Bezruč, Petr; eigentl. Vašek Vladimír, Ps. Alter Ego, Julius Gamma, B. Čermá, Smil z Rolničky (1867–1958), Schriftsteller

Bezruč Petr, eigentl. Vašek Vladimír, Ps. Alter Ego, Julius Gamma, B. Čermá, Smil z Rolničky, Schriftsteller. Geb. Troppau, Schlesien (Opava, CZ), 15. 9. 1867; gest. Olomouc, Tschechoslowakei (CZ), 17. 2. 1958. Sohn von →Antonín Vašek. – Die Familie musste 1873 wegen der tschechisch-nationalen Gesinnung des Vaters nach Brünn übersiedeln und lebte nach dessen Tod in ärmlichen Verhältnissen. B. besuchte ab 1877 das tschechische Gymnasium. Ab 1885 studierte er an der philosophischen Fakultät der tschechischen Universität Prag, besuchte Vorlesungen aus Germanistik, klassischer Philologie und Philosophie, u. a. bei →Josef Král, Arnošt Vilém Kraus, →Jan Kvíčala, →Václav Emanuel Mourek und →Thomas (Garrigue) Masaryk, kehrte jedoch 1888 nach Brünn zurück. Er war zuerst als Diurnist des Bauamts beim Mährischen Landesausschuss und 1891–93 als Postassistent in Mistek tätig. In dieser Zeit lernte er das Teschener Schlesien und die Beskiden kennen, die später in seinem Werk eine wichtige Rolle spielten. 1893 auf eigenen Wunsch nach Brünn versetzt, war er auf dem Postamt Brünn-Stadt angestellt. 1898–1902 litt B. an einer Nerven- sowie Lungenkrankheit; die damit verbundene Todesangst regte ihn zum Dichten an: Ab 1899 schickte er Jan Herben, dem Chefredakteur der Zeitschrift „Čas“, seine Gedichte, die er 1903 unter dem Titel „Slezské písně“ in deren Literaturbeilage „Besedy Času“ und als Buch (Neuaufl. 2014) veröffentlichte. Als sein Pseudonym entschlüsselt wurde, führte er seine Korrespondenz mit Herben nur zögerlich fort. B., ein ausgeprägter Außenseiter, lebte sein ganzes Leben zurückgezogen. 1915 wurde er zu Unrecht als Autor von stark prorussischen und antihabsburgischen Gedichten in der französischen Zeitschrift „LʼIndépendance tchèque“ wegen Hochverrats angeklagt und war in Wien, später in Brünn inhaftiert. Nach einem halben Jahr aus Mangel an Beweisen freigesprochen, konnte er erst nach der Gründung der Tschechoslowakei auf seinen Posten zurückkehren. 1928 pensioniert, lebte B. in verschiedenen Orten (Brno, Kostelec na Hané, Branka, Ostravice). 1939 ließ er sich in Kostelec nieder. 1945 zum Nationalkünstler ernannt, hielt er sich jedoch von der Öffentlichkeit, die er gleichzeitig spöttisch kommentierte, fern. B.ʼ Ruf als Dichter begründeten Gedichte mit Themen aus dem schlesischen Alltagsleben und Beschreibungen gescheiterter Existenzen. Das visionäre und hymnische Pathos, gepaart mit Kritik, oft in Form eines Pamphlets, seine Verwendung von Dialekt und gesprochener Sprache sowie auch sein sprachlicher Konservatismus machen seine Texte bis heute lesenswert. Seine Gedichte wurden u. a. von →Leoš Janáček oder →Erwin Schulhoff vertont, einige widmete er seinem Freund Ondřej Boleslav Petr. Seine Texte richten sich gegen die Unterdrückung seiner tschechischen Landsleute, oft in einem antisemitischen Ton. Dennoch übersetzten u. a. Franz Werfel, Rudolf Fuchs oder Georg Mannheimer seine Texte und machten sie dadurch im deutschsprachigen Raum bekannt. B.ʼ Hauptwerk, „Slezské písně“ (zahlreiche Ausgaben), zählt nach wie vor zum tschechischen Literaturkanon.

Weitere W. (s. auch V. Ficek – A. Kučík, Bibliografie P. B., I. Dílo, 1953, II. Literatura o životě a díle P. B., 1958): Stužkonoska modrá, 1930; Přátelům a nepřátelům, ed. J. Dvořák u. a., 1958; Labutinka, ed. O. Králík, 1961. – Nachlass: Literární archiv PNP Praha, Muzeum Prostějovska v Prostějově, Prostějov, Slezské zemské muzeum v Opavě, Opava, alle CZ.
L.: Mladá fronta, Rovnost, Rudé právo, 18. 2. 1958; LČL; Masaryk; Otto; Otto, Erg.Bd.; O. Donath, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte der Juden in der Čechoslovakischen Republik 3, 1931, S. 37ff.; R. Fuchs, in: P. Bezruč, Schlesische Lieder, 1937, S. 7ff.; O. Králík, Kapitoly o Slezských písních, 1957; L. Šmíd, in: Křesťanská revue 25, 1958, S. 67f.; O. Králík, Text Slezských písní, 1963; B. proces 1915–18, ed. B. Pračka u. a., 2. erw. Aufl. 1964; Slezské písně v korespondenci 1898–1918, ed. J. Dvořák, 1967 (mit Bild); Bezručiana, ed. V. Ficek u. a., 1967; Slezské písně P. B. Historický vývoj textu, ed. O. Králík u. a., 1967; J. Urbanec, Mladá léta P. B., 1969; M. Jähnichen, Der Weg zur Anerkennung – Tschechische Literatur im deutschen Sprachgebiet 1861–1918, 1972, s. Reg.; O. Králík – V. Ficek, Kapitoly o P. B., 1978; Frýgickou čapku mám, ed. P. Marek, 1978; F. Buriánek, P. B., 1987 (mit Bild); A. Závodský, B. pozdní múzy, 1987 (mit Bild); J. Urbanec, P. B. – V. Vašek 1904–28, 1989; Z. Šmolka, Básník mezi legendami, mýtem a realitou, 2002; Z. Tomášková, Ortel samoty, 2003; J. Drozd, Otevřený dopis vědeckým literárním institucím, aneb Autoři Slezských písní, 2005; J. Knapík, V zajetí moci, 2006, s. Reg.
(V. Petrbok)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)