Böhm, Hans Ludwig (1890–1950), Photograph und Chemiker

Böhm Hans Ludwig, Photograph und Chemiker. Geb. Wien, 14. 2. 1890; gest. London (GB), 18. 9. 1950; mos., ab 1894 evang. HB. Sohn des Amateurphotographen und Beamten im Handelsministerium Kommerzialrat Julius Böhm (geb. 27. 12. 1856; gest. 1929) und der Eugenie Böhm, geb. Pink (geb. 26. 6. 1868; gest. Wien, 14. 4. 1941); verheiratet mit Valerie Böhm, geb. Kaiser. – Die Familie übersiedelte 1901 nach Berlin, wo B. nach Absolvierung des Gymnasiums 1909 Physik und Chemie an der Universität studierte; 1913 Dr. phil. mit der Arbeit „Ueber den Einfluss ultravioletter Strahlen auf Gemische von Ozon und Wasserstoff“. Bereits 1900 begann er auf Anregung seines Vaters mit einer Brownie von Kodak zu photographieren: 1912 oder kurz davor lichtete er die Inszenierung des „Sommernachtstraums“ von →Max Reinhardt in Berlin ab, daneben entstanden Porträts von Bühnenkünstlern, die als Postkarten vertrieben wurden. 1915 kehrte B. nach Wien zurück und wurde zum Militärdienst eingezogen. Nach Kriegsende photographierte er weiter am Theater und wurde Wiener Korrespondent der Berliner Zeitschrift „Das Theater“. 1923 schenkte er der neu gegründeten Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek seine Sammlung von Theaterphotographien mit rund 2.200 Stück und erweiterte diese in der Folge ständig. Ab 1924 verwendete B. für seine Aufnahmen die neue Ermanox-Kamera der Firma Ernemann, die mit einem besonders lichtstarken Objektiv ausgerüstet war, und schuf damit weltweit als Erster Bühnenaufnahmen während einer Vorstellung. Diese Szenenbilder wurden in der 2. Hälfte der 1920er-Jahre in der zeitgenössischen Illustrierten- und Fachpresse mehrfach veröffentlicht. Daneben photographierte B. auch städtische Szenen bei Nacht mit einer Technik, die mit jener der Geheimkamera Ergo der Firma Contessa-Nettel vergleichbar war, und publizierte in einschlägigen Fachzeitschriften mehrere Artikel über das Arbeiten mit lichtstarker Optik. Im Oktober 1926 ging er nach Berlin zurück und wirkte dort weiter als Bühnenphotograph: Dabei suchte er als Motive die Höhepunkte der Inszenierung, bevorzugte aber zugleich serielle Aufzeichnungen. B. folgte insgesamt einer dokumentarischen Auffassung und legte kaum Wert auf bildästhetischen Ausdruck. Zusätzlich beschäftigte er sich mit dem Film, gründete 1928 die Theater- und Film Verlagsgesellschaft Böhm & Co. und wurde Mitbegründer sowie Verwaltungsmitglied des Tonbild-Syndikats (Tobis) in Berlin. Er setzte sich für die Vereinheitlichung unterschiedlicher Tonfilmsysteme ein, arbeitete 1930/31 bei einer Filmfirma in England und bekleidete anschließend leitende Funktionen in Berliner Filmgesellschaften. 1933 übersiedelte er nach Wien, gründete die Firma Wiener Filmdienst, Dr. Hans Ludwig Böhm und vertrieb Werbefilme. Im Oktober 1936 wanderte er nach England aus, wo er in London die Zeitschriften „Fanfare“ sowie 1937–44 „Cinegram“ bzw. „Cinegram preview“ herausgab und bis zu seinem Tod als Verleger tätig war.

W.: Mimisch-psychologische Studien mit Reißzeug und Kamera, in: Das Bild 10, 1914 (gem. mit W. Scheffer); Der Schnellphotograph in der Loge, in: Die Bühne, 1924, Nr. 1; Photographie bei Nacht, 1928. – Ed.: Die Wiener Reinhardt-Bühne im Lichtbild. Erstes Spieljahr 1924/1925, (1926); F-F-Film-Führer, 1928ff.
L.: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft 1, 1930; G. Piffl, in: Von der Pose zum Ausdruck. Theaterfotografie 1900–30, ed. B. Lesák, Wien 2003, S. 21ff. (Kat.); T. Starl, Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945, 2005; G. Piffl, in: Fotoindustrie und Bilderwelten, ed. K. Vincenz, 2008, S. 101ff.; S. Benito-Sanchez, „Pressefotografen zwischen den Weltkriegen …“, phil. DA Wien, 2009, S. 48f.; T. Starl, Bio-Bibliografie zur Fotografie in Österreich (nur online, Zugriff 20. 8. 2015); Mitteilung Gerald Piffl, Wien; IKG, Wien.
(T. Starl)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)