Čelakovský (Czelakowski), František Ladislav (Franz Ladislaus) (1799–1852), Schriftsteller, Philologe, Übersetzer und Pädagoge

Čelakovský (Czelakowski) František Ladislav (Franz Ladislaus), Schriftsteller, Philologe, Übersetzer und Pädagoge. Geb. Strakonitz, Böhmen (Strakonice, CZ), 7. 3. 1799; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 5. 8. 1852. Sohn eines Zimmermanns, Vater von →Ladislav Josef Čelakovský und →Jaromír Čelakovský; ab 1834 verheiratet mit Anna Ventová, nach deren Tod 1844 2. Eheschließung mit der Schriftstellerin und Pädagogin Bohuslava Rajská, eigentlich Antonie Reis (geb. Rosenthal, Böhmen / Rožmitál pod Třemšínem, CZ, 11. 7. 1817; gest. Prag, 2. 5. 1852). – Č. ging bis 1812 in seiner Geburtsstadt in die Hauptschule und besuchte danach bis 1815 das Gymnasium in Budweis, wo er Freundschaft mit dem späteren Priester und Dichter Josef (Vlastimir) Kamarýt schloss; 1815–17 folgte der Besuch des Gymnasiums in Pisek unter →Aloys Uhle. 1817 begann Č. sein Studium mit den philosophischen Jahrgängen in Prag und setzte dieses 1818 in der Budweiser philosophischen Anstalt fort, wo er wegen Lektüre verbotener Schriften ausgeschlossen wurde. 1819/20 wiederholte er den zweiten philosophischen Jahrgang am Linzer Lyzeum. Ab Herbst 1820 studierte er Jus an der Prager Universität, interessierte sich jedoch mehr für Literatur und Geschichte. Sehr beeindruckt zeigte er sich von den Vorlesungen →Bernhard Bolzanos. 1822 fiel er beim Abschlussexamen durch und verließ die Schule. Danach lebte er bis 1828 unter kargen Verhältnissen als Privaterzieher, bis er u. a. auf Fürsprache seines Freundes Karel Alois Vinařický als Redakteur und Übersetzer im Erzbischöflichen Konsistorium und bei der katholischen Zeitschrift „Časopis katolického duchovenstva“ tätig wurde. In derselben Zeit bewarb er sich erfolglos in Russland um die Stelle eines Bibliothekars und war auf die materielle Hilfe und Gunst mehrerer Adelsfamilien angewiesen. Ende 1833 wurde er Redakteur des Amtsblatts „Pražské noviny“ und dessen belletristischer Beilage „Květy“. Im Herbst 1835 supplierte er an der Prager Universität als Lektor für Tschechisch, wurde jedoch kurz darauf aus beiden Funktionen infolge einer politischen Denunziation und einer daraufhin erfolgten Intervention des russischen Botschafters entlassen. Č. war neuerlich neben gelegentlichen Einkünften auf die Hilfe seiner Freunde und Gönner angewiesen, bis er 1838 Bibliothekar bei der Familie Kinsky von Wchinitz und Tettau wurde. 1842 erfolgte seine Ernennung zum Professor am neu gegründeten Lehrstuhl für slawische Sprachen und Literaturen an der Universität in Breslau (1847 Dr. h. c.). 1849 wurde er als Professor der Slawistik an die Prager Universität berufen. Nach seiner Rückkehr betraute man Č. mit mehreren zusätzlichen Aufgaben: Er wirkte in der philologisch-historischen Abteilung der Königlichen böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (bereits 1840 ao. Mitglied), war Mitglied einer Kommission zur Erstellung tschechischer Lesebücher sowie einer für die Verleihung literarischer Preise. Č. gehört zu den prominentesten Dichtern der tschechischen Erneuerung. Belesen in der zeitgenössischen Dichtung (v. a. Johann Wolfgang von Goethe, Walter Scott, Johann Gottfried Herder), aber auch in den griechischen und lateinischen Klassikern, schrieb er Gedichte in volkstümlichem Ton, d. h. im