im Theater gespielt hatte, dessen künstlerische Leitung. Aicher war Ehrenbürger der Stadt Salzburg (1977) und wurde mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (1962) sowie dem Professorentitel ausgezeichnet.

L.: Innsbrucker Nachrichten, 8. 11. 1941, 31. 10. 1942; Salzburger Zeitung, 27. 2. 1943; Salzburger Nachrichten, 10. 6. 1972, 4. 7. 1977; Fuchs, 20. Jh.; Die Bühne 381, 1934, S. 47 (Bild); Radio Wien 13, 1937, H. 41, S. 12 (mit Bild); Neue illustrierte Wochenschau 52, 1961, Nr. 41, S. 33; R. Schmidt, Österreichisches Künstlerlexikon, 1980; TU, Wien; Pfarre Salzburg-Nonntal, Salzburger Marionettentheater, beide Salzburg; https://marionetten.at/.
(Barbara Ortner)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)