Bosse, Walter (1904–1979), Keramiker und Kunsthandwerker

Bosse Walter, Keramiker und Kunsthandwerker. Geb. Wien, 13. 11. 1904; gest. Iserlohn (D), 17. 12. 1979; evang. Sohn des akademischen Malers Julius Bosse (1873–1914) und der akademischen Malerin Louise Bosse, geb. Köck (1878–1929); 1931–37 verheiratet mit der Keramikerin Beatrix Bolla (1906–1989). – B. absolvierte die Staatsrealschule in Kufstein und ging anschließend nach Wien an die Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Hier studierte er 1919–22 bei →Franz Čižek (Jugendkunstklasse) und Michael Powolny (Keramik). Ein Semester an der Münchner Kunstgewerbeschule bei Richard Riemerschmid und Adelbert Niemeyer 1922 ergänzte die Ausbildung. Bereits ab 1919 unterhielt B. eine Keramik-Werkstätte in Kufstein, arbeitete ab 1921 mit der Wiener Werkstätte und ab 1924 mit der Porzellanmanufaktur Augarten zusammen. 1925 fiel er mit seinen Tiergrotesken auf der Pariser Kunstgewerbeausstellung auf. 1927 begann die Kooperation mit der Wiener Keramikfirma Goldscheider, im selben Jahr auch die mit der Porzellanmanufaktur Metzler & Ortloff in Ilmenau (jeweils bis 1938). Ebenso sind Entwürfe für die Tonindustrie Scheibbs überliefert. Zwischen 1939 und 1969 bereicherte B. das Sortiment der für die „Hummelfiguren“ bekannten Firma W. Goebel aus Oeslau bei Coburg. Nach dem Konkurs der Kufsteiner Werkstätte 1937 gründete er im Jahr darauf die Firma Bosse-Keramik in Wien. Fünf Jahre lang diente er als Soldat im 2. Weltkrieg, richtete nach Kriegsende Geschäfte in Wien, Salzburg, Berchtesgaden und Kitzbühel ein und etablierte 1947 die Kommanditgesellschaft Terra, deren Produkte mit einer Gams als Warenzeichen gemarkt wurden. Neben Keramik ließ B. in der Folge auch Stoff-, Leder-, Glas- und Metallarbeiten erzeugen. Dennoch blieb der wirtschaftliche Erfolg aus und B. ging nach Deutschland: zunächst 1953 nach Weil am Rhein und 1955 nach Iserlohn. Neben seiner Tätigkeit für die Firma Goebel entwarf er ab 1953 für die Staatliche Majolika-Manufaktur Karlsruhe, ab 1958 für die Firma Achatit Schirmer in Köln und ab 1970 für die Porzellanfabrik Altenkunstadt. Mit seiner eigenen Firma Walter Bosse – Wien-Iserlohn verlegte er sich gänzlich auf den Werkstoff Metall und kreierte um 1965 den „Igel-Satzascher“, der ein großer Verkaufserfolg wurde. Dennoch musste er 1966 erneut Konkurs anmelden. Wenngleich B. weiterhin eine eigene Werkstatt betrieb, vergab er seine Entwürfe und Modelle zunehmend an Fremdfirmen in Lizenz. Die Metall-Objekte wurden etwa von der Firma Bronze Relief in Sümmern und dem Gießereibetrieb Kühn in Fröndenberg vermarktet. Sich häufende Plagiatsfälle führten dazu, dass B. in seinen letzten Lebensjahren zahlreiche Prozesse zur Durchsetzung seines Urheberrechts anstrengte und damit die Kriterien zur Schutzwürdigkeit kunsthandwerklicher Erzeugnisse verbessern half. B.s Keramiken zeigen v. a. Tierfiguren oder Tier-Mensch-Kombinationen. Sie erfüllen entweder rein dekorative Zwecke oder sind so konzipiert, dass sie darüber hinaus als Schale, Kerzenhalter oder Buchstütze dienen können. Diese Doppelfunktion wurde bei den patinierten Messing-Objekten (sogenannte schwarz-goldene Linie) noch weiter ausgereizt: Hände wurden zu Aschenbechern, Tiere zu Korkenziehern, Brezelhaltern, Gluttötern oder Pfeifenständern. B.s Hinwendung zum Metall ist dem Einfluss der Werkstätte Hagenauer zuzuschreiben, wodurch sich auch stilistische Annäherungen ergaben. B. war Mitglied des Österreichischen Werkbunds (1924–32) und des Bayerischen Kunstgewerbevereins München (1928–39). Seine Arbeiten befinden sich in zahlreichen Sammlungen wie z. B. dem Museum Kitzbühel, dem Keramikmuseum Scheibbs, dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe oder dem MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst in Wien.

Weitere W.: s. Schreyer-Hartmann.
L.: AKL; J. Grell, in: Keramische Rundschau 33, 1925, Nr. 38; A. Weiser, in: Deutsche Kunst und Dekoration 59, 1926/27, S. 193, 196f.; A. Kuhn, in: Deutsche Kunst und Dekoration 61, 1927/28, S. 377, 379; L. W. Rochowanski, Ein Führer durch das österreichische Kunstgewerbe, 1930, S. 88f., 130; Deutsche Kunst und Dekoration 67, 1930/31, S. 67, 71; W. Neuwirth, Wiener Keramik. Historismus, Jugendstil, Art Déco, 1974; W. J. Schweiger, Die Wiener Werkstätte. Kunst und Handwerk 1903–32, 1982, S. 259; D. Zühlsdorff, Markenlexikon 1, 1988, S. 398; C. Schreyer-Hartmann u. a., W. B. Leben, Kunst und Handwerk 1904–79, 2000 (mit Bild); Tirols Künstler 1927, ed. E. Hastaba, 2002; J. Figiel – P. Schmitt, Karlsruher Majolika, 2004, S. 53, 70; Website Porzellanmanufaktur Augarten Wien (mit Bild, Zugriff 27. 4. 2018).
(A.-K. Rossberg)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)