Attems-Petzenstein, Carl (Karl) August; bis 1919 Reichsgraf von Attems-Petzenstein (1868–1952), Zoologe

Attems-Petzenstein Carl (Karl) August, bis 1919 Reichsgraf von Attems-Petzenstein, Zoologe. Geb. Graz (Steiermark), 13. 10. 1868; gest. Wien, 19. 4. 1952; röm.-kath. Sohn von Thekla Reichsgräfin von Attems-Petzenstein, geb. von Schmidt-Pauli (geb. Hamburg, Freie Stadt/Deutschland, 8. 12. 1848; gest. Graz, 25. 3. 1927), und →Heinrich Reichsgraf von Attems-Petzenstein; ab 1911 verheiratet mit der Porträtmalerin Emma Reichsgräfin von Attems-Petzenstein, geb. von Montbach (geb. Dunapentele/Dunaújváros, Ungarn, 15. 6. 1874; gest. Wien, 24. 12. 1959). – Nach dem Besuch des 1. Staatsgymnasiums in Graz (Matura 1886) begann Attems-Petzenstein 1886/87 ein Jus-Studium an der Universität Graz und erlangte hier das juridische Absolutorium im März 1891. Während des Studiums absolvierte er 1887 das Einjährig-Freiwilligen-Jahr beim Dragoner-Regiment Nr. 5 „Nikolaus I. Kaiser von Rußland“ und beendete dieses mit der Ernennung zum Leutnant der Reserve. Ab 1888 zusätzlich mit dem Studium der Naturwissenschaften beschäftigt, besuchte Attems-Petzenstein zoologische, botanische und chemische Vorlesungen an der Universität Graz und arbeitete vom Sommersemester 1889 bis zum Herbst 1891 am Zoologischen Institut der Technischen Hochschule in Graz unter →August Mojsisovics von Mojsvár. Ab Oktober 1891 für zwei Semester an der Universität Bonn inskribiert, wo er hauptsächlich zoologische und botanische Vorlesungen, u. a. bei Hubert Ludwig und Eduard Strasburger, hörte, wechselte Attems-Petzenstein Ende 1892 an die Philosophische Fakultät der Universität Wien und wurde dort 1894 zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation über „Die Copulationsfüsse der Polydesmiden“ erschien noch im selben Jahr gedruckt (in: Sbb. Wien, math.-nat. Kl. 103). Nunmehr verstärkt mit dem Studium der Myriapoda (Tausendfüßer) beschäftigt, arbeitete Attems-Petzenstein privat an einer Revision dieser Tiergruppe und benutzte dazu die Myriapoden-Sammlung des Naturhistorischen Hof-Museums in Wien und dessen Fachbibliothek. Ab 1897 als Assistent am 2. Zoologischen Institut der Universität Wien unter →Berthold Hatschek tätig, inskribierte sich Attems-Petzenstein im Dezember 1903 für drei Semester als ao. Hörer an der Hochschule für Bodenkultur in Wien und befasste sich mit Landwirtschaft und Tierzucht. 1905 zum Assistenten an der zoologischen Abteilung des Naturhistorischen Hof-Museums in Wien ernannt, verwaltete er hier ab 1909, nach Ausscheiden des Kustos →Emil von Marenzeller, die Evertebraten-Sammlung und wurde 1912 zum Kustos-Adjunkten ernannt. 1915–17 zum Kriegsdienst eingezogen, wurde Attems-Petzenstein im April 1919 zum Kustos II. Klasse und im Juni 1921 zum Kustos I. Klasse am Naturhistorischen Museum ernannt. Im Juli 1921 in den Bundesdienst der Republik Österreich übernommen und 1925 mit einem systemisierten Dienstposten versehen, war er später jedoch vom Beamtenabbau als Einsparungsmaßnahme betroffen. Im Dezember 1932 gegen Wartegeld beurlaubt, wurde Attems-Petzenstein mit Ende 1933 von der Dienstleistung enthoben und trat 1938 in den dauernden Ruhestand über. Auch nach der Pensionierung arbeitete er bis zu seinem Tod täglich mehrere Stunden in der Sammlung des Naturhistorischen Museums. Nach einer ersten vogelkundlichen Arbeit „Zur Ornis von Graz“ (in: Ornithologisches Jahrbuch 2, 1891) publizierte Attems-Petzenstein fast ausschließlich zu Myriapoden und unternahm zahlreiche Sammelreisen. So besuchte er 1906 Mazedonien, 1907 den kroatischen Velebit, 1908 Bosnien und die Herzegowina sowie die Plitvicer Seen und 1909 Slowenien und Südkroatien. In der Folge übersandten auch zahlreiche Museen und private Sammler ihr Myriapoden-Material zur Bearbeitung, sodass sich Attems-Petzenstein zu einem der weltbesten Kenner dieser Tiergruppe entwickelte. In rund 130 Publikationen beschrieb er mehr als 1.700 neue Arten und baute die Myriapoden-Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien zur weltgrößten facheinschlägigen Kollektion dieser Art aus. Grundlegende Veröffentlichungen hierzu sind der Abschnitt „Myriopoda“ im Handbuch der Zoologie von Willy Kükenthal (Bd. 4, 1. Hälfte, 1926) sowie die monografischen Darstellungen der „Geophilomorpha“ (in: Das Tierreich Lfg. 52, 1929), „Scolopendromorpha“ (ebd. Lfg. 54, 1930) und „Polydesmoidea“ (3 Teile, ebd. Lfg. 68, 1937, 69, 1938 und 70, 1940). 1894 wurde er Mitglied der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, 1917 erhielt er das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille und 1946 den Titel Hofrat. Nach ihm wurden 1895 ein Tausendfüßer Brachydesmus attemsii und 1899 eine Familie der Doppelfüßer Attemsiidae sowie folgende Gattungen benannt: 1895 Doppelfüßer Attemsia, 1924 Attemsobolus, 1936 Attemsocyphus, 1941 Attemsostreptus, 1953 Attemsodesmus, 1962 Attemsotyphlus und 1963 Attemsina, darüber hinaus zahlreiche Arten der Hundert- und Tausendfüßer.

Weitere W.: s. Dartevelle; Strouhal.
L.: Jb. der Wr. Ges.; Kürschner, Gel.Kal., 1935; NDB; Botanik und Zoologie in Österreich in den Jahren 1850 bis 1900, 1901, s. Reg.; E. Dartevelle, Graf C. Attems (†), in: C. Attems, Neue Myriopoden des Belgischen Congo, 1952, S. VIIff. (mit W.); H. Strouhal, Hofrat Dr. Carl Graf Attems zum Gedenken, in: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien 64, 1961, S. 1ff. (mit Bild und W.); V. Stagl, Zur Geschichte der Myriapoden-Forschung in Österreich und der Myriapoden-Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien, in: Denisia 8, 2003, S. 165ff. (mit Bild); V. Stagl, In Memoriam Carl Michael Theodor [sic] Graf von Attems (1868–1952), 2004, www.myriapodology.org (mit Bild, Zugriff 28. 4. 2023); UA Wien / Philosophischer Rigorosenakt PH RA 841; Pfarre Graz-Hl. Blut, Steiermark; Mitteilung Martin Georg Enne, Wien.
(Matthias Svojtka)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)