Stil der Volksdichtung, v. a. tschechischer und russischer Lieder, nachahmend („Obraz písní ruských“, 1829; „Ohlas písní českých“, 1840). Daneben verfasste er mehrere Sonette sehr persönlicher Natur, patriotische Gedichte und Epigramme, die er in Almanachen („Almanach aneb Novoročenka“, „Časopis Českého museum“, „Česká včela“, „Kytka“, „Věnec“, „Vlastimil“) und Gedichtsammlungen veröffentlichte („Smíšené básně“, 1822; „Růže stolistá“, 1840). Zeitlebens befasste er sich mit dem Sammeln, der Adaption und Interpretation von slawischen Volksliedern („Slovanské národní písně“, 3 Bde., 1822–27) und Sprichwörtern („Mudrosloví národu slovanského ve příslovích. Připojena jest sbírka prostonárodních českých pořekadel“, 1852). Außerdem war er als temperamentvoller Literaturkritiker mit Hang zum Sarkasmus bekannt und übersetzte aus dem Deutschen (Goethe, Herder, Franz Weinolt), Lateinischen (Aurelius Augustinus, Marcus Valerius Martialis), Englischen (Scott) und Litauischen. Seine Vorlesungen erschienen posthum („Čtení o srovnávací mluvnici slovanské na univerzitě pražské“, 1853; „Čtení o počátcích dějin vzdělanosti a literatury národů slovanských, jež na vysokých školách pražských měl …“, 1877). Č. ist weiters Verfasser mehrerer Lehrbücher der tschechischen und deutschen Grammatik und ergänzte mit seinem Glossar („Dodavky ke Slovníku …“, 1851) das umfassende tschechisch-deutsche Wörterbuch von →Josef Jungmann. Sein umfangreicher Briefwechsel („Korespondence a zápisky Frant. Ladislava Čelakovského“, 5 Bde., 1907–39) stellt eine wichtige Quelle zur Geschichte der böhmischen, v. a. der Prager, Kultur- und Literaturgeschichte der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts dar.

Weitere W. (s. auch LČL; Závodský): Spisů básnických knihy šestery, 1847; Spisy F. L. Č., ed. F. Bílý, 4 Bde., 1871–80; Dílo F. L. Č., ed. K. Dvořák, 3 Bde., 1946–50. – Nachlass: Literární archiv PNP Praha, CZ.
L.: Bohemia, 6., Prager Zeitung, Pražské noviny, 7., 10., Moravský národní list, 11. 8. 1852; LČL (mit W.); Masaryk; Otto; Rieger; Wurzbach; Lumír 2, 1852, S. 697, 716f.; Humorist 16, 1852, S. 751; J. J. Malý, F. L. Č., 1852 (mit Bild); I. J. Hanuš, Život a působení F. L. Č., 1855; J. Máchal, O básnické činnosti F. L. Č., 1899; ders., in: Snahy F. L. Č. o obnovu české literatury, 1899; J. Jakubec, in: F. L. Č., Básnické spisy 1, 1913, S. V, 2, 1916, S. V; Literatura česká 19. století 2, ed. J. Hanuš, 1917, s. Reg.; H. Traub, in: Časopis českého musea 96, 1922, S. 278ff.; O. Fischer, in: Germanoslavica 1, 1931/32, S. 408ff.; ders., in: Goethův sborník, 1932, S. 38ff.; ders., K Ohlasu písní ruských, 1932; ders., Duch a svět, 1937, S. 21ff.; J. Levý, in: České teorie překladu, 1957, s. Reg.; V. Mayer, in: Český jazyk a literatura 20, 1969/70, S. 62ff.; A. Závodský, F. L. Č., 1982 (mit Bild und W.); J. Petr, Slavistický odkaz F. L. Č., 1988; P. Kuchynka, in: Práce z dějin slavistiky 13, 1989, S. 183ff.; Růže stolistá. F. L. Č. 1799–1999, ed. M. Hussová u. a., 1999; Pocta Čelakovskému, Acta Slavica et Baltica 1, ed. J. Marvan – P. Štoll, 2004, S. 11f., 19ff.; J. Vinkler, Posnemovalci, zavezniki in tekmeci, 2009, s. Reg.; I. Pfaff, in: Slavia 81, 2012, S. 93ff.; R. Ibler, in: Zeitschrift für Slavistik 57, 2012, S. 190ff.
(V. Petrbok)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 139f.
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