Buchinger, Rudolf (1879–1950), Politiker und Landwirt

Buchinger Rudolf, Politiker und Landwirt. Geb. Staasdorf (Niederösterreich), 3. 3. 1879; gest. Tulln (Tulln an der Donau, Niederösterreich), 20. 2. 1950; röm.-kath. Sohn des Gastwirtsehepaars Josef Buchinger und Aloisia Buchinger, geb. Pichler. – Nach Besuch von zwei Klassen des Realgymnasiums trat B. in die Niederösterreichische Landes-Ackerbauschule Edelhof bei Zwettl ein. Nach dem frühen Tod seines Vaters musste er den elterlichen Hof übernehmen. 1889 war B. an der Gründung der Lagerhausgenossenschaft in Tulln beteiligt, als deren Obmann er 1917–22 fungierte. 1900 trat er seinen Wehrdienst an und kehrte nach acht Wochen Dienst zurück. 1905 war B. tatkräftig an der Errichtung des Vereins zum Milchkasino in Staasdorf beteiligt und wurde dessen Schriftführer und Kassier. Ebenso fungierte er 1912–21 als Vizebürgermeister von Staasdorf sowie 1913–22 als Kommandant der dortigen Freiwilligen Feuerwehr. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs rückte B. erneut ein, wurde jedoch aufgrund einer Fußverletzung für felduntauglich erklärt und zurückgestellt. 1917 zum Obmann der Tullner Lagerhausgenossenschaft gewählt, behielt B. dieses Amt bis 1922. Nach Kriegsende wurde er 1919 zum Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung gewählt. Bis 1930 war er als Mitglied der Christlichsozialen Partei Abgeordneter zum Nationalrat. Es folgte 1922 seine Bestellung zum Minister für Land- und Forstwirtschaft. Dieses Amt übte er unter den Bundeskanzlern →Ignaz Seipel und →Rudolf Ramek bis 1926 aus. 1922 wurde er auch mit der Leitung des Bundesministeriums für Volksernährung betraut. In diesem Amt blieb B. bis zur Auflösung des Ministeriums 1923. Danach wurde 1925 das Weingesetz novelliert und eine neue Pächterschutzverordnung erlassen. Die Staatsforste wurden im selben Jahr in die Bundesforste und somit in eine eigene Körperschaft überführt. Im selben Jahr wurden auch die technischen Angelegenheiten des Wasserrechts, des Wasserbaus, der Wasserstraßen und der Wasserwirtschaft aus dem Bundesministerium für Handel und Verkehr in das Land- und Forstwirtschaftsministerium übertragen. Weiters benutzte B. Mittel der Völkerbundanleihe zur Förderung von Genossenschaftsmolkereien. Nach seiner Mitwirkung in der Regierung konzentrierte er sich wieder auf das Genossenschaftswesen: Er wurde 1927 Obmann der niederösterreichischen landwirtschaftlichen Genossenschaftszentralkasse und Präsident der Girozentrale, 1931 Generalanwalt des Allgemeinen Verbands für das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen in Österreich, 1932 Mitglied des Generalrats der Österreichischen Nationalbank und war 1934–36 Mitglied des Bundeswirtschaftsrats. In den Vorstand des niederösterreichischen Bauernbunds wurde er 1929 gewählt. Mit dem „Anschluss“ 1938 verlor B. sämtliche Funktionen und Ämter. Während des 2. Weltkriegs hielt er sich zurückgezogen auf seinem Besitz in Staasdorf auf. Nach dem Krieg fungierte er von April bis September 1945 als Staatssekretär für Land- und Forstwirtschaft. Die kurze Dauer seiner zweiten Amtszeit lag in seinem schlechten Gesundheitszustand begründet. Nach seinem Ausscheiden aus der provisorischen Regierung wurde B. erneut Mitglied des Generalrats der Österreichischen Nationalbank, Präsident der Genossenschaftlichen Zentralbank (ehemals Girozentrale) und Präsident der Tullner Zuckerfabriks AG. Posthum wurde ihm 1950 das Ehrendoktorat der Wiener Hochschule für Bodenkultur verliehen.

W.: Die Betriebsformen der niederösterreichischen Landwirtschaft, 1929; Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen, 1931; Entstehung und Aufbau des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens in Niederösterreich und dessen epochaler Aufstieg in der Nachkriegszeit, 1937; Währungsschutzgesetz und Bauernschaft, 1947.
L.: F. Ott – W. Wieser, in: 100 Jahre Landwirtschaftsministerium, 1967, S. 97ff.; F. Hebenstreit, R. B., hist.-kulturwiss. DA Wien, 2010; Homepage des Österreichischen Parlaments (mit Bild, Zugriff 25. 4. 2018); AdR, Wien; Pfarre Tulln-St. Stephan, Niederösterreich.
(P. Swoboda)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)