Castelliz, Alfred (1870–1940), Architekt

Castelliz Alfred, Architekt. Geb. Cilli, Steiermark (Celje, SLO), 20. 6. 1870; gest. Wien, 21. 12. 1940; röm.-kath. Sohn des Kreisgerichtsadjunkten Johann Nepomuk Castelliz und der Karoline Castelliz, geb. Spann; ab 1905 verheiratet mit Mathilde Niemann (geb. 1885), Tochter des Architekten und Professors an der Wiener Akademie der bildenden Künste →Georg(e) Niemann. – C. besuchte in Graz das Gymnasium und 1886–89 (gleichzeitig mit Jože Plečnik) die Staatsgewerbeschule. Wohl auf Empfehlung des Direktors →Karl Laužil trat C. im Wintersemester 1889/90 in die Klasse →Friedrich Freiherr von Schmidts an der Akademie der bildenden Künste in Wien ein und schloss das Studium 1892 unter →Victor Luntz ab. Anschließend arbeitete er in Architekturbüros wie jenem Gustav Neumanns, die sich vorrangig Restaurierungsvorhaben historischer Architektur widmeten. Bemerkenswerterweise trat der Schmidt-Schüler C. 1896 in die Spezialschule →Otto Wagners an der Akademie ein. Die lebenslange Freundschaft mit Plečnik, der 1894–98 bei Wagner studierte, muss spätestens damals begonnen haben. Zwar schied C. nach einem halben Jahr aus, seine Entwürfe (Kunstakademie am Heuberg bei Wien-Dornbach) oder spätere Wettbewerbsbeiträge (Kirche auf dem Wiener Zentralfriedhof, gemeinsam mit Karl Troll) zeigen sich jedoch stilistisch, motivisch und kompositorisch deutlich von den Formfindungen und dem Zeichenstil in Wagners Meisterklasse geprägt. Ebenso zeugen seine architekturtheoretischen Positionen vom Einfluss der Ideen Wagners, die er in eine weniger radikale Position umformulierte und in ein System zu integrieren versuchte, das stärker auf traditionellen Vorstellungen von Architektur basierte. Die bis zum 1. Weltkrieg geschaffenen Wettbewerbsprojekte und realisierten Bauten, die oft in Gemeinschaft mit Wilhelm Wohlmeyer entstanden, basieren auf der Tradition historischer Architektur, sind aber in einem Prozess der Vereinfachung und Reduktion so weit umgeformt, dass sie jeglichen Eklektizismus hinter sich lassen. Daneben entstanden Bauten in den gestalterischen Vorstellungen des Heimatschutz-Stils (Villa Riedl, 1907, Groß Ullersdorf; Villa Geiblinger, 1907/08, Senftenberg) oder diverser Spielarten des Neoklassizismus (Mausoleum Klimburg, 1907–10, Döblinger Friedhof; Wettbewerbsentwurf für das Aspern-Monument, 1908). Beim Sanatorium Teßtal in Groß Ullersdorf (1911–13) schloss C. mit dem Transfer urbaner Architekturlösungen in ländliche Umgebung an zeitgenössische Vorstellungen des Hotelbaus an. Nach dem Tod von Luntz supplierte C. 1903/04 dessen Klasse an der Wiener Akademie. 1907 wurde er zum Professor für bautechnische Fächer an die Fachhochschule für Holzverarbeitung in Villach und 1909 zum Professor an die Staatsgewerbeschule in Wien berufen. Als C. 1911 erneut die Vertretung seines Schwiegervaters Niemann in den Vorlesungen zur Stillehre an der Akademie übernahm, wurde ihm dessen Professur zwar in Aussicht gestellt, aufgrund von innerakademischen Intrigen jedoch in eine bloße Dozentur umgewandelt, um die sich C. nicht weiter bemühte. Er setzte seinen Unterricht an der Staatsgewerbeschule bis 1922 fort, veröffentlichte Arbeiten seiner Schüler in Architekturzeitschriften und als selbstständige Publikationen („Einfache Bauwerke“, 1912). Bis 1924 leitete er als Direktor die Bundeslehranstalt Mödling. Eine Reise nach Dornach 1921 begründete seine Bekanntschaft mit →Rudolf Steiner und der Anthroposophie. Die Entwürfe für eine Akademie in Dornach oder für Schulbauten nach anthroposophischen Vorstellungen folgen ganz Kompositionsprinzipien Wagners (strenge Axialität, dominierende Kuppelbauten), während sich C. bei Dekorationen stilistisch eng an →Josef Hoffmann anschloss. Ohne Folgeauftrag beteiligte sich C. 1928/29 am Wohnbauprogramm der sozialistischen Wiener Stadtregierung. Seine Bauten für das Kurbad in Velké Losiny (Wiederaufbau und Erweiterung des Kur- sowie des Kinderhauses, beide 1930–33) zeigen neben dem stilistischen Einfluss Hoffmanns das Bestreben, durch Materialeinsatz (Holz) und Konstruktion an regionaltypische Architektur anzuschließen, während sich der letzte realisierte Bau, das Haus Dr. Josef Riz in der Bozner Altstadt (1933–35), klar als innerstädtische Architektur zu erkennen gibt. C. war Mitglied zahlreicher Vereinigungen, so ab 1902 der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), ab 1905 der Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale (ab 1906 Konservator), 1908–11 und ab 1919 der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, 1913 Gründungsmitglied des Österreichischen Werkbunds.

Weitere W. (s. auch Kurdiovsky, 1999; Architektenlexikon): Renovierung des Brünner Doms (Konkurrenz), 1901; Kapelle des Salzburger Kommunalfriedhofs (Konkurrenz), 1903 (Überarbeitung 1905–07); Synagoge von Triest (Konkurrenz), 1904; Christuskirche in Innsbruck (Konkurrenz), 1904; Neusimmeringer Pfarrkirche (Konkurrenz), 1906; Johann Strauß-Denkmal am Franz Josephs-Kai (Konkurrenz), 1906 (Wien); Erweiterung des Sanatoriums Teßtal, 1925–27 (Velké Losiny); Ausstattungsarbeiten am Haus Zacherl, 1926–28 (Wien 19); Gemeindebau Diemgasse/Heiligenstädter Straße, 1928/29 (Wien 19).
L.: F. v. Feldegg, in: Wiener Bauindustrie-Zeitung 28, 1911, S. 187ff.; H. Castelliz, in: Mensch und Baukunst 19, 1970, S. 13; M. Pozzetto, Die Schule O. Wagners 1894–1912, 1980, S. 215; R. Kurdiovsky, A. C. (1870–1940) …, phil. DA Wien, 1999 (mit W.); R. Kurdiovsky, in: Umění/Art 57, 2009, S. 53ff.; Architektenlexikon Wien 1770–1945 (mit W., online, Zugriff 20. 4. 2018); ABK, Wien.
(R. Kurdiovsky)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)