Albrecht, Alfred (1895–1973), Journalist

Albrecht Alfred, Journalist. Geb. Bielitz, Schlesien (Bielsko-Biała, Polen), 27. 6. 1895; gest. Wien, 2. 2. 1973; röm.-kath. Sohn von Johann Albrecht und Julia Albrecht, geb. Gavron; verheiratet mit Edith Albrecht, geb. Schmidt (geb. 11. 9. 1900; gest. 1920). – 1912 absolvierte Albrecht das Staatsgymnasium in Bielitz. Danach studierte er 1913–15 Philosophie, Geschichte und Archäologie am Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und weiters in Florenz sowie ein Semester Nationalökonomie in Zürich. Da er als „feindlicher Ausländer“ Rom im Mai 1915 verlassen musste, beendete er sein Studium im Februar 1917 am philosophischen Institut des Collegium Germanicum et Hungaricum, das den Studienbetrieb nach Innsbruck verlegt hatte, mit einer Dissertation („Die Wirkursache im allgemeinen und die Ursache im besonderen von Aristoteles bis Thomas von Aquin: eine erkenntnistheoretisch-geschichtsphilosophische Abhandlung“) und erlangte ein kirchlich anerkanntes Doktorat in scholastischer Philosophie. Danach trat er in die Redaktion des „Allgemeinen Tiroler Anzeigers“ ein und absolvierte 1918 den Kriegsdienst. 1919 übersiedelte er nach Krnov, wo er die Leitung des vom katholischen Preßverein Egerland gegründeten Wochenblatts „Das Volk“ übernahm, die er bis 1925 innehatte. Im selben Jahr wurde er nach Prag in die Redaktion der Tageszeitung „Deutsche Presse“ berufen, die zugleich Parteiblatt der deutsch-christlichsozialen Volkspartei war. Er leitete als stellvertretender Chefredakteur zunächst den handelspolitischen Teil und übernahm im Oktober 1929 die Chefredaktion der Zeitung. Ferner war er Mitarbeiter an den Monatsheften und Jahrbüchern der Görres-Gesellschaft und des „Herder-Konversationslexikons“ für die historischen Länder Böhmen, Mähren und Schlesien bzw. für die Tschechoslowakei. Ab 1932 hielt er auch Vorlesungen über Statistik an der Freien Schule für politische Wissenschaften in Prag. 1933 an der Gründung der Allgemeinen Volkskreditbank in Prag beteiligt und in den Vorstand berufen, war er ferner Mitglied des Aufsichtsrats der Heilkliniken AG und Mitarbeiter des deutschsprachigen Programms von Radio Prag. Albrecht stand jahrelang in engem journalistischen und politischen Kontakt mit Wien: 1928–36 als Prager Korrespondent der „Reichspost“, der „Agrarischen Nachrichtenzentrale“ und Prager Mitarbeiter der „Amtlichen Nachrichtenstelle“. Er unterstützte nach dem März 1933 in seiner Zeitung den autoritären Kurs von →Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg und sprach sich 1937 für eine Donauföderation aus. Seine Zeitung erhielt mehrfach finanzielle Zuschüsse des Bundeskanzleramts. Nach politischen Differenzen über das Verhältnis der deutsch-christlichsozialen Partei der Tschechoslowakei und ihrer Presse zur Sudetendeutschen Partei Konrad Henleins schied Albrecht im März 1937 aus der „Deutschen Presse“ aus und übersiedelte nach Wien. Er trat im Juni 1937 als stellvertretender Chefredakteur in die Redaktion der katholischen „Reichspost“ ein. Gleichzeitig beantragte er in Wien seine Aufnahme in die Vaterländische Front, bemühte sich aber dort auch um Aufnahme in die Sudetendeutsche Partei und 1938 in die NSDAP. