Baldass (Baldaß) Ludwig, bis 1919 Edler von Baldass, Ps. Ludwig Reinholt, Kunsthistoriker und Museumsdirektor. Geb. Wien, 8. 2. 1887; gest. Wien, 20. 11. 1963; röm.-kath. Sohn des Ministerialrats Josef Edler von Baldass (geb. Wien, 5. 2. 1842; gest. Graz, Steiermark, 28. 7. 1915) und der Rosalia Edle von Baldass, geb. von Mayersbach (geb. Volosca, Istrien / Volosko, Kroatien, 13. 5. 1852; gest. nach 1938); ab 1920 verheiratet mit der Kunstsammlerin Paula Baldass, geb. Wagner (geb. 5. 6. 1899; gest. 1974), der Enkelin von →Otto Wagner. – Baldass studierte nach der Matura in Graz (1905) Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie, zunächst an der Universität Graz (1907–08), später in Halle an der Saale (1908–09 bzw. 1909–10) sowie München (1909) und schließlich in Wien (ab 1910), wo er 1911 bei →Max Dvořák über „Die Bildnisse Kaiser Maximilians“ promovierte. Im selben Jahr begann seine Karriere im Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien, wo er im Oktober zum Volontär bestellt wurde. Ein Jahr später ernannte man ihn zum Assistenten, 1915 zum Kustos mit dem Schwerpunkt niederländische und gotische Malerei. Nach dem 1. Weltkrieg leitete Baldass das Referat für die Reorganisation der drei im Staatsbesitz befindlichen Wiener Gemäldegalerien KHM, Akademie der bildenden Künste und Staatsgalerie (heute: Österreichische Galerie Belvedere). Das von ihm entworfene Konzept sah eine zeitliche Trennung der Sammlungstätigkeit der Galerien vor. Auf sein Betreiben ging die systematische Erwerbung von Werken aus der Donauschule zurück. 1929 katalogisierte er die Gemälde der bedeutenden Kunstsammlung von →Albert Figdor. Deren geplante Schenkung an das KHM kam nicht zustande und Figdor vererbte seine Sammlung nach Heidelberg. Aufgrund eines Ausfuhrverbots konnte diese nicht dorthin transferiert werden und wurde schließlich nach dem Tod des Sammlers 1930 in Berlin und Wien versteigert. Nur ein kleiner Teil gelangte schlussendlich an das KHM. Wenige Tage nach dem „Anschluss“ 1938 bestellte Fritz Dworschak, der kommissarische Leiter des KHM, Baldass (der ab 1933 Mitglied der Vaterländischen Front gewesen war) zum provisorischen Leiter der Gemäldegalerie. Mit dem Karrieresprung im Museum ging eine Unterbrechung seiner universitären Laufbahn – 1934 war ihm der Titel ao. Professor verliehen worden – einher. Im April des Jahres entzog ihm das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten seine venia legendi, die er seit 1926 innehatte, da ihm Kontakte zum „jüdischen Kunsthandel“ vorgeworfen wurden. Auch seine im Frühsommer 1938 beantragte Aufnahme in die NSDAP sollte im Jänner 1940 vom zuständigen Kreisgericht Wien mit der Begründung abgelehnt werden, dass er „in Anbetracht seiner früheren unsauberen Geschäfte mit jüdischen Kunsthändlern als Mitglied der Partei nicht tragbar“ sei. Damit war Adolf Fritz Mondschein, der frühere Teilhaber der Galerie Sanct Lucas gemeint, der 1938 zur Emigration gezwungen worden war. In der NS-Zeit war Baldass in die Bergungen der Kunst- und Kulturgüter der Wiener Museen involviert und betreute jene Bilder, die an den Bergungsorten Gaming und Steinbach bei Göstling seit September 1939 deponiert waren. Bereits im Jänner 1940 löste Bruno Grimschitz auf Weisung des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten Baldass als Leiter der Gemäldegalerie ab, Letzterer verblieb aber dort weiterhin als Kustos. Im November 1940 bat er erfolglos um Versetzung an die Graphische Sammlung Albertina, da er im Zuge der Beurteilung des damals fälschlicherweise Vermeer zugeschriebenen Bildes „Der lesende Mann“ nicht um eine Expertise gefragt worden war und sich übergangen fühlte. Das Bild war ein Geschenk Arthur Seyß-Inquarts, des Reichskommissars für die Niederlande, an die Bevölkerung, da zuvor Vermeers „Die Malkunst“ aus der Czernin’schen Gemäldegalerie an →Adolf Hitler verkauft worden war. Weiters katalogisierte Baldass die Gemäldesammlung des Augustiner-Chorherrenstifts Klosterneuburg, das im Juni 1941 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und dessen Kunstbesitz der Verwaltung des KHM unterstellt wurde. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs übernahm Baldass wieder die Leitung der Gemäldegalerie. Das Ministerkomitee für Denazifizierung der leitenden Stellen des Öffentlichen Diensts stellte im Februar 1946 wegen ungenauer und unvollständiger Angaben in seinem Fragebogen die Entscheidung in seinem Fall zurück. Baldass hielt mit Verweis auf den Verlust der venia legendi und den Entzug der Leitung der Gemäldegalerie sowie der Restaurieranstalt – er war 1921 zum Leiter ernannt worden und wurde im März 1943 von Gert Adriani abgelöst – fest, dass er zwar einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt, aber nie eine Aufnahmeerklärung als Parteianwärter oder -mitglied erhalten habe. Baldass führte nach 1945 die Restitutionsverhandlungen mit der Familie Rothschild und drängte diese zu „Widmungen“ an die Bundesmuseen, um im Gegenzug die Ausfuhrbewilligung für die restliche Sammlung zu erhalten. Im Februar 1949 beantragte Baldass aus gesundheitlichen Gründen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Danach erschienen zwei seiner wichtigsten Bücher, die Monographie „Jan van Eyck“ (1952) und eine Neubearbeitung seines Werks über „Hieronymus Bosch“ (1959, Erstausgabe 1943). Baldass war Chevalier der Légion dʼhonneur (1927), Commandeur des belgischen Leopoldsordens (1935) und Träger des Silbernen Treudienst-Ehrenzeichens (Juli 1942). Die Baldassgasse in Wien 21 ist seit 1973 nach ihm benannt.