Börnstein, Heinrich (1805–1892), Journalist

Börnstein Heinrich, Journalist. Geb. Hamburg, Freie Reichsstadt (D), 4. 11. 1805; gest. Wien, 10. 9. 1892; evang. AB. Onkel von →Karl Bukovics von Kis-Alacska. – B. kam 1813 mit seinen Eltern nach Österreich, besuchte die Schule in Lemberg und trat 1821 als Kadett in ein Infanterieregiment ein, verließ aber die Armee, angeblich wegen einer Duell-Affäre, wieder. 1826 wandte er sich dem Journalismus zu, zunächst als Mitredakteur bei →Adolf Bäuerles „Allgemeiner Theaterzeitung“, dann als Mitarbeiter des Unterhaltungsblatts „Der Sammler“, des „Wanderers“ und von →Johann Valentin Schickhs „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“. Daneben interessierte er sich für das Theater und wurde zugleich mit dem Beginn seiner journalistischen Tätigkeit auch Sekretär des Theaterdirektors Karl Carl (→Karl Bernbrunn). 1828 am Lemberger Theater u. a. als Regisseur, Schauspieler und Theaterautor tätig, leitete er ab 1829 nacheinander die Theater von Ofen, Temeswar, Laibach, Linz (1830–38), Triest und Agram, wo er sich um den Aufbau eines kroatischen Theaters bemühte. 1841 (oder 1842) ging B. nach Paris, wo er zunächst als Regisseur am Théâtre Ventadour wirkte und kurz darauf ein Übersetzungsbüro einrichtete, um neue Stücke der Pariser Bühne mit unglaublicher Schnelligkeit an die deutschen Theaterdirektionen zu vertreiben (z. B. wurde 1843 in Wien seine Bearbeitung des Lustspiels „Die unsichtbare Beschützerin“ von Alexandre Dumas erfolgreich aufgeführt). Er betrieb auch eine kleine lithographische Korrespondenz, die, gemeinsam mit der von Charles-Louis Havas 1835 übernommenen Correspondance Garnier, den Ursprung der ersten europäischen Nachrichtenagentur Agence Havas bildete. Als emigrierter Österreicher startete er, angeblich mit finanzieller Hilfe Giacomo Meyerbeers, im Jänner 1844 die bald führende kommunistische deutschsprachige Pariser Emigrantenzeitung „Vorwärts!“, für die auch Heinrich Heine, Michail Bakunin, Friedrich Engels und Karl Marx schrieben und die damals, nach eigenen Angaben, als das einzige radikale deutschsprachige Blatt Europas galt. Nachdem er im Jänner 1845 aus Paris ausgewiesen worden war, arbeitete B. als Korrespondent für die „New-York Tribune“ und die „Deutsche Schnellpost“, ebenfalls New York. Am Beginn der Revolution hielt er sich vielleicht auch in Wien auf, wandte sich aber bald wieder nach Paris, wo er den Vorsitz der Gesellschaft der deutschen Demokraten in Paris übernahm. Später beteiligte er sich angeblich als General aktiv an der Revolution 1848 in Deutschland und musste nach deren Ende im Dezember in die Vereinigten Staaten flüchten, wo er sich zunächst in New Orleans, später in Illinois aufhielt. 1851–63 leitete er in St. Louis die deutschsprachige Zeitung „Anzeiger des Westens“, die ihm einige Zeit auch gehörte. 1859 gründete er dort das Deutsche Theater, musste es aber nach dem Beginn des Bürgerkriegs 1861 schließen und stellte das 2. Missouri Regiment auf, zu dessen Colonel er gewählt wurde. Nach dem Bürgerkrieg gründete er den „Neuen Anzeiger des Westens“, ging später als Korrespondent der „Westlichen Post“ (St. Louis) und anderer Zeitungen wieder nach Europa und amtierte in der Folge als US-amerikanischer Konsul (bis 1866) in Bremen. 1869 kehrte B. nach Wien zurück, wo er mit seinem Neffen Bukovics zwei Jahre lang das Josefstädter Theater leitete. Danach wandte er sich neuerlich dem Journalismus zu und war u. a. Korrespondent der „Illinois Staats-Zeitung“ und der „Westlichen Post“. Seine Erinnerungen zählen zu den wertvollsten Quellen zum Leben der „Achtundvierziger“ in den USA.

L.: NFP, 11. 9. 1892; Brümmer; Eisenberg 1; Kosch, Theaterlex.; C. Wittke, Refugees of Revolution: The German Forty-Eighters in America, 1952, s. Reg.; Hrvatski biografski leksikon 2, 1989; J. Got, Das österreichische Theater in Lemberg im 18. und 19. Jahrhundert 1–2, 1997, s. Reg.; Memoirs of a Nobody …, ed. St. Rowan, 1997 (mit Bild); D. L. Padberg, in: „welt macht theater“. Deutsches Theater im Ausland vom 17.-20. Jahrhundert … 1, ed. H. Fassel – P. S. Ulrich, 2006, S. 187ff. (mit Bild); Th. Logge, Zur medialen Konstruktion des Nationalen. Die Schillerfeiern 1859 in Europa und Nordamerika, 2014, s. Reg.; M. Kühn – G. Behrens, 1848/49 Revolutionsflüchtlinge in den Vereinigten Staaten von Amerika, www.uni-oldenburg.de/nausa/1848/namen48b.htm (mit Bild, Zugriff 10. 2. 2015).
(Th. Venus)   
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)