Bettelheim-Gabillon, Helene; geb. Gabillon, verheiratete Bettelheim (1857–1946), Schriftstellerin und Graphikerin

Bettelheim-Gabillon Helene, geb. Gabillon, verheiratete Bettelheim, Schriftstellerin und Graphikerin. Geb. Wien, 7. 11. 1857; gest. ebd., 22. 1. 1946; evang. AB. Tochter des Schauspielerehepaars Zerline Würzburg (1833–1892) und →Ludwig Gabillon, Patenkind von →Amalie Haizinger und →Christian Friedrich Hebbel, Mutter des Schauspielers und Ministerialbeamten Ludwig Bettelheim-Gabillon (1882–1943), Schwägerin der Sängerin Karoline Gomperz-Bettelheim (1845–1925); ab 1881 verheiratet mit →Anton Bettelheim. – B. wuchs in einem künstlerischen Elternhaus umgeben von Personen des Wiener Kulturlebens auf und bekam Privatunterricht, auch in künstlerischen Fächern wie Tanz, Klavierspielen oder Zeichnen. Für Letzteres von Anbeginn talentiert, bildeten Illustrationen (Zeichnungen, Silhouetten, Graphiken) den Schwerpunkt ihres ersten Schaffens. 1876 erschienen „Silhouetten aus Steiermark“, Schattenrisse mit kurzen mundartlichen Gedichten, 1880 die mit Silhouetten illustrierte Märchensammlung „Schwarze Märchen“, deren erste Auflage bereits am Erscheinungstag fast ausverkauft war. Zu der 1894 erschienenen Biographie über ihre Mutter „Zerline Gabillon“ von →Ludwig Hevesi trug B. 18 Zeichnungen bei und 1921 illustrierte sie mit „Hans im Glück“ ein weiteres Märchen mit Schattenrissen. Nach ihrer Heirat unterstützte sie Bettelheim bei seinen biographischen Tätigkeiten und fokussierte im Folgenden auf kunst-, literatur- und theaterwissenschaftliche Essays und Feuilletons. Zahlreiche Artikel sowie Buchbesprechungen erschienen etwa in der „Neuen Freien Presse“ und im „Neuen Wiener Tagblatt“ zu Persönlichkeiten wie →Marie Freifrau Ebner von Eschenbach, →Karl Goldmark, →Heinrich Laube und →Iduna Laube, →Ferdinand Freiherr von Saar oder →Peter Ros(s)egger. Etliche ihrer über die Jahre hinweg veröffentlichten Aufsätze wurden später als Sonderdrucke oder in Form von Aufsatzsammlungen publiziert. Selbst wichtiger Teil des Wiener Kulturlebens ihrer Zeit, gab es in ihren Texten oft persönliche Anknüpfungspunkte, über die sie geschickt eigene Erinnerungen mit biographischen Informationen verband. 1896 veröffentlichte sie „Ludwig Gabillon – Ferien-Erinnerungen“, Aufzeichnungen ihres Vaters, ergänzt durch lebensgeschichtliche Notizen. 1900 folgte dessen umfangreiche Biographie „Tagebuchblätter – Briefe – Erinnerungen“; Erinnerungen Gabillons bildeten die Grundlage, die B. durch Briefe und Informationen aus seinem Bekannten- und Freundeskreis vervollständigte. Die Publikation enthält ebenfalls den Abdruck des von ihr gezeichneten Einbanddeckels von Gabillons „Jubiläumsalbum“ 1893. Aber nicht nur das Andenken an ihren Vater war ihr ein Anliegen, auch jenes an andere Kulturschaffende, oft aus ihrem näheren persönlichen Umfeld, wie jenes an Amalie Haizinger. 1901 erschien „Amalie Haizinger-Neumann und das Wiener Burgtheater“, 1906 „Amalie Haizinger. Gräfin Louise Schönfeld-Neumann. Biographische Blätter“. Die Leistungen und das Wirken ihrer mütterlichen Freundin Betty Paoli (→Babette Glück) würdigte sie durch Herausgabe von „Betty Paolis gesammelten Aufsätzen“ mit einer über 100 Seiten langen Einleitung. Bereits 1900 hatte sie einen Aufsatz „Zur Charakteristik Betty Paolis. Nach alten und neuen Quellen“ im „Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft“ publiziert und 1915 folgte „Betty Paoli. Ein Gedenkblatt zu ihrem hundertsten Geburtstag“. B. galt als genaue Beobachterin, die aktuelle Erscheinungen in Leben und Literatur aufgriff, aber auch als Kennerin der Wiener Theatergeschichte, insbesondere jener des Burgtheaters. 1921 erschien „Im Zeichen des alten Burgtheaters“, eine Sammlung von Aufsätzen, die sich mit dem Theater, seiner Geschichte und seinen Persönlichkeiten auseinandersetzen. B. gestaltete auch dessen Einband- und Titelvignette, so wie sie über die Jahrzehnte immer wieder verschiedene Publikationen illustrierte. Nach dem Tod ihres Mannes 1930 verfasste sie gemeinsam mit Karl Vossler die Biographie „Anton Bettelheim“ und 1932 publizierte sie „Anton Bettelheim. Bibliographie“. Teilnachlässe befinden sich in der Österreichischen Nationalbibliothek, in der Wienbibliothek im Rathaus und im Theatermuseum in Wien.

Weitere W.: Zur Erinnerung an Heinrich B. Von seiner Mutter, 1905; Lilith und Eva und andere unmoderne Betrachtungen, 1907; Grillparzer und die Frauen, in: NFP, 23. 1. 1922 (Nachmittagsblatt); Sozialpolitische Gedanken Betty Paolis, in: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 28, 1928; Das Burgtheater im Jahre 1866, in: NWT, 5. 6. 1936. – Ed.: Aus L. Gabillons Briefwechsel, 1911; Fürst Friedrich zu Schwarzenberg, „der Landsknecht“. Bilder aus Alt-Österreich, 1916.
L.: NFP, 7. 11. 1927 (Abendblatt); NWT, 7. 11. 1937; WZ, 9. 3. 1946; Czeike; Wininger; H. Schrittesser, A. Bettelheim und H. B. und das literarische Leben ihrer Zeit, phil. Diss. Wien, 2013; Website Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich – Die Arbeitslosen von Marienthal (Zugriff 18. 6. 2020); Evangelische Pfarrgemeinde A.B. Wien-Innere Stadt, Tagbl.Archiv, beide Wien.
(C. Mayerhofer)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 79
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