Basch, Samuel Ritter von; später Siegfried Karl Ritter von Basch (1837–1905), Pathologe

Basch Samuel Ritter von, Pathologe. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 9. 9. 1837; gest. Wien, 25. 4. 1905; mos., ab 1879 röm.-kath., hieß dann Siegfried Karl Ritter von Basch. Sohn eines Kaufmanns. – Nach Besuch des Gymnasiums studierte B. drei Semester Medizin an der deutschen Universität Prag, 1857–59 an der Universität Wien; 1862 Dr. med. B., der ab 1857 im Laboratorium bei →Ernst Wilhelm von Brücke vergleichende anatomische und histologische Studien betrieb, war ab 1861 Assistent und danach Sekundararzt an diversen Abteilungen im Allgemeinen Krankenhaus in Wien, u. a. bei dem Urologen →Leopold von Dittel, bei →Eduard Jaeger von Jaxthal, Eugen Kolisko und Ludwig Türk. 1865 ging er nach Mexiko, wo er das Militärspital in Puebla (Heroica Puebla de Zaragoza) leitete und v. a. Patienten mit Ruhrerkrankungen behandelte. Seine dortigen Forschungen über Dysenterie machten ihn zum Mitbegründer der damaligen neuen Richtung der Bakteriologie. 1866 übersiedelte B. nach Mexico City, wurde Leibarzt von Kaiser Maximilian von Mexiko (→Erzhg. Ferdinand Maximilian) und ging 1867 mit diesem in Gefangenschaft. Nach dessen Hinrichtung im selben Jahr veranlasste B. die Überführung des Leichnams nach Österreich. Ab 1868 arbeitete er zunächst wieder unter Brücke, dann bei →Salomon Stricker im Institut für experimentelle Pathologie, wo er sich Kenntnisse der Kymographie aneignete, im Institut für Medizinische Chemie bei →Ernst Ludwig sowie im gerichtsmedizinischen Institut bei →Eduard von Hofmann; daneben führte er eine Privatpraxis. 1870 habilitierte er sich als erster seines Fachs für experimentelle Pathologie an der Universität Wien. Ab 1873 bildete sich B. regelmäßig bei Carl Ludwig an der Physiologischen Anstalt in Leipzig in Experimentaltechniken weiter. 1877 tit. ao., 1878 ao. Prof., 1900 o. Prof. Versuche, ein eigenes Laboratorium in Wien zu erhalten, scheiterten zunächst, sodass B. Wien verließ und am physiologischen Institut in Berlin wirkte. Erst ab 1881 fungierte er als Vorstand der medizinischen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien und Leiter des Laboratoriums für experimentelle Pathologie, wo sich ihm zahlreiche klinische Beobachtungsmöglichkeiten boten. 1869–1904 war er in den Sommermonaten auch als Kurarzt in Marienbad (Mariánské Lázně) tätig. B., der als Entdecker der klinischen Blutdruckmessung gilt, konstruierte Messapparate, darunter 1880 das erste klinisch brauchbare Sphygmomanometer, das er laufend verbesserte. Wissenschaftlich befasste er sich mit der Histologie des Darms, mit den physiologischen Auswirkungen von Nikotin sowie mit der Physiologie und Pathologie des Herzens. Dabei erkannte er Bluthochdruck als Risikofaktor für Arteriosklerose. Mit seinem selbst gebauten Kreislaufmodell und diversen Tierexperimenten revolutionierte er die damalige Kreislauflehre. B. stellte sich vehement gegen die Kompensationslehre von Ludwig Traube und führte die Begriffe Nutzeffekt der Herz- bzw. Atemarbeit und Hyperpnoe in die Kreislauflehre ein. Weiters forschte er über Pockenerkrankungen sowie über die Innervation des Uterus. Neben seinen zahlreichen medizinwissenschaftlichen Beiträgen in diversen Fachzeitschriften und seinem Lehrbuch „Allgemeine Physiologie und Pathologie des Kreislaufs“, 1892, sind seine zweibändigen „Erinnerungen aus Mexico. Geschichte der letzten zehn Monate des Kaiserreichs“, 1868 (englisch 2001), worin er auf Anregung von Maximilian von Mexiko die Ereignisse der letzten Monate des Kaisers dokumentierte, hervorzuheben. B. war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Academia Nacional de Medicina de México, der Académie Royale de Médecine de Belgique, der Gesellschaft für Heilkunde in Berlin, der Morphologisch-Physiologischen Gesellschaft und der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien. Ebenso war er Kommandeur des kaiserlichen russischen Stanislausordens, Offizier des Ordens des Mexikanischen Adlers und des mexikanischen Guadeloupe-Ordens; 1869 Ritter der Eisernen Krone III. Klasse, wurde er in den Ritterstand erhoben.

Weitere W. (s. auch Eisenberg; Jantsch): Die Herzkrankheiten bei Arteriosclerose, 1901; Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der experimentellen Pathologie als Lehrfach, 1905; etc.
N.: The British Medical Journal, 10. 6. 1905; Inauguration Univ. Wien, 1905/06, 1905, S. 36–43; A. Biedl, in: WKW 18, 1905, S. 498f.; A. Fröhlich, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 31, 1905, S. 878f. (m. B.); A. Strubell, in: Münchner Medizinische Wochenschrift 52, 1905, S. 1053f.
L.: Czeike; Eisenberg 2 (m. W.); Hirsch; Kreuter; Lesky, s. Reg.; NDB; Otto; Pagel; Wininger; A. Strubell, Zum 65. Geburtstage des Prof. S. v. B., in: Münchner Medizinische Wochenschrift 49, 1902, S. 1506f.; Festschrift zu Ehren Professor Dr. v. B.s, ed. A. Strubell-Harkort (= WMW 81, 1931, Nr. 11), 1931, bes. S. 347–349; M. Jantsch, in: WMW 105, 1955, S. 323–326 (m. B., tw. W. u. L.); Diccionario Porrúa de historia, biografía y geografía de México, 1965; H. Wyklicky, Österreichische Ärzte um Maximilian von Mexiko, in: Österreichische Ärztezeitung 22, 1967, H. 10; Chronik der allgemeinen Poliklinik in Wien …, ed. E. Deimer, 1989, s. Reg. (m. B.); R. W. Wlaschek, Biographia Judaica Bohemiae 1, 1995; IKG, Materialiensammlung ÖBL (m. B.), UA, alle Wien.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 52
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