Arzt, Leopold (1883–1955), Dermatologe

Arzt Leopold, Dermatologe. Geb. Wien, 16. 3. 1883; gest. ebd., 20. 5. 1955; röm.-kath. Sohn eines Zentralinspektors der österreichischen Staatsbahnen. – Nach Absolvierung des Jesuitenkollegs in Kalksburg studierte A. ab 1902 Medizin an der Universität Wien; 1908 Dr. med. A. vertiefte seine Kenntnisse ab 1906 an der Prosektur der allgemeinen Poliklinik in Wien, 1908–10 als Assistent am Institut für pathologische Histologie und Bakteriologie der Universität Wien, wo ihn →Heinrich Albrecht zu histologischen und serologischen Forschungen anregte, sowie 1910 als Operationszögling an der II. Chirurgischen Universitätsklinik unter →Julius von Hochenegg. 1911 wechselte er als Assistent an die von →Gustav Riehl geleitete I. Universitätsklinik für Dermatologie und Syphilidologie, wo er sein künftiges Betätigungsfeld fand. 1912 folgte ein Studienaufenthalt in Paris, u. a. am Pasteur-Institut. Im 1. Weltkrieg Regimentsarzt, war A. in erster Linie erfolgreich in der Seuchenbekämpfung tätig und versah seinen Dienst als beratender Hygieniker in Polen und auf dem Balkan. 1915 als Dozent für Dermatologie und Syphilidologie habilitiert, supplierte A. nach Kriegsende kurzzeitig an der Hautklinik der Universität Innsbruck, ehe er wieder an die Klinik Riehl ging; 1920 tit. ao. Professor, 1923 ao. Professor. 1926 wurde A. zum Ordinarius und Vorstand der Hautklinik an die Universität Innsbruck berufen, kehrte aber noch im selben Jahr an die Wiener Universitätsklinik zurück; 1927–30 und 1933/34 Dekan der medizinischen Fakultät, 1936/37 Rektor. 1934–38 gehörte A. dem Bundeskulturrat und als Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses dem Bundestag an, wo er sich eindeutig als Gegner des Nationalsozialismus deklarierte. Er galt als prononciert katholischer Gelehrter und Vertreter der Vaterländischen Front und wirkte in diesem Sinne auch an der Universität Wien. Von sozialdemokratischer Seite wurde ihm Klerikalisierung und Cliquenwirtschaft vorgeworfen, insbesondere beanstandete man seine Zugehörigkeit zum Cartellverband und zur St. Lukas-Gilde katholischer Ärzte. Zudem stand A. in enger freundschaftlicher Beziehung zu →Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg. All dies führte im März 1938 zu einer kurzzeitigen Haft, 1940 wurde er zwangspensioniert. 1945 kehrte A. als Ordinarius und Klinikvorstand an die Universität Wien zurück, wo er bis zu seiner Pensionierung 1954 verblieb. In Zusammenarbeit mit dem damaligen Rektor Ludwig Adamovich war es v. a. A. zu verdanken, dass der Studienbetrieb an der medizinischen Fakultät rasch wieder aufgenommen werden konnte und sich ein neues Professorenkollegium bildete. Wissenschaftlich widmete sich A., der als einer der führenden Dermatologen Österreichs galt, auch der Syphilidologie, insbesondere der Morphologie und Serologie, darunter mit den Wassermann’schen Reaktionen. Darüber hinaus befasste er sich mit Pilzerkrankungen sowie mit lymphatischen und leukämischen Erkrankungen der Haut, mit der Strahlentherapie von Hautkrankheiten, aber auch mit Geschwulstlehre und der Seuche Rotz. Grundlegende Erkenntnisse schuf er auf dem Gebiet der experimentellen Kaninchensyphilis. Bedeutsam sind seine klinischen Arbeiten zur Behandlung von Verbrennungen und Schädigungen der Haut durch elektrischen Strom sowie Arbeiten über die Verwendung moderner antibiotischer Arzneimittel zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten. Von seinen rund 300 Publikationen sind „Röntgen-Hauttherapie“ (gemeinsam mit Herbert Fuhs, 1925, englisch „Röntgen rays in dermatology“, 1927), sein fünfbändiges Werk „Die Haut- und Geschlechtskrankheiten“ (1934–35), das er gemeinsam mit Karl Zieler herausgab und das zu einem Standardwerk wurde, sowie der zweibändige „Atlas der Haut- und Geschlechtskrankheiten“ (1950–53, gemeinsam mit Josef Tappeiner) erwähnenswert. A. fungierte jahrelang als Schriftleiter der „Wiener klinischen Wochenschrift“, begründete 1945 die Zeitschrift „Klinische Medizin“ und war in Herausgebergremien vieler Fachzeitschriften tätig. Er erhielt u. a. 1915 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Als Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Fachgesellschaften, u. a. der Royal Society of Medicine in London sowie europäischer und außereuropäischer dermatologischer Gesellschaften, war A. ab 1932 Präsident der Wiener Dermatologischen Gesellschaft (1934 umbenannt in Österreichische Dermatologische Gesellschaft; 1938 des Amts enthoben), vor 1938 und nach 1945 Mitglied des Obersten Sanitätsrats sowie ab 1945 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Ende 1945 beantragte er gemeinsam mit Albert Wiedmann und Tappeiner die Reaktivierung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie, deren Präsidentschaft er 1946 übernahm (1951 Ehrenpräsident). Ebenso machte er sich ab 1945 um die Reaktivierung der Gesellschaft der Ärzte in Wien und ihrer wertvollen Bibliothek verdient.

Weitere W.: s. Chiari.
L.: Almanach Wien 105, 1956, S. 415ff.; Inauguration Universität Wien 1955/56, 1956, S. 47ff.; H. Chiari, in: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Pathologie 38–39, 1955, S. 3, 396ff. (mit W.); A. Matras, in: WMW 105, 1955, Sp. 535f.; J. Tappeiner, in: Dermatologische Wochenschrift 132, 1955, S. 761ff.; G. C. Andrews, in: A.M.A. Archives of Dermatology 73, 1956, S. 589f. (mit Bild); Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, ed. F. Huter, 1969, s. Reg. (mit Bild); J. Tappeiner, in: WKW 83, 1971, S. 743f.; G. Enderle-Burcel, Christlich – Ständisch – Autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–38, 1991, S. 40f.; E. Ortner, Dermatologie und Venerologie an der Universität Graz, 1998, s. Reg.; D. Angetter – K. Holubar, Eine kurzgefasste Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie mit besonderer Berücksichtigung der Jahre 1933–45, 2002, S. 14, 27f., 30, 34, 37; UA (mit Bild), Wien.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)