Amerling, Friedrich Ritter von (1803–1887), Maler

Amerling Friedrich Ritter von, Maler. Geb. Wien, 14. 4. 1803; gest. ebd., 14. 1. 1887 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); röm.-kath., ab 1868 evang. AB. Sohn des Gold- und Silberdrahtziehers Franz Xaver Amerling (geb. Wien, 28. 11. 1778; gest. ebd., 25. 3. 1834) und von Theresia Amerling, geb. Kargl (geb. Wien, 12. 10. 1780; gest. ebd., 15. 6. 1843); verheiratet ab 1832 in 1. Ehe mit Antonie von Kaltenthaler (1805–1843), 1844–45 in 2. Ehe mit Katharina Heißler (1822–1871), ab 1857 in 3. Ehe mit Emilie Heinrich (1837–1880), ab 1881 in 4. Ehe mit Maria Paterno, geb. Nemetschke (1847–1914). – A. studierte 1815–24 an der Akademie der bildenden Künste (ABK) bei →Josef Klieber, Hubert Maurer, →Karl Gsellhofer, →Franz Caucig, →Johann Bapt. von Lampi d. Ä., →Josef Redl und →Anton Petter (1828 Reichel-Preis). Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Zimmermaler und Gelegenheitszeichner. 1824–27 hielt er sich in Prag auf, wo er sich autodidaktisch fortbildete und mehrere Porträts schuf (→Josef Ritter von Führich, 1826). 1827–28 weilte er in London (die Behauptung, er habe Kontakt zu Sir Thomas Lawrence unterhalten und in dessen Atelier gearbeitet, ist nicht belegbar). A. studierte die englische Porträtmalerei, wobei ihn die Rollenporträts von Sir Joshua Reynolds und Lawrence nachhaltig beeinflussten (Der Fischerknabe, 1830). 1828 für kurze Zeit in Paris, wo er Horace Vernet kontaktierte, musste er jedoch krankheitsbedingt nach Wien zurückkehren. 1831–32 unternahm er seine erste Italienreise (Triest, Venedig, Bologna, Florenz, Rom), unterbrach diese jedoch aufgrund des Auftrags für ein Porträt von Kaiser →Franz II. (I.) (1832, Kunsthistorisches Museum, Wien). Im Sommer 1833 folgten Aufenthalte in Deutschland (München, Nürnberg, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf), den Niederlanden (Nimwegen, Utrecht, Amsterdam, Den Haag) und Belgien. Ab den frühen 1830er-Jahren erfreute sich A. bei den Vertretern des Kaiserhauses und der gehobenen Gesellschaft als Bildnismaler höchster Beliebtheit (Kaiser Franz I. im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, Kaiser Franz I. in preußischer Generalsuniform, beide 1834; Erzherzog Franz Joseph mit Fahne, 1838; Julia Gräfin von Woyna, 1832) und war auch als Kinderporträtist sehr gefragt. Sein Atelier im Strozzipalais (Wien 8) machte er der Öffentlichkeit zugänglich, was damals in Wien eine Novität war. 1836 wurde A. zum Mitglied der Wiener ABK ernannt, sein Ansuchen um einen dortigen Lehrauftrag jedoch abgelehnt. Ende des Jahres hielt er sich in Mailand auf, wo er engeren Kontakt mit den Historienmalern Giuseppe Molteni und Francesco Hayez pflegte und diese ebenso porträtierte wie etwa →Pompeo von Marchesi, den Maler und Politiker Massimo d’Azeglio sowie den Landschaftsmaler Giuseppe Canella, mit dem er im Sommer 1837 nach Berlin reiste. Dort fertigte er Porträts von Gottfried Schadow, Christian Rauch u. a. Bei dieser „Galerie der Freunde“ (A. selbst nannte sie „Primaporträts“), die sich aus den bedeutendsten Persönlichkeiten von Kunst, Musik und Literatur zusammensetzt, handelt es sich durchwegs um Darstellungen in relativ kleinem Format, wobei A. versucht, die Persönlichkeit der dargestellten Person herauszuschälen. Diese Porträts existieren oft in zwei oder mehreren Exemplaren, meist ist eines davon mit dem Schriftzug des Porträtierten versehen. 1838 erregte er in Wien mit dem Bild „Die Morgenländerin“ großes Aufsehen, im August des Jahres reiste er erneut zu Molteni nach Mailand. Hier beteiligte er sich mit zwei Porträts und zwei Genreszenen an der Jahresausstellung der Brera; „Das Souvenir“ (Uffizien, Florenz) wurde aufgrund des raffinierten Umgangs mit dem Licht mit Begeisterung aufgenommen. Von Mailand reiste A. nach Rom und Neapel, weitere Aufenthalte in Italien (1840–41 Florenz, danach mit seiner Familie bis Juni 1843 bzw. 1845–46 in Rom), Süddeutschland, Konstantinopel (1854/55, 1884), Spanien (1882), England, Schottland, Belgien, Holland und Deutschland (1883), Griechenland (1884), Ägypten und Palästina (1885) sowie in den skandinavischen Ländern bis zum Nordkap folgten. Ab 1858 wohnte er im ehemaligen Schloss Gumpendorf, ab nun „Amerling-Schlössl“ in Wien 6. A.s Bilder aus den 1830er- und 1840er-Jahren zählen zu den Hauptwerken der Wiener Malerei des 19. Jahrhunderts. Er