Bleiber, Fritz (Friedrich Wilhelm) (1898–1959), Rechtswissenschaftler

Bleiber Fritz (Friedrich Wilhelm), Rechtswissenschaftler. Geb. Wien, 19. 2. 1898; gest. Wien, 13. 5. 1959; röm.-kath. Sohn des Postamtsdirektors Friedrich Bleiber (geb. Wiener Neustadt, Niederösterreich, 3. 3. 1871; gest. Wien, 20. 4. 1950) und dessen Frau Mathilde Bleiber, geb. Fruhmann (geb. Wiener Neustadt, 7. 3. 1873; gest. Wien, 17. 2. 1907); zweimal verheiratet mit Eugenia Bertha Bleiber, geb. Richlik (Eheschließungen 1930 und 1956). – Bleiber studierte in Wien zunächst ab 1917 an der Philosophischen Fakultät Orientalistik und promovierte 1921 mit der Dissertation „Der Sprachschlüssel des Scheich Mahmud bin Adham“. Um eine diplomatische Laufbahn einzuschlagen, studierte er zusätzlich an der Konsularakademie. Angesichts des Zusammenbruchs der Habsburgermonarchie gab er seine diesbezüglichen Pläne auf und inskribierte 1921 an der Wiener Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Ab 1923 arbeitete er als Bibliothekar an der Universität, wo er die Bibliothek des Orientalischen Instituts betreute. 1927 promovierte er in den Staatswissenschaften. In den folgenden Jahren vertiefte er sein völkerrechtliches Wissen in Theorie und Praxis an der Völkerrechtsabteilung des Bundeskanzleramts, auf Sommerkursen an der Haager Akademie und während einer zweimonatigen Tätigkeit beim Sekretariat des Völkerbunds 1934. Bleiber war der engste Schüler des Völkerrechtlers Alexander Hold-Ferneck. Bereits 1933 reichte er die Schrift „Die Entdeckung im Völkerrecht“ als Habilitationsschrift an der Wiener Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ein. Das Verfahren zog sich über mehrere Jahre hin, erst Mitte 1935 erhielt er die Lehrbefugnis für Völkerrecht. Die Gutachten verfassten Alfred Verdross-Drossberg und Hold-Ferneck. Bleibers wissenschaftliche Leistung wurde von seinen Gutachtern unterschiedlich eingeschätzt, Hold-Ferneck sprach sich lobend aus, schlechter fiel die Bewertung Verdross-Drossbergs aus. 1942 wurde Bleibers Lehrbefugnis auf Rechtsphilosophie erweitert, eine Bestätigung des Reichsministeriums unterblieb. Bis 1942 arbeitete er als Bibliothekar an der Universität Wien, im selben Jahr wurde er nach Posen versetzt. 1943–45 war Bleiber Bibliotheksrat an der Universitätsbibliothek Kiel. Nach dem 2. Weltkrieg kehrte er nach Wien zurück, wo seine Lehrbefugnis wegen NSDAP-Mitgliedschaft (seit 1940, Aufnahmeantrag vom Frühjahr 1938) erlosch. Seine Versuche, sich abermals an der Wiener Fakultät zu habilitieren und seinen Bibliotheksposten zurückzubekommen, scheiterten aufgrund von internen Feindschaften. 1950 wurde Bleiber als Professor für Völkerrecht und Internationale Beziehungen an die Universität Kabul in Afghanistan berufen. 1958 kehrte er nach Wien zurück, wo er für das Bundesministerium für Äußeres tätig war. In der Literatur wird Bleiber als politischer Opportunist beschrieben, manche seiner Publikationen tragen stark antisemitische Züge, besonders „Siegmund Freud und die Psychoanalyse“, erschienen 1939 in den „Mitteilungen über die Judenfrage“. Bleiber publizierte sowohl zu juristischen als auch zu orientalistischen Themen. Hervorzuheben sind seine völkerrechtlichen Veröffentlichungen, etwa über „Die Entstehung der Völkerbundsatzung“ in Band 4 des „Handbuchs des Völkerrechts“ (1939) und sein „Handwörterbuch der Diplomatie und Aussenpolitik“ (1959). Er engagierte sich in der Volksbildung und gestaltete Mitte der 1930er-Jahre Radiosendungen zum freiwilligen Arbeitsdienst. Im Nationalsozialismus war er im Rahmen des Deutschen Volksbildungswerks, einer Abteilung der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude, tätig und hielt Vorträge zu Großbritannien, Italien und Frankreich. Nach dem Krieg verfasste Bleiber zahlreiche Rezensionen von wissenschaftlichen und belletristischen Werken für die „Wiener Zeitung“.

Weitere W.: Blockade und Konterbande, 1940; Das Recht als objektiver Wert, 1941.
L.: WZ, 21. 5. 1959; Th. König, Das Fulbright Program in Wien: Wissenschaftspolitik und Sozialwissenschaften am „versunkenen Kontinent“, phil. Diss. Wien, 2008, S. 161ff.; K. Staudigl-Ciechowicz – Th. Olechowski, in: Th. Olechowski u. a., Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938, 2014, S. 543ff.; UA Wien / Jur PA 283; Bundesarchiv Berlin / R/4901/24248.
(Kamila Staudigl-Ciechowicz)   
Zuletzt aktualisiert: 15.7.2024  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 12 (15.07.2024)