Berliner, Egon (Friedrich) (1923–1945), Offizier und Widerstandskämpfer

Berliner Egon (Friedrich), Offizier und Widerstandskämpfer. Geb. Wien, 9. 5. 1923; gest. Graz (Steiermark), 4. 4. 1945 (ermordet); mos., dann röm.-kath. Sohn des früh verstorbenen, aus Warschau stammenden Bankmanagers Egon Berliner und von Maria Humer, geb. Schöfnagl, der Inhaberin eines Modesalons. Hieß ab 1943 Frederick Michael OʼHara, Decknamen waren Friedrich Knoll, F. M. Chirgwin und Frederico Hofer. – B. besuchte die Realschule in der Waltergasse (Wien 4) wurde nach dem „Anschluss“ 1938 vom Schulbesuch ausgeschlossen und flüchtete im Mai 1939 aus politischen und „rassischen“ Gründen nach Großbritannien. Er fand Arbeit als Mechaniker in Cornwall und besuchte daneben eine Ingenieursschule, wurde jedoch im Mai 1940 als „enemy alien“ interniert und auf Grund der zu dieser Zeit in Großbritannien vorherrschenden Furcht vor einer „Fünften Kolonne“ auf der S. S. „Ettrick“ nach Kanada verschifft. Erst im März 1941 konnte er auf Grund seiner Meldung zum Pioneer Corps nach England zurückkehren. Bald darauf wurde er als Fahrer zu den Royal Engineers versetzt, dann als hochspezialisierter Mechaniker zum Royal Army Service Corps und zuletzt zu den Royal Electrical and Mechanical Engineers, ehe er im Frühjahr 1943 von dem britischen Geheimdienst Special Operations Executive (SOE) rekrutiert wurde. Nach einer Ausbildung zum Agenten wurde B. Anfang Juni 1944 nach Süditalien transferiert, um dort auf seinen Einsatz hinter den deutschen Linien zu warten. Ende Juli 1944 sprang er gemeinsam mit zwei italienischen Widerstandskämpfern im Rahmen der Operation „Icecream“ per Fallschirm bei Mantova ab (was gleichzeitig seine Beförderung zum Leutnant bedeutete) und sollte von dort über Bolzano/Bozen nach Innsbruck vordringen, um kommunistische Widerstandskämpfer als Funker zu unterstützen. B. verlor jedoch nach dem Absprung die Verbindung zu seinen Kameraden, tauchte unter und galt für seine Vorgesetzten lange Zeit als vermisst. Erst im Oktober 1944 meldete er sich wieder bei der SOE-Basis in der Nähe von Bari zurück. Anfang Februar 1945 sollte er im Alleingang die Operation „Evansville“ durchführen. Er sprang südwestlich von Graz ab und sollte Kontakte zum sozialdemokratischen Widerstand herstellen. Als dies misslang, schlug er sich Richtung Koralpe zu den slowenischen Partisanen durch, wurde jedoch von den Deutschen gefangen genommen, von der Gestapo schwer misshandelt und in der Kaserne Graz-Wetzelsdorf liquidiert.

L.: E. Sanders, Emigration ins Leben. Wien – London und nicht mehr retour, ed. P. Pirker, 2008, passim (m. B.); P. Pirker, „Most difficult to tackle“. Intelligence, Exil und Widerstand 2, phil. Diss. Wien, 2009, S. 703–705; E. Lebensaft – Ch. Mentschl, „Are you prepared to do a dangerous job?“ Auf den Spuren österreichischer und deutscher Exilanten im Dienst der SOE, 2010, s. Reg.; The National Archives, Kew, London, GB; IKG, Wien; Mitteilung Eric Sanders, London, GB.
(E. Lebensaft)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)