Bormann, Emma (Wilhelmine Margarete); verheiratete Milch (1887–1974), Graphikerin und Malerin

Bormann Emma (Wilhelmine Margarete), verheiratete Milch, Graphikerin und Malerin. Geb. Döbling, Niederösterreich (Wien), 29. 7. 1887; gest. Riverside, CA (USA), 28. 12. 1974; evang. AB. Tochter von →Eugen Bormann und seiner zweiten Gattin Auguste Bormann, geb. Rohrdantz (1850–1938), Mutter von Uta Milch, verheiratete Schreck (1925–2009), und Jorun Milch, verheiratete Johns; ab 1924 verheiratet mit dem Arzt, Maler und Graphiker Dr. Eugen Milch (geb. 1889; gest. Kronkolonie Hongkong / CHN, 1958). – Die Familie übersiedelte 1900 nach Klosterneuburg. B. wurde 1904–06 privat von Rudolf Egger unterrichtet, legte 1911 die Matura als Externe am Staatsgymnasium in Klagenfurt ab und studierte 1911-13 sowie 1915-16 Germanistik sowie Vor- und Frühgeschichte an der Universität Wien; 1917 Dr. phil. in Urgeschichte. Ab 1900 erhielt sie privaten Malunterricht bei →Franz Rumpler, 1906 nahm sie Schauspielunterricht an der Schauspiel- und Opernschule Otto. 1912–16 sowie 1920–23 absolvierte B. als ao. Schülerin die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt bei →Ludwig Michalek und 1920/21–22/23 bei →Alfred Cossmann. 1917/18 besuchte sie zudem die Kunstgewerbeschule in München und 1933/34–35/36 die Werkstätte für Emailarbeiten von →Josef Hoffmann in der Kunstgewerbeschule in Wien. Bereits 1918 erhielt B. einen Lehrauftrag an den Privaten Münchner Lehrwerkstätten, früher Debschitz-Schule, 1929–37 unterrichtete sie als Lektorin an der Universität Wien Zeichnen. Ab 1920 unternahm sie ausgedehnte Reisen in ganz Europa, 1936 besuchte sie die USA. Dabei entstanden neben Bleistift- und (aquarellierten) Pinselzeichnungen sowie Gouachen vorwiegend Holz- und oft handkolorierte Linolschnitte, viele davon in niedrigen Auflagen, da die Künstlerin Handdrucke bevorzugte. Charakteristisch für B.s Städte- und Landschaftsansichten sind durch Vogelperspektive sichtbar gemachte architektonische und landschaftliche Raummuster (Wien, Am Hof, Holzschnitt 1919; Chicago, Outer Drive, Linolschnitt, um 1937). Ein wiederkehrendes Motiv sind auch Menschen- und Verkehrsströme in Ballungsräumen, deren Fließen sie visualisiert, indem sie mit eng gesetzten Punkten ein Flirren im Auge des Betrachters erzeugt (Pittsburg, Incline, Holzschnitt, um 1937). 1922 veröffentlichte B. einen „Brieflichen Lehrgang des Skilaufes“ und 1927 im Selbstverlag eine Mappe mit Ansichten der Beethovenhäuser in Wien und Umgebung, beides in Holzschnitt. Ebenfalls im Selbstverlag erschien 1933 „Die vielgeliebten Ski. Neue Lieder zu alten Melodien mit Scherenschnitten geziert“. Zudem entstanden in den 1920er- sowie 1930er-Jahren Radierungen, Litho- und Serigraphien und Wiener Ansichten sowie Landschaften in Öl und Tempera. Ab 1920 stellte sie regelmäßig in Europa und den USA aus, Personalausstellungen fanden u. a. 1924 in Stockholm, 1930 in Buffalo, New York und 1937 in Chicago statt. Als sie 1939 ins Visier der Nationalsozialisten geriet, folgte sie ihrem Mann, der seit 1937 als Arzt im Krankenhaus einer privaten Mission im südchinesischen Pakhoi arbeitete. Nach der Besetzung der Provinz Guanxi durch Japan flüchtete die Familie 1942 nach Shanghai, dort trennten sich ihre Wege. Eugen Milch nahm eine Stelle im