konzentrierte sich auf die Porträtmalerei – vorrangig auf das Einzelporträt, Familienporträts sind die Ausnahme (August Reichsgraf von Breunner-Enkevoirth mit seiner Familie, 1834; Rudolf von Arthaber mit seinen Kindern, 1837) – und verstand es, die Person mit ihrem Umfeld so zu verweben, dass mögliche Unschönheiten im Gesicht erst auf den zweiten Blick erkennbar werden (Marie Freifrau Vesque von Püttlingen, Cäcilie Freifrau von Eskeles, Bankherr Bernhard Freiherr von Eskeles, alle 1832; Frau von Striebel, 1838). Daneben entstanden einfigurige Genrebilder, bevorzugt mit jungen Frauen in ganzer Figur oder als Brustbild, die er in passender Verkleidung (Lesendes Mädchen in orientalischer Tracht, 1834; Die Lautenspielerin, 1838), in einer speziellen Seelenstimmung (Die Witwe, 1836) oder sinnend vor sich hinblickend (Mädchen mit Strohhut, 1835) zeigt. A. verbindet hier das englische Rollenporträt mit →Natale Schiavones personifizierter Darstellung von menschlichen Gemütsstimmungen und dem damals in Italien beliebten „Römischen Mädchen“ à la Léopold Robert und schuf jenen Bildtypus, der heute als ureigen wienerisch gilt. Seine Themen und seinen Malstil führte er mit leichten Veränderungen bis ins hohe Alter fort. Später kam es auch vermehrt zu Darstellungen von Männern in orientalischer oder exotischer Aufmachung. Die Serie von Porträts, in denen sich A. ab 1829 bis kurz vor seinem Tod malte, zeigt nicht nur das ehrliche Herangehen an den eigenen Alterungsprozess, sondern ist auch als Methode zum Verarbeiten eines psychischen Schmerzes zu verstehen. Eine ähnliche Motivation zeigen die Darstellungen seiner Familienmitglieder auf dem Krankenbett (Der Sohn Friedrich Amerling auf dem Krankenbett, 1850; Emilie Amerling auf dem Krankenbett, 1880). In Anerkennung seiner Leistungen erhielt er 1867 während eines Aufenthalts in Florenz die Einladung, ein Selbstbildnis für die Porträtgalerie der Uffizien zu malen. A. wurde 1845 Mitglied der Künstlergesellschaft Zum blauen Strauß, 1856 des Albrecht Dürer-Vereins, 1867 Mitglied (mit Unterbrechungen), 1868 Gründer, 1875 Ehrenmitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus) und erhielt 1858 den bayerischen Verdienstorden vom Heiligen Michael II. Klasse, 1863 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens, 1877 den Orden der Eisernen Krone III. Klasse und wurde 1879 in den erblichen Ritterstand erhoben. Seine Arbeiten finden sich u. a. in Museen in Linz, Graz, Salzburg, Wien, Berlin, München, Nürnberg, Brno, Prag, Budapest, Cleveland, Florenz, Graz, Liberec und Warschau.

Weitere W.: s. Grabner, 2003.
L.: AKL; NDB; NÖB 15 (mit Bild); Thieme–Becker; Wurzbach; H. Tietze, in: Alt-Wiener-Kalender für das Jahr 1919, ed. A. Trost, 1919, S. 58ff.; G. Probszt, F. v. A., 1927; G. Probszt, in: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 8, 1928, S. 74ff.; G. Frodl, Wiener Malerei der Biedermeierzeit, 1987, s. Reg.; S. Grabner, in: Cashmere. Der Shawl in der Malerei des Biedermeier, ed. E. Mayr-Oehring, Salzburg 2000, S. 55ff. (Kat.); Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 5, ed. G. Frodl, 2002, s. Reg.; F. v. A. 1803–1887, ed. S. Grabner, Wien 2003 (Kat., mit Bild und W.); Aufgeklärt Bürgerlich. Porträts von Gainsborough bis Waldmüller 1750–1840, ed. S. Grabner – M. Krapf, Wien 2006, passim (Kat.); J. Hradilová – H. Mislerová, in: Acta Artis Academica … The Story of Art – Artwork Changes in Time, 2010, S. 137ff.; Ist das Biedermeier? A., Waldmüller und mehr, ed. S. Grabner – A. Husslein-Arco, Wien 2016, passim (Kat.); S. Grabner, in: Romanticismo, ed. F. Mazzocca, Milano 2018, S. 115ff. (Kat.); ABK, Wien.
(S. Grabner)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 18
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Medien
Friedrich von Amerling, Der Bildhauer Pompeo Marchesi, 1836. Öl auf Leinwand, 40 x 33 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere, Inv.-Nr. 1870
Friedrich von Amerling, Ein Fischerknabe, 1830. Öl auf Leinwand, 103 x 87 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere, Inv.-Nr. 2504
Friedrich von Amerling, Rudolf von Arthaber und seine Kinder Rudolf, Emilie und Gustav, 1837. Öl auf Leinwand, 221 x 155 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere, Inv.-Nr. 2245
Friedrich von Amerling, Selbstporträt, 1846. Öl auf Leinwand, 62 x 49,5 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere, Inv.-Nr. 11.028