Bobek, Hans (1903–1990), Geograph und Kartograph

Bobek Hans, Geograph und Kartograph. Geb. Klagenfurt (Kärnten), 17. 5. 1903; gest. Wien, 15. 2. 1990; röm.-kath. Sohn eines Ober- und Zentralinspektors der privaten Südbahngesellschaft; in zweiter Ehe verheiratet mit Maria Fesl. – Nach Besuch des humanistischen Gymnasiums in Innsbruck wollte B. vorerst eine künstlerische Laufbahn einschlagen, studierte jedoch ab 1921 Geographie und Geschichte an der Universität Innsbruck; 1926 Dr. phil., 1927 Lehramtsprüfung aus Geschichte und Geographie. Kurzzeitig als Lehrer an der Oberrealschule in Innsbruck tätig, übernahm B. eine Assistentenstelle an der Universität Innsbruck, wo er sich mit alpiner Geomorphologie auseinandersetzte. Mit seiner 1928 publizierten Dissertation „Innsbruck, eine Gebirgsstadt, ihr Lebensraum und ihre Erscheinung …“ gilt er als Vorreiter der modernen Stadtgeographie, Stadt-Umland- und Stadt-Land-Interaktionsforschung. 1931 kam er als Assistent von →Norbert Krebs nach Berlin, wo er in den Kreis jener Wissenschaftler eintrat, die nach 1945 die Fachentwicklung im deutschsprachigen Raum bestimmten. Dort beschäftigte sich B. mit morphologischen Arbeiten und stieß zunächst, da er sich der vorherrschenden Lehrmeinung widersetzte, auf Ablehnung. Zu dieser Zeit unternahm er seine ersten Auslandsreisen, v. a. in den Iran, wo er sich mit Eiszeitforschung und Klimaverhältnissen befasste. 1935 habilitierte er sich an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin. 1940 zum Kriegsdienst eingezogen, diente B. bis 1943 bei der militärgeographischen Abteilung des Oberkommandos des Heeres und leitete die Arbeitsgruppe für den Vorderen und Mittleren Osten, später auch für Nordafrika, wodurch er u. a. Zugang zu den damals verfügbaren Karten und Luftbildern hatte. Geländekartierung und Luftbildinterpretationen wurden seine bevorzugten geowissenschaftlichen Arbeitsmethoden. Als außerplanmäßiger Professor war er 1944–45 bei Kommanden der Forschungsstaffeln eingesetzt. 1946–48 wirkte er an der Universität Freiburg im Breisgau, 1949 wurde er als o. Prof. an die Hochschule für Welthandel nach Wien berufen. 1951 trat er die Nachfolge Hugo Hassingers als Professor für Kulturgeographie am Institut für Geographie der Universität Wien an; 1962/63 Dekan, 1971 emeritiert. Gastprofessuren führten ihn 1952 nach Nordamerika, 1958/59 nach Teheran, 1963/64 an die TH München und 1973 nach Japan. 1954–83 war B. auch Obmann der Kommission für Raumforschung und Wiederaufbau an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Er pflegte Kontakte zu →Erik Arnberger, der später die technisch-kartographische Betreuung des ab 1955 von B. geplanten, wissenschaftlich und entwurfskartographisch geleiteten „Atlas der Republik Österreich“ (1960–80) übernahm. Die ursprünglich für fünf Jahre anberaumte Erstellung dauerte 1959–79 und umfasst 119 Tafeln. B.s wissenschaftliche Laufbahn spannt einen weiten Bogen über mehrere Teildisziplinen. Er begann in der Physischen Geographie, die er während seiner Zeit im Iran weiter betrieb. Basierend auf den Erfahrungen im Orient, begründete er im Fach Entwicklungsländerforschung und damit im Übergang zur Humangeographie seine nachhaltige „Theorie des Rentenkapitalismus“. In den 1950er-Jahren legte er den Grundstein für die Sozialgeographie im deutschsprachigen Raum. Hervorzuheben sind diesbezüglich seine Publikationen „Aufriß einer vergleichenden Sozialgeographie“ in den „Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien“ 91, 1950 und „Die Hauptstufen der Gesellschafts- und Wirtschaftsentfaltung in geographischer Sicht“ in „Die Erde“ 90, 1959 (englisch 1962). Ebenso richtungweisend waren als Ergebnis dreier Erhebungen 1959–73 B.s Analyse „Das System der zentralen Orte Österreichs“ (1978) und „Zentrale Orte Österreichs II“ (1983), die er mit seiner zweiten Frau veröffentlichte. Begriffe und Ergebnisse bildeten eine Grundlage der Raumordnungspolitik der 1960er- und 1970er-Jahre. B. war Mitbegründer der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung von Landesforschung und Landesplanung und der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien 1975. 1952 wurde er zum korrespondierenden, 1953 zum wirklichen Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW gewählt. Weiters war er u. a. ab 1953 korrespondierendes Mitglied der Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover, ab 1968 korrespondierendes Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Mitglied der World Academy of Art and Science. 1962–65 Präsident, ab 1971 Ehrenmitglied und ab 1973 Ehrenpräsident der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, erhielt er 1978 deren Franz von Hauer-Medaille; 1978 Dr. h. c. der Ruhr-Universität Bochum.

Weitere W. (s. auch Hartke): Einige Bemerkungen zum besseren Verständnis meines wissenschaftlichen Lebensweges, in: Geographischer Jahresbericht aus Österreich 48, 1989 (m. B. u. W.).
N.: Die Presse, 24./25. 2. 1990; E. Lichtenberger, in: Almanach Wien 140, 1990, S. 351–364 (m. B.); dies., in: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 132, 1990, S. 238–248 (m. B.).
L.: Amtsblatt der Stadt Wien, 25. 5. 1963; Czeike; Kürschner, Gel.Kal., 1950, 1987; W. Hartke, Der Weg zur Sozialgeographie. Der wissenschaftliche Lebensweg von Professor Dr. H. B., in: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 105, 1963, S. 5–22 (m. W.); Internationales Soziologenlexikon 2, 2. Aufl. 1984; Österreich in der Welt, die Welt in Österreich ..., ed. I. Kretschmer – G. Fasching, 2006, S. 54 (m. B. u. L.); Materialiensammlung ÖBL, Wien; UA, Innsbruck, Tirol; Mitteilung Maria Bobek-Fesl, Wien.
(W. Kainrath)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)