Beck, Adolf (1863–1942), Physiologe

Beck Adolf, Physiologe. Geb. Krakau, Galizien (Kraków, PL), 1. 1. 1863; gest. Lemberg, Generalgouvernement (L’viv, UA), 7. 8. 1942 (Suizid); mos. Sohn des Bäckers Szaja Beck und von Gustawa Beck, geb. Müller, Vater des Gynäkologen und Malers Henryk Beck (1896–1946) und von Jadwiga Beck-Zakrewska; ab ca. 1895 verheiratet mit Regina Beck, geb. Mandelbaum (gest. 1938). ‒ Nach dem Besuch des Gymnasiums (1875–84) studierte B. 1884–90 Medizin an der Universität Krakau, u. a. bei dem Physiologen Napoleon Cybulski. Bereits während seines Studiums entdeckte er das Phänomen der Desynchronisation der elektrischen Aktivität des Gehirns als Reaktion auf Reize und verfasste preisgekrönte Arbeiten; 1890 Dr. med. Ab 1889 wirkte B. als Assistent am Lehrstuhl für Physiologie, 1893 forschte er am pathologischen Institut der Universität Wien, ein Jahr später erfolgte seine Habilitation als Privatdozent für Physiologie an der Universität Krakau. 1895 ao. Professor am neu gegründeten Institut für Physiologie an der medizinischen Fakultät der Universität Lemberg, leistete er einen wichtigen Beitrag zum Aufbau dieser Abteilung; 1897 o. Professor. 1898–99 hielt er sich zu Forschungszwecken an der Stazione Zoologica in Neapel auf; 1904–05, 1916–17 Dekan der medizinischen Fakultät, 1912–13 und 1914–15 erster jüdischer Rektor, dazwischen 1914 kurzzeitig Vize-Rektor. 1915 von den russischen Besatzungsbehörden festgenommen, wurde B. zunächst in Kiew inhaftiert. Aufgrund eines Gefangenenaustauschs durfte er das Lager verlassen und verbrachte einige Zeit in St. Petersburg sowie in Schweden, ehe er 1916 wieder als Leiter des Instituts für Physiologie an die Universität Lemberg zurückkehren konnte; 1932 emeritiert. Daneben unterrichtete er 1922–26 an der Akademia Medycyny Weterynaryjnej we Lwowie (Veterinärmedizinische Universität). 1930 war er am Institut für animalische Physiologie der Universität Frankfurt am Main tätig, 1934 am Institut Pasteur in Paris und danach an einer Londoner Klinik. 1935 wurde er zum Honorarprofessor an der Universität Lemberg ernannt. B. befasste sich mit der Physiologie der Nerven, mit dem zentralen Nervensystem, mit den Sinnesorganen, aber auch mit der Geschichte der Physiologie. Er gilt zusammen mit Richard Caton und Hans Berger als Begründer der Elektroenzephalographie. Seine vielfach auf Deutsch verfassten Beiträge veröffentlichte er u. a. im „Centralblatt für Physiologie“, in der „Wiener klinischen Wochenschrift“, im „Archiv für Anatomie und Physiologie“, im „Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere“, weiters publizierte er in den Fachorganen „Przegląd Lekarski“, „Nowiny Lekarskie“ sowie „Lwowski tygodnik lekarski“. Erwähnenswert ist sein gemeinsam mit Cybulski verfasstes Lehrbuch der Physiologie „Fizjologia człowieka“ (1915, 2. Aufl. 1924). 1942 wurde B. verhaftet und in das Ghetto von Lemberg verbracht. Kurz vor der Deportation in das Arbeitslager Lemberg-Janowska beging er Selbstmord. B., der 1897 die physiologische Gesellschaft in Lemberg (Towarzystwo Fizjologiczne we Lwowie) gegründet hatte, fungierte 1901 als Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Lemberg (Towarzystwo Lekarskie Lwowskie). Weiters war er u. a. ab 1890 Mitglied, ab 1917 Ehrenmitglied der medizinischen Gesellschaft in Krakau (Towarzystwo lekarskie krakowskie), ab 1895 Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wilna (Caesarea Societas Medicorum Vilnensis), Mitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft in Lemberg (Towarzystwo Naukowe we Lwowie), ab 1930 korrespondierendes Mitglied der Polska Akademia Umiejętności sowie ab 1937 Ehrenmitglied der Polskie Towarzystwo Fizjologiczne (polnische physiologische Gesellschaft). 1905, 1908 und 1911 war er für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin nominiert.

Weitere W.: s. Kreuter; Słownik biologów polskich.
L.: Jew. Enc.; Kreuter (mit W.); Lesky, S. 540; Universal Jew. Enc.; J. Beck-Zakrzewska, in: Acta Neurobiologiae Experimentalis Suppl. 3, 1973, S. 57ff.; Słownik biologów polskich, 1987 (mit W.); B. Żernicki, in: Acta Physiologica Polonica 38, 1987, S. 114ff.; O. Zayachkivska u. a., in: International Journal of Psychophysiology 85, 2012, S. 3ff.; W. Wojtkiewicz-Rok, Lata chwały i dni grozy, 2012, S. 32, 40f., 46, 56, 82ff., 171, 187, 222, 227, 248, 267; A. Coenen – O. Zayachkivska, in: Advances in Cognitive Psychology 9, 2013, S. 216ff. (mit Bild); K. Pietrzak u. a., in: European Neurology 71, 2014, S. 32ff. (mit Bild).
(M. Nadraga)  
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)