Brüll, Rudolf (1887–1957), Funktionär und Fabrikant

Brüll Rudolf, Funktionär und Fabrikant. Geb. Innsbruck (Tirol), 21. 9. 1887; gest. ebd., 7. 10. 1957; mos. Sohn des Gründers des gleichnamigen Möbelhauses Michael Brüll (geb. Gewitsch, Mähren / Jevíčko, CZ, 21. 8. 1856; gest. Innsbruck, 4. 1. 1919) und dessen Frau Nina Brüll, geb. Bauer (geb. Wien, 28. 8. 1859; gest. Innsbruck, 28. 12. 1931), Bruder des Möbelhändlers Felix Brüll (geb. Innsbruck, 10. 12. 1901; gest. ebd., 24. 11. 1984), Vater von Ilse Brüll (geb. Innsbruck, 28. 4. 1925; gest. KZ Auschwitz, Deutsches Reich/PL, 3. 9. 1942); ab 1919 verheiratet mit Julie Brüll, geb. Steinharter (geb. München, Deutsches Reich/D, 20. 9. 1894; gest. Innsbruck, 30. 11. 1971). – B. erlernte den Beruf des Tischlers und arbeitete im Innsbrucker Möbelhaus seines Vaters. Im 1. Weltkrieg rückte er, wie auch seine beiden Brüder, ein, diente als Kaiserschützenoffizier und wurde verwundet. 1918 übernahm B. von seinem Vater die Geschäfte und war im November 1923 an der Gründung des Vereins der jüdischen Kaufmannschaft Innsbrucks beteiligt. Diesem gehörten u. a. der Schuhhändler Julius Pasch als Obmann und Kaufleute wie Josef Bauer und Wilhelm Adler an. Nach dem „Anschluss“ von 1938 verlor die Familie für die Dauer der nationalsozialistischen Diktatur das Unternehmen, das zunächst kommissarisch von Ernst Wieser verwaltet und dann von Ernst Zoglauer arisiert wurde. Einer Vorladung bei der Gestapo im September 1938, im Zuge derer B. erstmals misshandelt wurde, folgten tätliche Angriffe während der Novemberpogrome. Er trug nach den Attacken durch eine von Karl Stanzel befehligte Gruppe Knochenbrüche davon, auch seine Frau wurde dabei verletzt. Anschließend verblieb er über zehn Tage in „Schutzhaft“. Ende Jänner 1941 wurden die Eheleute als letzte Innsbrucker Juden nach Wien zwangsumgesiedelt. Ihre Tochter befand sich, zusammen mit ihrer katholischen Cousine Ingeborg Brüll, nach einem Kindertransport zunächst im vermeintlich sicheren Kloster Eersel nahe Eindhoven in den Niederlanden. Im Gegensatz zu ihrer Cousine wurde Ilse Brüll ihr jüdischer Glaube zum Verhängnis, sie wurde deportiert und ermordet. Im Februar 1943 folgte auch die Deportation der Eltern ins Konzentrationslager Theresienstadt. Beide überlebten und kehrten Anfang 1946 über Wien nach Innsbruck zurück. Fortan setzte B. sich für den Wiederaufbau der Kultusgemeinde ein und wurde für das Land Tirol zum wichtigsten Ansprechpartner in dieser Frage. Außerdem trug er zur Aufklärung in den Gerichtsverfahren gegen den Tiroler Gauleiter Franz Hofer bei. B. forderte umfangreiche Renovierungsarbeiten für die verwüsteten Gräber der jüdischen Abteilung auf dem Innsbrucker Westfriedhof, worüber 1952 mit einer Einmalzahlung von 30.000 Schilling seitens der Stadt eine Einigung erzielt werden konnte. Die Verhandlungen zur Neuerrichtung der jüdischen Gemeinde zogen sich ebenfalls bis 1952 hin. Zur offiziellen Anerkennung als Religionsvertretung für Tirol und Vorarlberg bedurfte es neuer Statuten, deren Ausarbeitung 1955 abgeschlossen und die mit der Wahl B.s zum Vorsitzenden der Kultusgemeinde bestätigt wurden. Das restituierte Möbelhaus führte sein jüngerer Bruder Felix noch bis 1978 fort.

L.: „Wir lebten wie sie ...“. Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg, ed. Th. Albrich, 1999, s. Reg.; Judenbichl. Die jüdischen Friedhöfe in Innsbruck, ed. Th. Albrich, 2010, s. Reg. (mit Bild); Th. Albrich, Jüdisches Leben im historischen Tirol. Von ... 1918 bis in die Gegenwart, 2013, s. Reg. (mit Bild); Th. Albrich, Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck, 2016, s. Reg. (mit Bild); Hohenems Genealogie (mit Bild, online, Zugriff 30. 1. 2018); Jüdisches Museum Hohenems, Vorarlberg.
(R. Einetter)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)