Bernhard (Nicolaas, Nicolaus) Thomas, Ps. Thomas Fabian, Niklas von Heerlen, Schriftsteller. Geb. Heerlen (Niederlande), 9. 2. 1931; gest. Gmunden (Oberösterreich), 12. 2. 1989 (begraben: Grinzinger Friedhof, Wien); bis 1972 röm.-kath. Enkel des Schriftstellers und Trägers des großen österreichischen Staatspreises für Literatur 1937 Johannes Freumbichler (geb. Henndorf/Henndorf am Wallersee, Salzburg, 22. 10. 1881; gest. Salzburg, Salzburg, 11. 2. 1949), Sohn des Zimmermanns Alois Zuckerstätter (geb. Ebenau, Salzburg, 4. 8. 1905; gest. Berlin, Deutsches Reich/Deutschland, 2. 11. 1940) und der Haushaltshilfe Herta Paula Bernhard, ab 1936 verheiratete Fabjan (geb. Basel, Schweiz, 21. 12. 1904; gest. Salzburg, 13. 10. 1950), Halbbruder von Peter Fabjan (geb. Traunstein, Deutsches Reich / Deutschland, 15. 4. 1938) und Susanna Fabjan, verheiratete Kuhn (geb. Ettendorf bei Traunstein, Deutsches Reich / Deutschland, 10. 6. 1940). – Als uneheliches Kind geboren, verbrachte Bernhard seine ersten Lebensmonate bei Pflegeeltern. Ab dem Herbst 1931 lebte er bis zu seinem vorzeitigen Schuleintritt 1936 bei seinen Großeltern, zunächst in Wien-Ottakring, ab 1935 in Seekirchen am Wallersee in Salzburg, wo er die erste Klasse der Volksschule besuchte. 1937 zog er mit seiner Mutter und deren Ehemann Emil Fabjan nach Traunstein in Oberbayern. Seinem Großvater blieb Bernhard bis zu dessen Tod 1949 eng verbunden. 1944–45 besuchte er die als Internat geführte Knaben-Hauptschule („Andräschule“) in Salzburg, Haydnstraße 3, wo er Geigen-, Zeichen- und Malunterricht erhielt. Nach den ersten Bombardements auf das Stadtgebiet kehrte die Familie nach Traunstein zurück. Im Herbst 1945 setzte Bernhard den Schulbesuch in Salzburg fort und trat nach Abschluss der dritten Klasse Hauptschule ins Humanistische Staatsgymnasium am Universitätsplatz (heute Akademisches Gymnasium am Rainberg) über. 1947 brach er die Schule ab und begann eine Kaufmannslehre bei einem Lebensmittelhändler in der sogenannten Scherzhauserfeldsiedlung im Salzburger Stadtteil Lehen. Auf Betreiben des Großvaters nahm er Musik- und Gesangsunterricht. Eine Lungentuberkulose machte mehrere Aufenthalte im Sanatorium Großgmain und in der Lungenheilanstalt Grafenhof in St. Veit im Pongau zwingend. In St. Veit lernte er im Juli 1950 die um 37 Jahre ältere Hedwig Stavianicek kennen; sie sollte sein „Lebensmensch“ werden. Unter dem Pseudonym Thomas Fabian veröffentlichte Bernhard 1950 seinen ersten Text, die Kurzerzählung „Das rote Licht“, im „Salzburger Volksblatt“, für das er ab 1952 für einige Jahre als freier Gerichtsreporter sowie Film-, Buch- und Theaterkritiker arbeitete. Zur selben Zeit konnte er im Münchner „Merkur“ erste Gedichte publizieren. 1955–57 studierte Bernhard Gesang, Regie und Schauspiel am Salzburger Mozarteum. Nach erfolgreicher Bühnenreifeprüfung wurde 1957 sein erster Gedichtband „Auf der Erde und in der Hölle“ im Otto Müller Verlag, Salzburg verlegt. Es folgten 1958 die Gedichtbände „Unter dem Eisen des Mondes“ und „In hora mortis“, schließlich 1959 sein erstes dramatisches Werk, die „rosen der einöde. fünf sätze für ballett, stimmen und orchester“. Kurzopern und Stücke von Bernhard wurden im folgenden Jahr im Theater am Tonhof in Maria Saal, Kärnten, wo das mit Bernhard befreundete Ehepaar Gerhard und Maja Lampersberg seinen Wohnsitz hatte, aufgeführt. 1963 erschien der erste Roman „Frost“, mit dem Bernhard den literarischen Durchbruch schaffte und für den er seine erste Auszeichnung, den Julius-Campe-Preis, erhielt. Im Jahr der Preisverleihung, 1964, folgte die Erzählung „Amras“, ebenfalls im Insel Verlag. Bernhard erhielt 1965 den Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen, von dessen Preisgeld er sich einen Vierkanthof bei Ohlsdorf in Oberösterreich durch Vermittlung des Immobilienmaklers und späteren langjährigen Freundes Karl Ignaz Hennetmair kaufte. 1971 und 1972 sollten weitere Liegenschaftskäufe bei Altmünster und in Ottnang am Hausruck erfolgen. In Wien wohnte Bernhard in der Wohnung von Stavianicek in Döbling; sie war zudem seine treue Begleiterin bei vielen seiner zahlreichen Reisen in die Mittelmeerregion. 1967 erschien der zweite Roman „Verstörung“, mit dem Bernhards Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Suhrkamp Verlag begann. Im Sommer 1967 erhielt Bernhard nach schwerer Erkrankung und Operation die Diagnose Morbus Boeck. 