Bor, Jan (1886–1943), Regisseur, Dramatiker, Theatertheoretiker und -kritiker

Bor Jan, Regisseur, Dramatiker, Theatertheoretiker und kritiker. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 16. 2. 1886; gest. Zamost, Protektorat Böhmen und Mähren (Hluboká nad Vltavou – Zámostí, CZ), 25. 3. 1943. Hieß eigentlich Jan Jaroslav Strejček. Sohn eines Mittelschullehrers für Zeichnen, 1913–33 mit der Sängerin Olga Valoušková (1886–1975), ab 1934 mit der Sängerin Emilie Hruba verheiratet, Vater des Sängers, Filmdramaturgen, Drehbuchautors und Musikkritikers Vladimír Bor (geb. 1915) sowie des Theaterregisseurs und direktors Jan Strejček (1920–2004). – B. maturierte 1904 an einem Prager Gymnasium und begann anschließend Slawistik und Komparatistik an der tschechischen Universität zu studieren. 1905 wechselte er zum Philologiestudium zu →Vatroslav von Jagić nach Wien, 1907 nach Leipzig. Erst 1926 beendete er sein Studium in Prag mit einer Dissertation über die Anfänge des tschechischen Dramas. Praktische Erfahrungen im Theaterbereich sammelte B. 1908–14 in Deutschland, wo er unter →Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin sowie für Otto Brahms Freie Bühne tätig war und František Zavřel am Berliner Theater am Nollendorfplatz und am Münchner Künstlertheater assistierte. In dieser Zeit schrieb B. auch Theaterkritiken für „Samostatnost“, „Pokroková revue“ und „Vinohradské listy“ und war 1913–15 Redakteur der Revue „Scéna“. Während des 1. Weltkriegs an der galizischen Front und in Italien stationiert, desertierte er aus der österreichisch-ungarischen Armee, trat im Oktober 1918 in die tschechoslowakische Legion ein und befehligte als Oberleutnant eine Kompanie (1919 im Rang eines Hauptmanns demobilisiert). Anschließend wurde er Regisseur und Dramaturg sowie 1921 künstlerischer Leiter des Švanda-Theaters in Prag, wechselte 1924 als Regisseur an das Städtische Theater, dessen künstlerischer Leiter er 1930–36 war, und kam 1939 als Schauspiel-Chef an das Nationaltheater in Prag. Der vom psychologischen Theater Brahms und Konstantin Sergejewitsch Stanislawskis beeinflusste B. zählte zu den wichtigsten Repräsentanten der modernen tschechischen Theaterregie. Er inszenierte neben dem klassischen Repertoire Werke zeitgenössischer tschechischer Autoren (Jaroslav Hilbert, Jiří Mahen, František Langer etc.) und adaptierte antike Schauspiele (Aristophanes, Aischylos u. a.) für die Bühne, insbesondere jedoch Romane russischer Schriftsteller, wie etwa Leo Tolstois „Anna Karenina“ und „Auferstehung“ oder Fjodor M. Dostojewskis „Der Idiot“. 1928 erhielt er den Staatspreis für die Dramatisierung und Regie von Dostojewskis „Schuld und Sühne“, 1931 für die Regie von dessen „Die Brüder Karamasow“. B. übersetzte Werke Frank Wedekinds, August Strindbergs und Friedrich Hebbels ins Tschechische. Kurz vor dem Münchner Abkommen 1938 drehte er den Film „Neporažená armáda“ über die tschechoslowakische Armee, der zum Widerstand gegen die Deutschen aufrief. Sein Drama „Zuzana Vojířová“ (1942) war zur Zeit der Okkupation das erfolgreichste am Nationaltheater aufgeführte Werk. B. wurde mit dem St.-Sava-Orden III. Klasse ausgezeichnet.

W. (s. auch LČL): Macecha. Skizza, 1904; E. Vojan. Kritické kapitoly, 1907; M. Laudová, 1914; B. Zakopal, 1924; Cestou k jevišti, 1927; Theaterkritiken; etc.
N.: Čteme 5, 1943, S. 61f. (m. B.).
L.: LČL; Otto, Erg.Bd.; Album representantů všech oborů veřejného života československého, red. F. Sekanina, 1927 (m. B.); Československo – Biografie, Ser. 24, 1940; Biografický slovník českých zemí 6, 2007.
(E. Offenthaler)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)