Brachelli Hugo Franz Ritter von, Statistiker und Beamter. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 11. 2. 1834; gest. Wien, 3. 10. 1892 (Ehrengrab: Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Gubernialsekretärs Franz Brachelli. – B. studierte 1850–54 Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien (1857 Dr. phil. an der Universität Jena) und trat 1855 in die Direktion der administrativen Statistik in Wien (ab 1863 Statistische Zentralkommission) ein. Als Mitarbeiter von →Karl Czoernig von Czernhausen nahm er u. a. an den Vorbereitungen und Arbeiten des Internationalen Statistischen Kongresses in Wien (1857) teil. Aufgrund wissenschaftlicher Veröffentlichungen wie „Die Staaten Europa’s in kurzer statistischer Darstellung“, 1853 (5. Aufl. 1907), wurde er 1860 zum ao. Prof. und 1863 zum o. Prof. des Verfassungs- und Verwaltungsrechts und der Statistik am Wiener Polytechnikum Wien ernannt; 1878/79 Rektor. 1869 übernahm B. zusätzlich die Lehrkanzel für Staatsrecht und Statistik am Militärintendanz- und am höheren Artillerie- und Geniekurs. Ab 1863 war er ao. Mitglied, 1872 o. Mitglied der Statistischen Zentralkommission. Im selben Jahr wurde er auch mit der Errichtung des statistischen Departements im Handelsministerium betraut; 1873 tit. Hofrat, 1890 Ministerialrat extra statum. An der Errichtung der Permanenz-Kommission für die Handelswerte 1877, deren Präsident er bis zu seinem Lebensende war, hatte B. einen großen Anteil. Als Leiter der staatlichen Handelsstatistik scheiterte er mit seinem Vorhaben, die cisleithanische Volkszählung von 1890 mit einer industriestatistischen Erhebung zu verbinden. Es gelang ihm aber, die von der Statistischen Zentralkommission lange geforderte Reform der Außenhandelsstatistik des österreichisch-ungarischen Zollgebiets durchzusetzen: 1891 trat das von B. redigierte Gesetz in Kraft, in dem die statistische Deklarationspflicht beim Warenverkehr mit dem Ausland eingeführt und mit dem eine entscheidende Grundlage für die Erstellung einer Handelsbilanz gelegt wurde. Für die zentralisierte Bearbeitung der neuen Handelsstatistik wurde ein eigenes statistisches Büro geschaffen, dessen Leitung B. übernahm. In seiner umfangreichen Publikationstätigkeit, die auch die Redaktion amtlicher Veröffentlichungen wie ab 1872 der Zeitschrift „Austria – Archiv für Gesetzgebung und Statistik …“ umfasste, konzentrierte sich B. auf die deskriptive Darstellung staatlicher, ökonomischer und kulturgeographischer Zustände. Deren Veränderungen suchte er durch mehrfache Neubearbeitungen seiner geographisch-statistischen Handbücher evident zu halten. Seine Arbeitsweise im Feld der Statistik lehnte sich an die ältere Tradition der beschreibenden Staatenkunde an. Durch rege Kongressteilnahme erwarb sich B. international einen hervorragenden Ruf als Fachbeamter. So wurde er etwa auf dem Internationalen statistischen Kongress in Budapest (1876) damit beauftragt, eine internationale Eisenbahnstatistik vorzubereiten. Die hierzu gebildete Kommission entwarf 1877–81 unter seiner Leitung ein Erhebungsformular, womit die statistischen Grundlagen für das 1890 in Bern abgeschlossene internationale Übereinkommen über das Eisenbahnfrachtrecht erhoben werden konnten. B., der der erste Präsident des Wiener Staatsbeamtencasinos war, wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. 1884 mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse und der Erhebung in den Ritterstand, 1891 Ritter des Leopold-Ordens. Weiters erhielt er 1873 den russischen Stanislausorden, 1875 den Annenorden 2. Kl. und 1879 den Ordre des Palmes Académiques. 1883 wurde er Kommandeur des italienischen St. Mauritius- und Lazarusordens, 1889 Ritter des preußischen Kronenordens II. Klasse; Ehrenmitglied der Royal Statistical Society in London.
L.: Statistische Monatsschrift 2, 1876, S. 119–121; Handwörterbuch der Staatswissenschaften 3, 4., gänzlich umgearbeitete Aufl. 1926; R. Lebmann – H. Helczmanovszki, Auf dem Gebiete der Bevölkerungsstatistik und Bevölkerungswissenschaft tätige Österreicher, 1986 (m. W.); AVA, TU, UA, WStLA, alle Wien; UA, Jena, D.