Burstyn, Gunther (1879–1945), Offizier

Burstyn Gunther, Offizier. Geb. Aussee (Bad Aussee, Steiermark), 6. 7. 1879; gest. Korneuburg (Niederösterreich), 15. 4. 1945 (Selbstmord); röm.-kath. Sohn des Vorstands der Bahnerhaltungssektion Aussee Adolf Burstyn (geb. Lemberg, Galizien / L’viv, UA, 28. 6. 1843; gest. Wien, 28. 8. 1917) und der Journalistin Julianna Burstyn, geb. Hoffmann (geb. Villach, Kärnten, 14. 2. 1844; gest. Wien, 3. 5. 1931), Bruder des Ministerialrats Werner Burstyn und von Walther Burstyn (geb. Admont, Steiermark, 2. 9. 1877; gest. Henningsdorf, DDR / D, 1961), der sich als Dr. der Physik der Universität Wien (1901) ab 1923 als ao. Prof. für Hochfrequenztechnik an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg in den Bereichen Funktechnik und Elektroakustik mit zahlreichen Erfindungen einen Namen machte; ab 1910 verheiratet mit Gabriele Burstyn, geb. Wagner (1888–1945). – Nach Besuch von Gymnasien in Budweis (České Budějovice) und Wien trat B. 1895 in die Pionierkadettenschule in Hainburg ein. 1899 ausgemustert, kam er als Kadett-Offiziersstellvertreter zum Eisenbahn- und Telegraphenregiment, wo er eine Spezialausbildung im Eisenbahn- und Brückenbau, in der Erhaltung und Wiederherstellung von Bahnstrecken sowie in der fachgerechten Zerstörung von Betriebsanlagen erhielt; 1900 Leutnant. 1902 wurde B. nach Pola (Pula) versetzt, 1904–06 besuchte er den höheren Geniekurs in Wien. 1906 Oberleutnant, wurde er dem Geniestab bei der Geniedirektion in Trient (Trento) innerhalb des Eisenbahn- und Telegraphenregiments zugeteilt, 1909–12 fungierte er als Subalternoffizier, danach bis 1913 als Interimskompaniekommandant. In diesem Jahr wurde er auch zum Hauptmann befördert. 1914 als technischer Adjutant zum Kriegsdienst einberufen, war er zunächst an der Ostfront mit dem Bau von Feldeisenbahnen und Brücken bzw. mit der Instandsetzung zerstörter Eisenbahnlinien beauftragt. 1916 ins österreichische Küstenland versetzt, kam er Anfang März 1918 zum Eisenbahnersatzbataillon nach Korneuburg und übernahm dort bis Ende September 1918 das Kommando der Motorfeldbahn (im November Major). Mit März 1919 kurzfristig in den Ruhestand versetzt, diente B. (ab 1921 Oberstleutnant) bis 1922 als Referent für Eisenbahnwesen in der Verwaltungsabteilung 5 der Heeresversorgungsstelle Wien, 1922–24 leitete er die Materialprüfungsstelle des Bundesheeres in Korneuburg und war gleichzeitig stellvertretender Anstaltsleiter der Technischen Zeugsanstalt. Danach fungierte er als Leiter der Abteilung für technische Exponate im Österreichischen Heeresmuseum in Wien. 1926 kam B. als Sachbearbeiter ins Bundesministerium für Heerwesen, wo er sich insbesondere mit der Weiterentwicklung der Panzerwaffe auseinandersetzte. 1934 zum Generalbaurat ernannt, musste er wegen eines Augenleidens frühzeitig pensioniert werden. Bedeutung erlangte B. als Erfinder: Seine Konstruktion eines geländegängigen gepanzerten und bewaffneten Fahrzeugs gilt heute als erstes Panzermodell, das zwar noch technische Mängel aufwies, die grundsätzlichen Kriterien Beweglichkeit, Panzerschutz und Feuerkraft aber erfüllte. Die Umsetzung des B.-Modells in die Praxis scheiterte in Österreich jedoch an Fachverständnis und an Finanzierungsmöglichkeiten, Ideen der Konstruktion fanden sich in geringem Maße in den britischen und vor allem in den französischen Tanks des 1. Weltkriegs wieder. 1912 erfand B. einen Pendelgefällsmesser, ein optisches Instrument zur raschen Messung von Hangneigungen, darüber hinaus Panzerfallen, Fangvorrichtungen für Kampfwagen, den sogenannten Durchbruchstank, ein extrem kleines, leichtes und geländegängiges Kampffahrzeug, Scheinperiskope und Panzerfähren. Letztere Erfindung präsentierte er aufgrund von Ablehnungen in Österreich 1941 →Adolf Hitler in Berlin, der 2. Weltkrieg verhinderte aber auch dort eine Umsetzung in die Praxis. B.s Rolle im Nationalsozialismus ist bis heute Gegenstand kontroversieller Diskussionen. Darüber hinaus machte sich B. als Publizist einen Namen. In frühen Jahren befasste er sich mit der Eisenbahntruppe, später rückten militär-strategische Themen wie Kampfwagen, Panzerabwehr, Verteidigungsstrategien, aber auch militärhistorische Themen wie die Geschichte der Kriegsbaukunst, die Aufgaben von Kriegsmuseen oder die 1. Türkenbelagerung in den Vordergrund. In der Pension entstand eine Reihe von Arbeiten rund um das Gebiet der Panzerwaffe. In seinen Publikationen hatte B. die Probleme der Entwicklung der Panzerwaffe und der Panzerabwehr umfassend erkannt und versucht, innovative und brauchbare Lösungsmöglichkeiten zu bieten, die bis weit ins 20. Jahrhundert Anwendung fanden. 1944 Dr. h. c. der Technischen Hochschule in Wien. Nach ihm ist die Burstynkaserne in Zwölfaxing südlich von Wien benannt.

W.: s. Angetter – Angetter.
L.: Wiener Neueste Nachrichten, 30. 11. 1940; Neuigkeits-Welt-Blatt, 21. 11. 1941; Münchner Neueste Nachrichten, 8. 2. 1942; NWT, 16. 6. 1944; Alpenpost, 6. 7. 1989; W. Albrecht, G. B. (1879–1945) und die Entwicklung der Panzerwaffe, 1973; R. L. Di Nardo, in: Military affairs 50, 1986, S. 12ff.; F. J. Kaupe, in: Korneuburger Kulturnachrichten 4, 1988, S. 8ff.; D. Angetter – E. Angetter, G. B. (1879–1945) – sein „Panzer“, eine bahnbrechende Erfindung zur falschen Zeit am falschen Ort, 2008 (m. B., W. u. L.); AdR, KA, Technisches Museum, WStLA, alle Wien.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 130
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Medien
Gedenktafel vor der Burstyn-Kaserne in Zwölfaxing
Der von B. entwickelte Pendelgefällsmesser
Eine von B. entworfene Panzerfalle

The Burstyn Motorgeschütz Tank