Beer, Rudolf (1885–1938), Theaterdirektor, Schauspieler und Regisseur

Beer Rudolf, Theaterdirektor, Schauspieler und Regisseur. Geb. Graz (Steiermark), 22. 8. 1885; gest. Wien, 9. 5. 1938 (Selbstmord); röm.-kath. Sohn des Notars Albert Beer. – B., der schon als Gymnasiast Schauspielunterricht genommen hatte, trat nach der Matura sein erstes Engagement bei Emil Jannings an. 1908 besuchte er das Reinhardt-Seminar in Berlin, spielte anschließend an verschiedenen deutschen Bühnen sowie in Graz und leitete kurze Zeit auch zwei Kurtheater. Daneben absolvierte er ab 1904 ein Jusstudium an der Universität Graz (1909 Dr. jur.). Während seines Engagements in Ödenburg (Sopron) lernte er →Josef Jarno kennen, der ihn 1912 an das Theater in der Josefstadt nach Wien holte. Bis 1918 blieb B., unterbrochen durch seinen Kriegseinsatz, Direktorstellvertreter der Jarno-Bühnen, 1918 wurde er Direktor der vereinigten Theater in Brünn (Brno), 1921 Direktor des Wiener Raimundtheaters, das er mit Gerhart Hauptmanns „Florian Geyer“ eröffnete und zu einer literarisch ambitionierten Bühne machte (u. a. Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals „Der Unbestechliche“ mit →Max Pallenberg 1923, österreichische Erstaufführung von Brechts „Dreigroschenoper“ 1929). Ab 1924 leitete B. zusätzlich das Deutsche Volkstheater, wo er weiterhin auf Berliner Erfolgsstücke und prominente Gäste (wie Elisabeth Bergner, Tilla Durieux, Albert Bassermann, Käthe Dorsch, Conrad Veidt, Hans Albers und →Alexander Moissi) setzte, aber z. B. auch die österreichischen Erstaufführungen von George Bernard Shaws „Die Heilige Johanna“ (1924) und Ferdinand Bruckners „Elisabeth von England“ (1931) sowie die Uraufführung von Schnitzlers „Im Spiel der Sommerlüfte“ (1929) brachte. Auf dem Spielplan standen außerdem u. a. Werke von Georg Kaiser, Frank Wedekind, Franz Molnár, Hermann Bahr, Robert Musil und Luigi Pirandello, in dessen Stück „Sechs Personen suchen einen Autor“ er sich als Theaterdirektor selbst persiflierte. 1931 demissionierte B., der eine Zeitlang auch die Kammerspiele geleitet hatte, und pachtete 1932 mit Karlheinz Martin die Berliner Reinhardt-Bühnen. 1933 kehrte er nach Wien zurück und eröffnete dort die Scala, das frühere Johann-Strauß-Theater, als Sprechbühne. B. unterrichtete 1923–31 Schauspiel an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (1924 Professor) und gründete 1931 eine Elevenschule, die dem Deutschen Volkstheater angegliedert wurde. Er entdeckte und förderte Talente wie Rose Stradner, Käthe Gold, Paula Wessely, Hans Holt, Hans Jaray, Karl Paryla, Albin Skoda und Karl Skraup. B., eine der führenden Persönlichkeiten des Wiener Theaters der Zwischenkriegszeit, war Präsident des Verbandes österreichischer Theaterdirektoren und wurde 1932 zum Professor ernannt. Nach dem „Anschluss“ 1938 verhaftet und schwer misshandelt, nahm er sich das Leben.

L.: F. Th. Csokor, R. B.: Die Tragödie eines Theaterdirektors, in: Weltpresse, 23. 8. 1955 (m. B.); Czeike (m. B.); Die Fackel; Jb. der Wr. Ges.; Nagl–Zeidler–Castle 4, s. Reg. (m. B.); Die geistige Elite Österreichs, ed. M. Klang, 1936; St. Feldschuh, Dr. R. B.s Tätigkeit am Raimundtheater und Deutschen Volkstheater in Wien, phil. Diss. Wien, 1937; O. Wladika, Von J. Fürst zu J. Jarno, phil. Diss. Wien, 1960, passim; E. Breslmayer, Die Geschichte des Wiener Raimundtheaters …, phil. Diss. Wien, 1975, S. 196–232; Das neue Volkstheater, 1981, S. 30–34, 73; M. Kinz, Raimund Theater, 1985, S. 47–56 (m. B.); E. Deutsch-Schreiner, K. Paryla, 1992, s. Reg.; W. E. Yates, Theatre in Vienna, 1996, s. Reg.; A. Schnitzler, Tagebuch 1931, 2000, s. Reg.; K. Weniger, Zwischen Bühne und Baracke, 2008, S. 55f.; Tagblattarchiv (m. B.), Universität für Musik und darstellende Kunst, beide Wien; UA, Graz, Steiermark.
(E. Offenthaler)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)

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Gedenktafel für Rudolf Beer, Volkstheater, Wien