Berg, Jimmy; eigentl. Weinberg Simson (Symson); Ps. Otto Forst-Berg, Helmut Raabe, Raimund Danberg (1909–1988), Autor, Journalist, Kritiker und Komponist

Berg Jimmy, eigentl. Weinberg Simson (Symson), Ps. Otto Forst-Berg, Helmut Raabe, Raimund Danberg, Autor, Journalist, Kritiker und Komponist. Geb. Kolomea, Galizien (Kolomyja, UA), 23. 10. 1909; gest. New York City, NY (USA), 4. 4. 1988. Sohn des Buchhalters einer Weingroßhandlung Samuel Weinberg und von Fanny Weinberg, geb. Starer (geb. Ottynia, Galizien / Otynija, UA, 1886; gest. Wien, 28. 2. 1918; mos.), Cousin des Komponisten und Pianisten Robert Starer (geb. Wien, 8. 1. 1924; gest. Kingston, NY / USA, 22. 4. 2001); ab 1942 mit der Kabarettistin Gertrude Berg, geb. Hammerschlag, Ps. Trude Hill, verheiratet. – B. wuchs bei seinen Großeltern in Wien auf, wo er das Chajes-Realgymnasium besuchte. Er war ein schlechter Schüler und kam später auf Betreiben seines Vaters an eine Handelsschule. Mit sechs Jahren erhielt er ersten Klavierunterricht bei seiner jüngsten Tante, später nahm er auch Kompositionsstunden. Zu seinen frühesten Förderern gehörte Georg Marcus, der Dirigent des Wiener Arbeitersängerbunds. 1930 erschien B.s erstes musikalisches Werk, das Lied „Oh Micaela“ (Text: Hugo Wiener und Kurt Breuer). Im Jahr darauf übersetzte B. in Berlin Liedtexte für die Irving Berlin Inc. und die Edward B. Marks Music Corporation, später verfasste er auch eigene. 1933 zog er nach Paris, kehrte jedoch 1934 nach Wien zurück, wo er zahlreiche Wienerlied- und Schlagertexte schrieb und sich als Musikverleger versuchte. Zwei seiner Texte wurden preisgekrönt: „Muss mein Herz denn schweigen?“ (Musik: Isko Thaler) beim Tonfilmschlager-Wettbewerb der Internationalen Filmfestwochen in Wien 1934 sowie „Erst kommt die Wochenschau“ beim Wettbewerb der Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) und der österreichischen Kapellmeister-Union 1935. In diesem Jahr übernahm er auch die musikalische Leitung des Kabaretts ABC (Brettln am Alsergrund), für das er bis 1938 13 Programme mitgestaltete, sieben davon in Zusammenarbeit mit →Jura Soyfer (u. a. „Der Weltuntergang“, 1936; „Die Botschaft von Astoria“, 1937; „Broadway Melodie 1492“, 1937). 1938 konnte B. mit einem Affidavit des österreichisch-amerikanischen Industriellen Otto Eisenschiml über Zürich und London nach New York fliehen, wo er 1939 für die von Victor D. Gruen mitbegründete The Refugee Artists Group die Liedertexte der Show „From Vienna“ schrieb. 1940 wirkte er bei der Kleinkunstrevue „D.C. Melody“ von Maria Ley Piscator (Regie: Leo Askin) in Washington D.C. mit. Er gründete ein eigenes Tanzorchester, mit dem er 1939–48 auftrat, und schrieb Sketche u. a. für Eugen Hoffmann. Da B. von seiner künstlerischen Tätigkeit nicht leben konnte, arbeitete er zusätzlich in einer Fabrik. Im Mai 1941 fand anlässlich seines zehnjährigen Bühnenjubiläums ein Benefizabend in Ludwig Blochs Lublo’s Palm Garden statt. Ab 1943 war er der musikalische Leiter der jüdisch-politischen Kleinkunstbühne „Die Arche“ von Oscar Teller und Erich Juhn und wirkte in den Programmen „Gesäuertes und Ungesäuertes“ (1943), „Sorgen von morgen“ (1944) und „Rosinen und Mandeln“ (1944) mit. Er trat in zahlreichen Kaffeehäusern mit Wiener Charakter wie Lublo’s Palm Garden oder Café Vienna (später Vienna Café) und in →Kurt Robitscheks Kabarett der Komiker auf und arbeitete mit Karl Farkas („Ali Farkas und die 40 Berge“, 1941), →Armin Berg oder Fritz Spielmann zusammen. Für das Vienna Café parodierte er Operetten zu „Short Operettas“ („The Happy Widow on Broadway“, 1945; „La Belle Helena Goes Reno“, 1946; „Johann Strauss Goes to New York“, 1946; „Spring in Vienna. A Heurigen Operetta“, 1947), womit er 1941 mit „Das weiße Rössl am Central Park“ begonnen hatte, und übernahm 1948 die musikalische Leitung der Revuen „Zwischen Morgen und Gestern“ und „Brettl im Frühling“. Zu B.s größten Erfolgen gehörten Schlager für Exilanten in einer Mischung aus Englisch und Deutsch. 1947 wurde er Radiojournalist und Kulturvermittler beim Washingtoner Sender „Voice of America“ und beim US-Sender „Rot-Weiß-Rot“, wo er Jazz-Orchester, -Sänger und Musicals vorstellte. B. war auch als Konzertrezensent für die deutschsprachige „New York Staats-Zeitung“ in Yorkville und den „Aufbau“ tätig. Für „Die Welt der Television“ verfasste er 1961–62 regelmäßig TV-Kritiken. 1974 musste er seine Tätigkeit bei „Voice of America“ aus gesundheitlichen Gründen beenden. Viele seiner Lieder erlangten große Popularität, u. a. „In den kleinen Seitengassen“ (Musik: Hermann Leopoldi), „Dankeschön, es war bezaubernd“ (Musik: Ernst Sennhofer) und „Sperrstund’ is“; zu Letzterem, bekannt durch die Interpretation von Hans Moser, schrieb er auch die Musik.

Weitere W.: Von der Ringstraße zur 72nd Street. J. B.s Chansons aus dem Wien der dreißiger Jahre und dem New Yorker Exil, ed. H. Jarka, 1996 (mit Bild). – Nachlass: Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus Wien.
L.: Bolbecher–Kaiser; oeml; H. Jarka, in: Mit der Ziehharmonika 11, 1994, H. 3, S. 3ff. (mit Bild); Orpheus im Exil. Die Vertreibung der österreichischen Musik von 1938 bis 1945, ed. W. Pass u. a., 1995, S. 25, 91ff., 237; G. Scheit, in: Mit der Ziehharmonika 14, 1997, H. 4, S. 56f.; Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–45, ed. F. Trapp, 1999; „From Vienna“. Exilkabarett in New York 1938 bis 1950, ed. R. Thumser – Ch. Klösch, 2002, S. 157; R. Thumser, in: Asyl wider Willen. Exil in Österreich 1933 bis 1938, ed. U. Seeber, 2003, S. 56ff.; Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, 3/1, 2000, 3/4, 2003, 3/5, 2005, s. Reg.; S. Korbel, in: „Im weißen Rößl“, ed. N. Grosch – C. Stahrenberg, 2016, S. 215ff.; Website LiteraturTV (Zugriff 29. 3. 2017); Website Österreichische Mediathek (Zugriff 29. 3. 2017); Website Operetta Research Center (Zugriff 29. 3. 2017); Website Zeitgeschichte-wn (Zugriff 29. 3. 2017); Wienbibliothek im Rathaus, Wien.
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)