Benešová, Božena (Maria); geb. Zapletalová (1873–1936), Schriftstellerin

Benešová Božena (Maria), geb. Zapletalová, Schriftstellerin. Geb. Neutitschein, Mähren (Nový Jičín, CZ), 30. 11. 1873; gest. Praha, Tschechoslowakei (CZ), 8. 4. 1936. Tochter des Konzipisten Roman Zapletal und dessen Frau Bertha Sophia Zapletalová, geb. Kostelníková, Tochter des ersten tschechischen Bürgermeisters von Frankstein und Abgeordneten zum mährischen Landtag und Reichsrat Valentin Kostelník (1815–1891); 1895 Heirat mit dem Eisenbahnbeamten Josef Beneš (1912 Scheidung). – B.s Familie zog nach Napajedl, wo ihr Vater eine Anwaltspraxis führte. Sie absolvierte zwei Klassen der Bürgerschule mit deutscher Unterrichtssprache in Olmütz. Ihren Wunsch, das tschechische Mädchengymnasium Minerva in Prag zu besuchen, lehnten die Eltern ab, ermöglichten ihr jedoch Privatunterricht. 1902 begegnete B. in Pustewny in den Mährisch-Schlesischen Beskiden →Růžena Svobodová und lernte durch sie auch →František X. Šalda kennen. Mit Unterstützung der beiden begann sie schriftstellerisch tätig zu werden und wurde Redakteurin der literarischen Beilage „Žena v umění“ der Zeitschrift „Ženská revue“. 1906 und 1907 unternahm sie Reisen nach Italien. 1908 übersiedelte sie nach Prag und arbeitete als Redakteurin der neu gegründeten Zeitschrift „Novina“, später auch bei „Česká kultura“ und „Lípa“ zusammen mit dem literarischen Kreis um ihre Gönnerin Svobodová. Aus finanzieller Not war sie weiters als Redakteurin der Zeitschrift „Večer“ tätig. Ab 1926 führte B. die deutschen Konversationszirkel des Christlichen Vereins Junger Frauen YWCA und war auch als Bibliothekarin und Leiterin der Sommerlager dieser Organisation tätig. Aus diesem Freundeskreis versammelte sie um sich junge Anhängerinnen sowie eine Gruppe sympathisierender Schriftstellerinnen, u. a. Petra Buzková, Helena Dvořáková, Marie Pujmanová, Marie Stivínová und Anna Marie Tilschová, deren literarische Mentorin sie war. B.s Werk ist überwiegend autobiographisch. Schon ihre ersten schriftstellerischen Versuche in den 1890er-Jahren (Gedichte, Tagebücher, Erzählungen) sind von einem Gefühl der Desillusion eines kleinbürgerlich geführten Lebens geprägt. Oft mit (Selbst-)Ironie („Myšky“, 1916) und Empathie für ihre Mädchen- und Frauenfiguren stellt sie in ihren Erzählungen revoltierendes Engagement gegen das Establishment und Sehnsucht nach Anerkennung, Wertschätzung und Liebe in Familie und Gesellschaft dar („Nedobytá vítězství“, 1910; „Kruté mládí“, 1917), manchmal mit tragischem Ausgang („Tři povídky“, 1914, 2. erweiterte Aufl. unter dem Titel „Chlapci“, 1927). In ihrem Roman „Člověk“ (1919–20) versucht sie am Beispiel eines Künstlers mit individualistischem Egoismus abzurechnen, wobei sie sich auch antisemitischer Klischees bedient, während die Trilogie „Úder“ (1926), „Podzemní plameny“ (1929) und „Tragická duha“ (1933) einen an der Gesellschaft orientierten Bildungsroman über ein Mädchen in der Zeit vor und während des 1. Weltkriegs, ihren Aufruhr gegen bürgerliche Konventionen und ihren Antimilitarismus sowie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft den Höhepunkt ihres literarischen Schaffens darstellt. Diese existentiellen Probleme behandelt B. auch in ihrem auflagenstärksten Werk, der Novelle „Don Pablo, don Pedro a Věra Lukášová“ (posthum 1936, das ebenso als Drama zur Aufführung kam; deutsch als „Don Pablo, Don Pedro und das Mädchen Vera“, 1961, übersetzt von Elisabeth Borchardt), mit einem deutlich emanzipatorischen Tenor. Neben ihrer umfangreichen Publizistik und zahlreichen Literaturkritiken in diversen Zeitschriften und Zeitungen übersetzte B. aus dem Deutschen und Französischen ins Tschechische.

Weitere W. (s. auch LČL): Verše věrné i proradné, 1909; Rouhači a oblouznění, 1933; Divadelní hry, ed. P. Buzková, 1937; Spisy B. B., 10 Bde., ed. P. Buzková, 1933–40; Dílo B. B., 5 Bde., ed. J. Honzík, 1955–57. – Nachlass: Literární archiv PNP, Praha, CZ.
L.: Lidové noviny, Prager Presse, 9., Právo lidu, 10. (alle mit Bild), 16. 4. 1936; Venkov, 10. 4. 1936; LČL (mit W.); Masaryk; A. Novák, in: Die Literatur 38, 1935/36, S. 400; K. Sezima, in: Lumír 62, 1935/36, S. 396f.; M. Pujmanová, B. B., 1935; Prager Rundschau 6, 1936, S. 255f.; B. Fučík – F. X. Šalda, in: Listy 4, 1936, S. 129ff., 179ff.; K. J. Beneš, in: Panorama 14, 1936, S. 71f.; D. Moldanová, B. B., 1976 (mit Bild); J. Bednář, in: Vlastivědný sborník okresu Nový Jičín 42, 1988, S. 43ff.; Český biografický slovník XX. století 1, 1999; D. Šajtar, in: Hlasy Muzea a archivu ve Frenštátě pod Radhoštěm 17, 2000, Nr. 3/4, S. 65ff.; D. Moldanová u. a., in: Literární archiv 35/36, 2003, S. 155ff., 175ff., 187ff.; L. Heczková, Píšící Minervy, 2009, s. Reg.; R. Pynsent, in: History of the Literary Cultures of East-Central Europe. Junctures and Disjunctures in the 19th and 20th Centuries 4, ed. M. Cornis-Pope – J. Neubauer, 2010, S. 344ff.; D. Moldanová, Na písčitých půdách, 2011, s. Reg.; A. Car, Czeszki. Trajektorie tożsamości w prozie czeskich modernistek, 2012, s. Reg.; Z. Jürgens, in: B. B., Prózy, 2015, S. 327ff.; J. Malečková, in: Central Europe 13, 2015, S. 4ff.; I. Jašíková, Hlasy Muzea ve Frenštátě pod Radhoštěm 33, 2016, Nr. 1, S. 20ff.; D. Moldanová, in: Literární archiv 48, 2016, S. 256ff.
(V. Petrbok)  
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)