Aichner, Simon (1816–1910), Fürstbischof

Aichner Simon, Fürstbischof. Geb. Terenten, Tirol (Terenten/Terento, I), 19. 11. 1816; gest. Neustift, Tirol (Neustift/Novacella, I), 1. 11. 1910; röm.-kath. Sohn des Schmiedemeisters Georg Aichner und dessen Frau Theresia Aichner, geb. Mayramgraben. – A. besuchte das Gymnasium der Franziskaner in Bozen und studierte dann Philosophie in Innsbruck und Theologie in Brixen. Nach der Priesterweihe 1840 war er elf Jahre als Hilfspriester und Kooperator in Stilfes und ein Jahr als Kurat in Luttach tätig. 1852 wurde er als Studienpräfekt und Professor für Kirchenrecht an das Priesterseminar in Brixen berufen. A. veröffentlichte 1862 ein Lehrbuch des Kirchenrechts, in dem er im Gegensatz zu den älteren österreichischen Lehrbüchern die kirchlichen Freiheitsrechte gegenüber dem Staat betonte („Compendium juris ecclesiastici …“, ab der 10. Aufl. 1905 ed. Theodor Friedle, 12. Aufl. 1915). Die Wiener theologische Fakultät verlieh ihm dafür noch im selben Jahr das Doktorat honoris causa. Nachdem A. schon 1857 Spiritual am Priesterseminar und Konsistorialrat geworden war, übernahm er 1861 das Amt des Regens. Nach dem Tod von Fürstbischof →Vinzenz Gasser 1879 zum Kapitelvikar gewählt, wurde nicht A., Wunschkandidat von Klerus und Volk, sondern der Innsbrucker Stadtpfarrer Johannes von Leiß zum Nachfolger Gassers ernannt. Leiß erbat A. als Weihbischof und konsekrierte ihn im Oktober 1882 zum Titularbischof von Sebaste. In der Folge wirkte A. als Generalvikar für Vorarlberg mit Sitz in Feldkirch. Nach dem frühen Tod von Leiß wurde A. im Juni 1884 zu dessen Nachfolger nominiert; päpstliche Ernennung und Inthronisation im November desselben Jahres. A. schenkte dem Priesterseminar, das er beträchtlich vergrößern ließ, besondere Aufmerksamkeit, ebenso der regelmäßigen Visitation des Bistums. Im August 1900 fand unter seinem Vorsitz zum ersten Mal seit 1603 wieder eine Diözesansynode statt. A. unternahm auch ausgedehnte Firmungsreisen und wohnte regelmäßig den österreichischen Bischofskonferenzen in Wien bei. 1891 erhob er die Kuratien und Lokalkaplaneien zu Pfarreien und wandelte die Hilfspriesterstellen in Kooperaturen um. A. ließ weiters den Brixner Dom restaurieren. Unter seinem Episkopat nahm zudem das dem Cäcilianismus verbundene Kirchenchorwesen einen bedeutenden Aufschwung. Seine letzten Amtsjahre waren von den schweren Kämpfen zwischen Konservativen und Christlichsozialen überschattet. A. stand – wie die Mehrzahl der österreichischen Bischöfe – auf Seiten der Konservativen und verbot dem Klerus die Teilnahme an Versammlungen der beiden Parteien. Er wagte es allerdings nicht, dem Brixner Seminarprofessor →Aemilian Schoepfer zu verbieten, sich politisch zu betätigen, weil die Mehrzahl der Seminarprofessoren und viele Geistliche auf dessen Seite standen. Schoepfer appellierte gegen den Bischof an Papst Leo XIII., weil A. die Christlichsozialen behindere. Als dieser für sein Vorgehen gegen die Christlichsozialen keine Billigung der Kurie erhielt, bot er seinen Rücktritt an, der aber nicht angenommen wurde. Ab diesem Zeitpunkt verhielt sich A. gegenüber den Christlichsozialen zurückhaltend, wurde jedoch in seinen Resignationsplänen immer mehr bestärkt, zumal ihm mittlerweile auch die Konservativen Führungsschwäche vorwarfen. Die von der Regierung erwogene Ernennung des Salzburger Theologieprofessors →Josef Altenweisel zum Koadjutor lehnte er ab und reichte 1904 erneut ein Rücktrittsansuchen ein. Papst Pius X. nahm dieses an und ernannte A. im Juni desselben Jahres zum Titularerzbischof von Theodosiopolis. Im September 1904 legte A. die Bistumsleitung nieder und zog sich in das Augustinerchorherrenstift Neustift bei Brixen zurück.

Weitere W.: Der Schritt ins Heiligtum. Erwägungen für Theologen und Priester, ed. Th. V. Gerster, 1911; Stille Stunden. Exerzitienvorträge, ed. Th. V. Gerster, 1911 (mit Bild); Predigten, 2 Bde., ed. Th. V. Gerster, 1911–12 (mit Bild); Der Heidenlehrer. Ein Wort an Priester und Theologen, ed. Th. V. Gerster, (1912, mit Bild); Das katholische Priestertum. Mahnworte, ed. Th. V. Gerster, 1930.
L.: Bautz; Gatz, Bischöfe (mit Bild); NDB; A. Sparber, Aus dem Leben und Wirken des Fürstbischofs Dr. S. A. von Brixen, 1951; R. Schober, in: Österreich in Geschichte und Literatur 20, 1976, S. 387ff.; J. Gelmi, Die Brixner Bischöfe in der Geschichte Tirols, 1984, S. 248ff. (mit Bild); J. Gelmi, Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung 1826–2012, 2012, S. 103ff. (mit Bild).
(J. Gelmi)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 10
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