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 suspendiert und später entlassen, war er ab Juli 1938 als Wirtschaftsredakteur für die „Neue Freie Presse“ tätig. Nach Einstellung derselben Ende Jänner 1939 erlangte er eine Stelle als Wirtschaftsredakteur des „Südost-Echos“, verlor diese aber Anfang 1942, da sich das Gaupresseamt Wien gegen eine Aufnahme in den Reichsverband der deutschen Presse aussprach, die Voraussetzung für die Ausübung des Schriftleiterberufs war. Von Mai 1942 bis Juli 1944 war Albrecht als wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Pressedezernent bei der Gauwirtschaftskammer Oberschlesiens und in der Leitung des Wirtschaftsforschungsinstituts der oberschlesischen Schwerindustrie in Kattowitz tätig. Im Juli 1943 schließlich erfolgte seine Aufnahme in die journalistische Standesorganisation und im August 1943 rückwirkend ab April 1939 auch in die NSDAP. Als Folge des Attentats auf →Adolf Hitler im Juli 1944 wurde er mehrfach durch die Gestapo verhört. Nach einem Nervenzusammenbruch hielt er sich von September 1944 bis April 1945 sowie im Jänner und Februar 1946 im Krankenhaus Lainz in Wien auf. Nach erfolglosem Bemühen um Aufnahme in den Auswärtigen Dienst erlangte er eine Stelle als Redakteur für Handels- und Wirtschaftspolitik beim Wochenblatt „Die Wirtschaft“ des Österreichischen Wirtschaftsverlags, wo er bis zu seiner Pensionierung tätig war. Die Wiederverleihung seiner österreichischen Staatsbürgerschaft erfolgte im September 1947. Wegen des Verschweigens seiner NS-Mitgliedschaft wurde er vom Landesgericht Wien im Oktober 1947 zu drei Monaten Haft verurteilt, die Strafe wurde 1950 vom Bundespräsidenten erlassen. Ab 1954 war Albrecht auch als Chefredakteur der Zeitung „Der Wertpapierbesitzer“ und nach seiner Pensionierung als Konsulent der österreichischen Länderbank tätig. Albrecht war Ritter des Silvesterordens (1937) und Titular-Professor (1961).

L.: Kärntner Zeitung, 19. 10. 1929; Ostbahn-Bote, 31. 1. 1937; Die Presse, 3. 2. 1973; Die deutschen Katholiken in der Tschechoslowakischen Republik, ed. H. Donat, 1934, S. 285f.; Zeitungswissenschaft 10, 1935, S. 236f.; Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag 62, 1965, S. 1275; N. Linz, Der Aufbau der Deutschen politischen Presse in der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1918–1925), in: Bohemia 11, 1970, S. 298ff.; Sudetenland 16, 1974, H. 2, S. 141; J. Šebek, Die Beteiligung der österreichischen katholischen Kreise an der Entstehung und dem Erhalt des Ständestaates 1933/1934–38, in: Krise Krieg und Neuanfang – Österreich und die Tschechoslowakei in den Jahren 1933–1938, ed. M. Kunštát u. a., 2017, S. 45ff.; ÖStA Wien / AdR, BM.f.Inneres, Gauakt Nr. 286.335, BM.f.Inneres, Beko, Gz. 5178/1948; ÖStA Wien / AdR, Präsidentschaftskanzlei Gz. 6182–PK/1961; WStLA / NS-Registrierungsakt Wien VIII/MNr.4516, Landesgericht für Strafsachen Wien, Vg 1h Vr 1854/1947, Landesgericht für Strafsachen Wien 124d Vr 5713, Strafsache Benjamin Schier u. a, Bericht Franz Siegls, 2. 12. 1939, Beilage; Niederösterreichisches Landesarchiv / Gz. LA I/4–7339/1952 Staatsbürgerschaftsakt; UA Innsbruck / Theologische Nationalien WS 1915/16–WS 1917/18; Archiv Collegium Canisianum, Innsbruck, Tirol; Mitteilung Barbara Köpplová, Praha, Tschechien.
(Theodor Venus)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)