Privatspital einer Mission in der Provinz Fujian an, B. blieb mit den beiden Töchtern in Shanghai. Hier entstanden neben Holz- und Linolschnitten, u. a. von Aufführungen der Peking-Oper und Szenen aus Shanghai, auch Ansichten der Stadt in Öl. 1943 und 1948 besuchte sie Peking und hielt die architektonischen Monumente der Verbotenen Stadt fest (z. B. den Himmelstempel in Peking, als Holzschnitt und in Öl, o. J.); 1944 publizierte sie eine Peking-Mappe mit Holzschnitten. Nach Gründung der Volksrepublik China 1949 übersiedelte B. nach Hongkong, 1950 reiste sie über Japan, Hawaii und die USA nach Europa (1950 Berlin, 1951 Italien, 1952 Stockholm) und besuchte auch ihre Heimatstadt Klosterneuburg. Ab 1953 lebte B. mit ihrer Tochter Uta in Tokio. Nach letzten Holz- und Linolschnitten in den frühen 1960er-Jahren wandte sie sich dem als Serigraphie vervielfältigten Schablonendruck zu, es entstanden Stadt- und Architekturansichten, v. a. aber Arbeiten zu den japanischen darstellenden Künsten (Tokyo Imperial Court Orchestra, Schablonendruck, um 1960) und religiösen Riten und Bräuchen. Zwischen 1958 und 1974 pendelte B. zwischen Japan und Riverside, wo ihre Tochter Jorun lebte. Während einer Reise nach Mexiko 1958 entstand eine Serie von Gouachen, 1962 inspirierte sie eine Reise nach Hongkong, Thailand und Kambodscha zu großformatigen Ölbildern. 1963 nahm sie an einer Ausstellung der Gesellschaft bildender Künstler Wien, Künstlerhaus, teil und wurde 1965 Mitglied dieser Vereinigung. Weiters war sie ab 1922 Mitglied im Verein heimischer Künstler Klosterneuburgs, ab 1936 gehörte sie der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs an, ab 1961 dem Klosterneuburger Künstlerbund. 1947 präsentierte die Smithsonian Institution, Washington, B.s Werk, 1949 folgte eine Ausstellung im Chinesisch-Österreichischen Kulturverband in Nanjing, 1953, 1964 und 1968 eine Personalausstellung in Wien in der Österreichischen Staatsdruckerei, 1957 eine weitere in Tokyo. B.s Arbeiten befinden sich in zahlreichen Museen und Institutionen weltweit: Albertina, Wien Museum, Österreichische Galerie Belvedere (alle Wien), Stadtmuseum Klosterneuburg, British Museum, Victoria and Albert Museum (beide London), Museum of Fine Arts (Boston), Metropolitan Museum of Art (New York), Rijksmuseum (Amsterdam), Moravská galerie (Brno), Muzej moderne i suvremene umjetnosti (Rijeka), Yokohama Museum of Art, Riccar Art Museum (Tokio), National Gallery of Victoria (Melbourne), Museum of the City of New York u. a.

L.: AKL; Czeike; Fuchs, Geburtsjgg.; ÖKL; Vollmer; C. Karolyi – A. Smetana, Aufbruch und Idylle, 2004; M. Angrosch – M. Schild, in: Pionierinnen der Wissenschaft und Klosterneuburg, ed. W. Heindl – E. Specht, Klosterneuburg 2005, S. 61ff. (Kat.); M. Ivanišević, in: Kulturna baština 33, 2006, S. 37ff.; G. Kaminski, Der Pinsel hinterlässt Spuren. Das Vermächtnis von E. B., 2006; U. Müksch, in: Österreichisches Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgrafik 67, 2011–12, S. 60ff.; U. Müksch, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, NF 22, 2015, S. 121ff.; biografiA. Lexikon österreichischer Frauen 1, 2016; A. Johns, The art of E. B., 2016; evang. Pfarre Wien-Innere Stadt, UA, beide Wien.
(C. Karolyi)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)