Aichinger, Alfred (Anton Mathias) (1901–1989), Verleger

Aichinger Alfred (Anton Mathias), Verleger. Geb. St. Pölten (Niederösterreich), 30. 3. 1901; gest. Juli 1989; röm.-kath. Sohn des Richters und Gerichtspräsidenten Friedrich August Aichinger (geb. Wien, 2. 12. 1867; gest. Wien, 10. 8. 1933) und von Hedwig Aichinger, geb. Treichl (geb. Wien, 13. 3. 1874; gest. 26. 6. 1942), Bruder des Journalisten und Schriftstellers Gerhard Aichinger (Ps. Gerhard Aick, Gerhard Dick, Eva Leitgeb, Ferdinand Schwartz, Ferdinand Schwarz) (geb. St. Pölten, 4. 1. 1900; gest. Berlin, Deutschland, 6. 4. 1978) und des Schauspielers Heribert (Herbert) Aichinger (geb. St. Pölten, 13. 9. 1903; gest. Wien, 6. 12. 1985); verheiratet ab 1948 mit Katharina Aichinger, geb. Pauly. – Nach der Matura am Realgymnasium in Wien-Josefstadt trat Aichinger 1920 in die Staatliche Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, Abteilung Buchgewerbe, ein. Zugleich begann er an der Universität Wien das Studium der Kunstgeschichte. 1922 übersiedelte er nach Leipzig, wo er an der dortigen Universität Kunstgeschichte studierte und an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe seine Fachkenntnisse vertiefte. Daran schloss sich ein mehrmonatiges Volontariat beim Reclam-Verlag an. Zurück in Wien, setzte er sein Studium der Kunstgeschichte fort und promovierte 1928 mit der Dissertation „Die Wunderdarstellungen im Langhause der Kirche St. Georg zu Oberzell auf der Reichenau“. Im selben Jahr wurde Aichinger Prokurist beim Druckerei- und Verlagshaus Waldheim-Eberle. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde er in die im Besitz der Familie Salzer befindliche Firma Carl Ueberreuter berufen, um einen Kinder- und Jugendbuchverlag aufzubauen. Das von Aichinger erstellte Verlagsprogramm umfasste klassische Werke der Kinder- und Jugendliteratur von Autor:innen wie Jonathan Swift („Gullivers Reisen“), Daniel Defoe („Robinson Crusoe“) oder Johanna Spyri („Heidi“), aber auch Märchen und Sagen (Brüder Grimm, „Kinder- und Hausmärchen“; Wilhelm Hauff „Der Zwerg Nase und andere Märchen“; Gustav Schwab „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“). Das Genre „Mädchenbuch“ war etwa mit den Ausgaben von „Trotzkopf“ (Emmy von Rhoden bzw. Else Wildhagen) und „Nesthäkchen“ (Else Ury) abgedeckt. Als weiteren Autor brachte Aichinger Erich Kästner ins Programm ein (u. a. mit „Emil und die Detektive“ und „Das fliegende Klassenzimmer“). 1948 sicherte sich Ueberreuter mittels Lizenzvertrags das ausschließliche Recht, die Werke Karl Mays in der ungekürzten Originalausstattung herauszugeben („Karl May-Bücherei“) und in alle Staaten auszuliefern; später erschienen Karl-May-Bände auch als Taschenbücher. Als Illustrator der Märchen- und Tierbücher wirkte ab Ende der 1950er-Jahre über lange Jahre der polnische Grafiker Janusz Grabiański. 1966 wurde das Sortiment um die Sparte Jugendsachbuch („Ueberreuter Bildungsbuch“) erweitert. Mit diesem Angebot erlangte Ueberreuter nicht nur eine beherrschende Position auf dem österreichischen Kinder- und Jugendbuchmarkt, sondern trat auch als bedeutender Buchexporteur in die Bundesrepublik Deutschland in Erscheinung. 1971 ging Aichinger in den Ruhestand. Er war Vizepräsident der Literarischen Verwertungsgesellschaft und gehörte dem Aufsichtsrat der Literar-Mechana an; ferner war er Mitglied des Journalisten- und Schriftstellervereins „Concordia“.

L.: WZ, 27. 7. 1928; Die Presse, 3. 8. 1989; Verlag Carl Ueberreuter. Wien–-Heidelberg, in: Dokumentation deutschsprachiger Verlage, ed. C. Vinz – G. Olzog, 1962, S. 217f.; Carl Ueberreuter Druck und Verlag – 100 Jahre im Besitz der Familie Salzer, red. Th. F. Salzer, 1966; Adressbuch des deutschsprachigen Buchhandels 1974/75, 7, 1974, S. 60; Österreichische Autorenzeitung 30, 1978, Nr. 4, S. 2; Ueberreuter Verlag, in: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur 3, ed. K. Doderer, 1979; P. Eppel, „Concordia soll ihr Name sein ...“. 125 Jahre Journalisten- und Schriftstellerverein „Concordia“, 1984, S. 355; H. P. Fritz, Buchstadt und Buchkrise. Verlagswesen und Literatur in Österreich 1945–1955, phil. Diss. Wien, 1989, S. 397ff.; 50 Jahre Verlag Ueberreuter, 1996; UA Wien / PH RA 9535, Nationale der phil. Fakultät WS 1920/21ff.; Pfarre St. Pölten Franziskaner.
(Christine Kanzler)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)