Barényi, Béla (1907–1997), Automobilkonstrukteur

Barényi Béla, Automobilkonstrukteur. Geb. Hirtenberg (Niederösterreich), 1. 3. 1907; gest. Böblingen (D), 30. 5. 1997. Aus einer Industriellenfamilie stammend, Urenkel von →Seraphin Keller, Enkel des Hof- und Armeelieferanten Fridolin Keller (geb. Hirtenberg, 1849; gest. 1923), 1890–1917 Inhaber der „Ersten Österreichischen Zünder- und Metallwarenfabrik Fridolin Keller“, Sohn des Offiziers Eugen Barényi (geb. Zavar, Ungarn/SK, 7. 4. 1866; gefallen 1917), Lehrer an der Infanteriekadettenschule Kamenitz (Sremska Kamenica) sowie an der Militärunterrealschule in (Bad) Fischau, und der Maria Barényi, geb. Keller; Bruder von Friedrich Barényi (gest. 1984), der als Mathematiker bei Junkers beschäftigt und an der Entwicklung des ersten Strahltriebwerks beteiligt war, das bei der Messerschmitt Me 262 gegen Ende des 2. Weltkriegs zum Einsatz kam; Neffe von Arpád Barényi, der etwa 100 Patente für optische Geräte besaß; ab 1940 verheiratet mit Maria Barényi, geb. Kilian. – Nach seinem Schulbesuch in Preßburg, Waidhofen an der Ybbs und Wien studierte B. 1924–26 an der Privaten Lehranstalt für Maschinenbau und Elektrotechnik in Wien. Mit seiner Abschlussarbeit zu den Grundlagen des späteren Volkswagenkonzepts (Zentralrohrrahmen mit Boxermotor im Heck und Stromlinienkarosserie in Pontonbauweise) nahm er bereits entscheidende Konstruktionsmerkmale des VW vorweg. Erste berufliche Erfahrungen sammelte B. ab 1928 bei der Steyr-Werke AG (Wien), bei Adler (Frankfurt am Main), bei der Firma GETEFO (Berlin) und der Société Pendelastic bzw. Soprotec (Paris). 1939 wurde er auf Vermittlung seines Studienfreunds Karl Wilfert bei Daimler-Benz eingestellt und nahm 1940 die deutsche Staatsbürgerschaft an. 1945/46 begann er mit den Projekten Terracruiser, einem Drei-Zellen-Fahrzeug mit etlichen Sicherheitsdetails, und Concadoro, das wesentliche sicherheitsrelevante Details wie Flankenschutz, Sicherheitslenksäule und Sicherheitslenkrad enthielt. 1946 wurde B., der noch in Österreich NSDAP-Mitglied geworden war, als politisch Belasteter entlassen. 1948 erfolgte sein Wiedereintritt in die Daimler-Benz AG als Entwicklungsingenieur mit dem Aufgabengebiet Spezialuntersuchungen und Ausarbeitung von Konstruktionsvorschlägen grundsätzlicher Art auf dem Gebiet des Kraftfahrzeugbaus sowie sonstige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Das erste Auto mit Knautschzonen hinten und vorne und einer stabilen Fahrgastzelle war der „Heckflossen“-Mercedes. Sehr früh erkannte B., dass es bei der passiven Sicherheit im Automobilbau keine singulären Lösungen geben konnte. Mit Erfindungen wie Flankenschutz, Sicherheitsdach (Pagodendach des 230/250/280SL), Sicherheitstüren, lenkrad, lenksäule und Überrollbügel war er ein Pionier der passiven Sicherheit im Automobilbau. Schon im Rahmen seiner Diplomarbeit hatte er sich mit der Lenkung befasst und 1963 ein Patent über eine Sicherheitslenksäule angemeldet, das eine Zweiteilung der Lenksäule vorsieht, deren gegeneinander gekehrte Enden durch ein ungeführtes, also allseits nachgiebiges, als knickschwacher Deformationskörper ausgebildetes Kupplungsglied verbunden sind. Bei Daimler-Benz wurde diese Innovation ab 1975 in der Baureihe W 123 realisiert. B. besaß 2.500 Patente und gewann elf gerichtliche Patentauseinandersetzungen. Er erhielt u. a. 1967 die Dieselmedaille in Gold, 1981 den Aachener und Münchener Preis für Technik und angewandte Naturwissenschaften, 1989 den österreichischen Professorentitel und wurde 1994 in die Automotive Hall of Fame in Detroit aufgenommen. Ein Teilnachlass mit biographischen Dokumenten und Originalzeichnungen befindet sich im Technischen Museum Wien.

Weitere W. (s. auch Niemann, 1994 und 2002): Viele hupen nimmer, 1984 (Sonderdruck aus G. Hilscher, Geniale Außenseiter, 1975); etc.
L.: H. Niemann, B. B. Nestor der passiven Sicherheit, 1994 (m. B. u. W.); ders., Professor Sicherheit. B. B. In der Hall of Fame der Automobilgeschichte, in: Mythos Mercedes, 1994, S. 176–179 (m. B.); ders., B. B. – Sicherheitstechnik made by Mercedes-Benz, 2002 (m. B. u. W.); KA, Wien (für Eugen B.).
(H. Niemann)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)