Buresch, Karl (1878–1936), Politiker

Buresch Karl, Politiker. Geb. Grossenzersdorf (Groß-Enzersdorf, Niederösterreich), 12. 10. 1878; gest. Wien, 16. 9. 1936; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns und Landwirts Karl Buresch (1852–1899) und der Bauerntochter Rosa Buresch, geb. Schmid-Kietreiber (1856–1936), Vater des Diplomaten Eugen Buresch (geb. Wien, 9. 10. 1915; gest. ebd., 16. 2. 1999); verheiratet mit Irma Burian, der Tochter eines Offiziers. – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wien-Döbling (Matura 1897) studierte B. Jus an der Universität Wien; 1901 Dr. iur. Er wurde Rechtsanwalt und eröffnete 1910 eine Kanzlei in Grossenzersdorf. Dort gelangte er im Rahmen der Christlichsozialen Partei bzw. des Bauernbunds in die Politik, war ab 1909 Gemeinderat und 1916–19 Bürgermeister. Während des 1. Weltkriegs war B. zeitweise als Leutnant der Reserve eingerückt. Aus seiner kommunalpolitischen Position heraus wurde er in die Konstituierende Nationalversammlung gewählt und gehörte dieser 1919–20 an. Danach war B. 1920–34 Nationalratsabgeordneter. Daneben engagierte er sich in der niederösterreichischen Landespolitik. Nach dem Rücktritt von Landeshauptmann →Johann Mayer 1922 folgte B. ihm nach und behielt die Funktion bis 1933. In dieser Position vertrat er die finanziellen Interessen des Landes und pflegte ein gutes Verhältnis zu seinem sozialdemokratischen Stellvertreter Oskar Helmer. Allerdings geriet er 1924–26 wegen Spekulationsverlusten bei der von ihm gegründeten Bauernbank in die Kritik, wobei auch Vorwürfe der privaten Bereicherung erhoben wurden. Im Juli 1929 wurde er schließlich zum Klubobmann der Christlichsozialen Partei im Nationalrat gewählt und blieb in dieser Funktion mit kurzer Unterbrechung vom Frühjahr 1932 bis zum Mai 1934. Als solcher spielte er im Hintergrund eine wichtige Rolle bei der Ausschaltung des Nationalrats im März 1933. Neben dem Amt als Landeshauptmann war die Klubobmannschaft eine bedeutende Ausgangsbasis für seine Ernennung zum Bundeskanzler im Juni 1931. Nach dem Scheitern der Regierung Ender wegen der Creditanstaltkrise wurde der erfahrene Taktiker B. mit der Regierungsbildung beauftragt. Die wirtschaftlich desolate Situation sowie die Leere der Staatskassen stellten die gravierendsten Probleme dar. Viel Zeit verbrachte er in Genf beim Völkerbund, um Finanzhilfen zu bekommen. Inzwischen radikalisierte sich die österreichische Innenpolitik weiter: So putschte im September 1931 der steirische Heimwehrführer Walter Pfrimer und es begannen verstärkte Agitationen der Nationalsozialisten. Im Jänner 1932 verließen die Großdeutschen die Regierung und B. bildete nun eine Minderheitsregierung aus Christlichsozialen und Landbund. In den für seine Partei verlustreichen Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg und Wien konnten die Nationalsozialisten stark zulegen, worauf B. schließlich zurücktrat und wieder als Landeshauptmann von Niederösterreich fungierte. Sein Nachfolger als Bundeskanzler wurde →Engelbert Dollfuß. In dessen Kabinett wirkte er von Mai 1933 bis Oktober 1935 als Finanzminister, wobei er einige Erfolge erzielen konnte, doch führte seine Geldwertstabilitätspolitik zu einer hohen Arbeitslosenquote. Danach blieb er bis Jänner 1936 Bundesminister ohne Portefeuille. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik fungierte B. als Gouverneur der Postsparkasse.

L.: NDB; G. Enderle-Burcel, in: Die österreichischen Bundeskanzler, ed. F. Weissensteiner – E. Weinzierl, 1983, s. Reg. (mit Bildern); W. Goldinger – D. Binder, Geschichte der Republik Österreich 1918–38, 1992, S. 185ff.; W. Fritz, Für Kaiser und Republik, 2003, S. 193f.; G. Hartmann, Für Gott und Vaterland, 2006, S. 378ff.; Pfarre Groß-Enzersdorf, Niederösterreich.
(G. Hartmann)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 128
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