Albach-Retty, Rosa (Clara Franziska Helene); geb. Retty (1874–1980), Schauspielerin

Albach-Retty Rosa (Clara Franziska Helene), geb. Retty, Schauspielerin. Geb. Hanau, Deutsches Reich (Deutschland), 26. 12. 1874; gest. Baden (Niederösterreich), 26. 8. 1980 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); evang. AB. Tochter von Marie Katharina Retty, geb. Schaefer (1851–1898), Schauspielerin und Sängerin, und Rudolf Wilhelm Albert Retty (1845–1913), Schauspieler, Sänger und Regisseur, Mutter von →Wolf Albach-Retty; ab 1896 mit dem k. u. k. Oberstleutnant und Rechtsanwalt Karl (Walter) Albach (1870–1952) verheiratet. – Albach-Retty wurde in eine Theaterfamilie hineingeboren. Ihre Eltern waren 1874 in Hanau engagiert, zogen dann nach Gießen und hatten verschiedene Engagements an Provinzbühnen. 1887 übersiedelte die Familie nach Berlin, wo Rudolf Retty ein Engagement am Deutschen Theater unter Adolphe L'Arronge erlangt hatte. Neben ihrer Schulausbildung an einer höheren Töchterschule und einem Konservatorium erhielt Albach-Retty von ihrem Vater und von →Josef Kainz Schauspielunterricht. Ihr eigentlicher Wunsch war es, Pianistin zu werden. Auf Vermittlung des Vaters übernahm sie als 17-Jährige für eine erkrankte Schauspielerin die Rolle als Zeit in Shakespeares „Das Wintermärchen“ am Deutschen Theater. Nach diesem zufälligen Debüt am 9. September 1891 bekam sie einen Drei-Jahres-Vertrag und feierte erste Erfolge, so als Käthe in Ludwig Fuldas „Sklavin“ und als Lucie in Goethes „Stella“. Mit „Stella“ kam Albach-Retty im Rahmen der Internationalen Theater- und Musikausstellung im Prater 1892 zu einem Gastspiel erstmals nach Wien. In Berlin wurde sie in den nächsten beiden Jahren der jugendliche Star am Deutschen Theater. Größter Erfolg war 1893 Fuldas „Talisman“ mit Albach-Retty als Rita und →Josef Kainz als König Alstof. 1894 spielte sie am Berliner Theater und am Lessingtheater, 1895 trat sie ihr Engagement am Deutschen Volkstheater unter der Direktion von Emmerich Bukovics (→Emmerich Bukovics von Kis-Alacska) in Wien an. Dort wurde Albach-Retty in kürzester Zeit neben Helene Odilon (→Helene Petermann) der weibliche Star. Ihr Rollenrepertoire verdeutlicht ihre künstlerische Vielseitigkeit: Mit der Hermance in Charlotte Birch-Pfeiffers „Ein Kind des Glücks“ debütierte sie, es folgten Kleists Käthchen, Franziska in Lessings „Minna von Barnhelm“, Hosenrollen wie der Gymnasiast Wilhelm in Roderich Benedix' „Der Vetter“, der Jüngling in Kadelburgs „In Zivil“ und der junge Goethe in Gutzkows „Königslieutnant“. Unter der Regie ihres Vaters spielte sie die Adelheid in Hauptmanns „Der Biberpelz“; als ihre größten Erfolge und Lieblingsrollen galten Aennchen in Halbes „Jugend“ und Käthie in Meyer-Försters „Alt Heidelberg“. →Paul Schlenther engagierte Albach-Retty 1903 ans Hofburgtheater, wo sie bis 1958 im Ensemble blieb und an die 200 Rollen einstudierte. Sie verkörperte komplexe Frauenfiguren wie Hilde Wangel in Ibsens „Frau vom Meere“, dessen Nora und Strindbergs „Königin Christine“. Mit ihrem Mentor Kainz stand sie als Rahel in der „Jüdin von Toledo“ auf der Hofburgtheaterbühne. 1912 wurde sie Hofschauspielerin und 1928 Ehrenmitglied des Burgtheaters. 1930 scheint sie in der musikalischen Komödie „Geld auf der Straße“ erstmals als Filmschauspielerin auf, insgesamt sollte sie in 15 Filmproduktionen mitwirken. Politisch zeigte sich Albach-Retty rechtsgerichtet und opportunistisch, so hatte sie eine Mitgliedschaft bei der Vaterländischen Front inne und wurde dann wie ihr Sohn und Ehemann förderndes Mitglied der SS. Als berühmte Burgschauspielerin findet sie sich neben anderen Wiener Theater-Prominenten im Zeitungsartikel „Unsere Künstler danken dem Führer“ (Volkszeitung, 19. 4. 1938). Darin sprach sie von ihrer „persönlichen Genugtuung“ über den „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland, ihrer Verehrung und großen Nähe zu →Adolf Hitler. Sie war kein NSDAP-Mitglied, scheint jedoch (wie ihr Sohn) als für die NS-Kunst unabkömmliche Schauspielerin auf der „Gottbegnadeten-Liste“ auf. Albach-Retty war nicht nur an Burg- und Akademietheater, sondern mit sechs Produktionen auch im NS-Kino präsent, so im Karl-Lueger-Huldigungsfilm „Wien 1910“ als Rosa, die Schwester Luegers; am erfolgreichsten war sie als Mozarts Mutter in „Wen die Götter lieben“ (1942). Nach der Befreiung Österreichs 1945 blieb Albach-Rettys Renommee trotz ihrer NS-Nähe ungebrochen. In der Rolle der Herzogin von Marlborough in Scribes „Ein Glas Wasser“, die sie bereits 1935 und 1938 verkörpert hatte, stand sie im September 1945 auf der Bühne des Ausweichquartiers des zerstörten Burgtheaters im Redoutensaal. Mit dieser Produktion ging das Burgtheater erstmals wieder auf Gastspielreise. Albach-Retty feierte weiterhin Erfolge, so als Aase in Leopold Lindtbergs „Peer Gynt“-Inszenierung 1952. Ihr 50-jähriges Burgtheaterjubiläum beging sie als Madame Desmermortes in Jean Anouilhs „Einladung ins Schloss“. Den Abschied vom Burgtheater nahm sie 1958 als Mrs. Edna Savage in „Eine sonderbare Dame“ von John Patrick. Im selben Jahr erhielt sie den neuen Schauspielpreis der Stadt Wien, die Josef-Kainz-Medaille. Zu ihrem 100. Geburtstag wurde Albach-Retty mit einer Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien geehrt, 1985 benannte man in Wien-Döbling eine Wohnhausanlage nach ihr. 1978 veröffentlichte sie im Alter von 104 Jahren ihre Memoiren „So kurz sind hundert Jahre“.

Weitere Rollen: s. Kittler.
L.: Alth, Burgtheater; R. Kittler, Rosa Albach-Retty, Ein Leben für das Theater, phil. Diss. Wien, 1958 (mit Rollenverzeichnis); O. Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, 1991, s. Reg.; G. Krenn, Romy spielt sich frei, 2021, passim (mit Bildern); Wien Geschichte Wiki (mit Bild, Zugriff 20. 9. 2023); Theatermuseum, Wienbibliothek im Rathaus, beide Wien.
(Birgit Peter)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)