1968 kam „Ungenach“ heraus und im selben Jahr wurde ihm der Kleine österreichische Staatspreis verliehen, der zu einem umfangreich medial dokumentierten Skandal aufgrund der provokanten Dankesrede des Preisträgers führte. 1969 veröffentlichte Bernhard die Erzählung „Watten“, außerdem die Kurzprosasammlung „Ereignisse“ und den Erzählband „An der Baumgrenze“, seine erste Publikation im Salzburger Residenz Verlag. 1970 inszenierte Claus Peymann in Hamburg das erste Theaterstück Bernhards, „Ein Fest für Boris“; der Roman „Das Kalkwerk“ wurde veröffentlicht und Bernhard erhielt mit dem Georg-Büchner-Preis die renommierteste literarische Auszeichnung im deutschsprachigen Raum. Es folgten „Gehen“, „Midland in Stilfs“ und die Erzählung „Der Italiener“, die 1971 als Vorlage für den gleichnamigen Film von Ferry Radax diente. Bei der Aufführung von Bernhards Theaterstück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ unter der Regie Peymanns bei den Salzburger Festspielen kam es 1972 zum „Notlicht-Skandal“ (laut Regieanweisung sollte das Stück in vollständiger Dunkelheit enden, doch aufgrund polizeilicher Vorschriften blieb das Notlicht an); das Stück wurde daraufhin abgesetzt. 1974 hatten am Burgtheater „Die Jagdgesellschaft“ und bei den Salzburger Festspielen „Die Macht der Gewohnheit“ Uraufführung. 1975 begann eine ausgesprochen produktive Zeit: Es erschienen in den Folgejahren fünf Bände seiner Autobiografie im Residenz Verlag, beginnend mit „Die Ursache. Eine Andeutung“, außerdem der Roman „Korrektur“, die Stücke „Der Präsident“, „Minetti“, „Immanuel Kant“, „Vor dem Ruhestand“ und „Der Weltverbesserer“ sowie die Erzählungen „Ja“ und „Die Billigesser“, ferner der Kurzprosaband „Der Stimmenimitator“. In den frühen 1980er-Jahren folgten weitere Veröffentlichungen, darunter „Beton“ (1982), „Wittgensteins Neffe“ (1982) und „Der Untergeher“ (1983), und die Uraufführungen der Stücke „Über allen Gipfeln ist Ruh“ (1982) und „Der Schein trügt“ (1984). 1982 erschien mit „Ein Kind“ der letzte Band der Autobiografie. 1984 wurden der Roman „Holzfällen. Eine Erregung“ kurz nach Veröffentlichung auf Antrag von Gerhard Lampersberg beschlagnahmt, was zum „Holzfällen-Skandal“ führte, und die Stücke „Der Theatermacher“ und „Ritter, Dene, Voss“ uraufgeführt. 1985 erschien der Roman „Alte Meister“, 1986 „Auslöschung“ und das Stück „Einfach kompliziert“. 1987 und 1988 wurden Bernhards letzte Stücke „Elisabeth II.“ und „Heldenplatz“ veröffentlicht; Ersteres sollte erst nach Bernhards Tod uraufgeführt werden. Bereits Monate vor der Uraufführung von „Heldenplatz“ am Burgtheater am 4. November 1988 unter der Regie Peymanns und in Anwesenheit des Autors kam es zu einer großen öffentlichen Kontroverse mit breiter medialer Beteiligung. Bernhard starb an den Folgen seiner langjährigen Lungen- und Herzerkrankung in Gmunden und wurde auf dem Grinzinger Friedhof in Wien im Grab Stavianiceks beigesetzt. Das testamentarisch durch den Autor verfügte Druck- und Aufführungsverbot seiner Werke in Österreich wurde nach jahrelangem Rechtsstreit durch den Suhrkamp Verlag und im Zuge der Gründung der Thomas-Bernhard-Privatstiftung ausgesetzt. Posthum wurden noch die „Peymann-Dramolette“ („Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“, 1990) veröffentlicht und uraufgeführt. Bernhard erhielt zahlreiche weitere Auszeichnungen, u. a. die Literarische Ehrengabe des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (1967), den Anton-Wildgans-Preis (1968), den Franz-Theodor-Csokor-Preis (1972), den Grillparzer-Preis für „Ein Fest für Boris“ (1972), den Adolf-Grimme-Preis für das interessanteste Experiment für „Der Italiener“ (1972), den Hannoverschen Dramatikerpreis für die „Macht der Gewohnheit“ (1974), den Prix Séguier (1974), den Literaturpreis der Österreichischen Bundeswirtschaftskammer für „Der Keller“ (1976), den Premio Letterario Prato (1982), den Premio Letterario Internazionale Mondello (1983), den Premio Antonio Feltrinelli (1987, abgelehnt) sowie den Prix Médicis für „Alte Meister“ (1988, abgelehnt). Er war 1972–79 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und gehörte 1974–87 dem Oberösterreichischen Bauernbund an. Straßen in Salzburg, Linz, Ottnang am Hausruck und Timelkam tragen seinen Namen. Sein Nachlass befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.