Cerale (Wolff-Cerale, Cerallo), Luigia (Franciska Aloisia); verheiratete Wolff (1859–1937), Tänzerin und Pädagogin

Cerale (Wolff-Cerale, Cerallo) Luigia (Franciska Aloisia), verheiratete Wolff, Tänzerin und Pädagogin. Geb. Verolengo, Königreich Sardinien (I), 19. 10. 1859; gest. Wien, 26. 12. 1937; röm.-kath. Tochter von Giuseppe Cerale, Privater, und seiner Frau Maria, geb. Ghiglione; ab 1896 verheiratet mit Oberst Carl Wolff (geb. Krakau, Galizien / Kraków, PL, 6. 11. 1867; gest. Wien, 16. 1. 1938), zuletzt (1918) Kommandant der k. u. k. Leibgarde-Infanterie-Kompanie. – Nach einer Ausbildung in der Stilistik der italienischen Schule und ersten Engagements in Barcelona und Triest kam C. im Sommer 1878, angekündigt als Gast „vom kgl. Theater della Scala in Mailand“, erstmals an die Wiener Hofoper. In virtuosen Rollen des Wiener Repertoires dem Anforderungsprofil voll entsprechend (→Paul Taglionis „Satanella“, „Fantasca“, „Ellinor“ und „Flick und Flock“ sowie →Carl Telles „Sylvia“), empfahl sich die Exponentin des Spitzentanzes für die Position der Ersten Tänzerin (Primaballerina) des Ensembles. Die große Bedeutung, die man dieser Position beimaß, wurde durch die Anwesenheit des Kaisers bei ihrem Antrittsabend als engagiertes Mitglied unterstrichen (Mai 1879), an dem C. mit der Titelpartie in „Satanella“ sowie der Böhmischen Braut in Telles „Aus der Heimat“ ihre Vielseitigkeit demonstrierte. Diese stellte sie in den 13 Jahren, in denen sie die führende Position innerhalb des mehr als 100 Mitglieder zählenden Wiener Ensembles innehatte, sowohl im Repertoire als auch in Kreationen unter Beweis. Choreographen wie Pasquale Borri, Telle und →Josef Hassreiter ermöglichten die optimale Entfaltung ihrer brillanten Technik. Kongenialer Partner war zunächst Hassreiter, später Otto Thieme. Pas de deux choreographierte C. bisweilen selbst. Frühe internationale Anerkennung kam von Léo Delibes, der C. als „Künstlerin mit Stahlfußspitzen“ bezeichnete. Neben den bereits genannten Werken gehörten „Coppélia“, „Naïla, die Quellenfee“, „Carnevals-Abenteuer in Paris“, „Giselle“, „Excelsior“, „Das schlecht gehütete Mädchen“ („La Fille mal gardée“) und „Esmeralda“ zu den wichtigsten Balletten ihres Repertoires. Innerhalb der Opernliteratur trat sie in so begehrten Partien wie Helene in Giacomo Meyerbeers „Robert der Teufel“ und Fenella in Daniel-François-Esprit Aubers „Die Stumme von Portici“ in Erscheinung. Zu ihren wichtigsten Kreationen zählten die Hauptpartien in Borris „Dyellah“ und „Der Stock im Eisen“, Louis Frapparts „Margot“, Telles „Der Spielmann“, „Melusine“ und „Die verwandelte Katze“ sowie Hassreiters „Das Glockenspiel“ (zu Musik von Jules Massenet). In Hassreiters „Ein Tanzmärchen“ führte sie die „Cachucha“ aus. Ihre Exzellenz stellte C. immer wieder zu besonderen offiziellen Ereignissen unter Beweis, etwa bei der 1881 erfolgten Festvorstellung anlässlich der Hochzeit von Kronprinz →Rudolf, wo sie in Frapparts Ballett „In Versailles“ einen Pas de deux mit Hassreiter tanzte, des Weiteren 1883 und 1884 bei Festvorstellungen in Ischl anlässlich der „Monarchen-Begegnungen“ von →Franz Joseph I. und Wilhelm I. Schon während ihrer Wiener Zeit führten sie Gastspielreisen 1879 und 1885 nach Budapest, 1884 nach Turin, 1889 nach Lemberg, 1889 und 1890 nach Prag an das Nationaltheater, wo sie in „Excelsior“, „Sylvia“ und „Fantasca“ sowie in eigener Choreographie in dem Ausstattungsstück „Die Reise um die Erde in 80 Tagen“ tanzte, und 1891 an das Prager Neue Deutsche Theater, mit dem sie auch in Berlin auftrat; 1889 gastierte sie in Graz, 1891 in Riga und Warschau. Ende Mai 1892 nahm C. in „Excelsior“ Abschied von der Wiener Hofoper. Danach verfolgte sie eine bedeutende internationale Karriere. Sie absolvierte Engagements in St. Petersburg, Berlin, London (in →Katharina Lanners „Katrina“, 1893 im Empire Theatre) und bei der Weltausstellung in Chicago 1893, wo sie im „Grand historical spectacle“ „America“ von Imre Királfy den Ballerinenpart verkörperte. In Wien, St. Pölten und Krems unterhielt sie eigene Schulen.

L.: NFP, 28., Neuigkeits-Welt-Blatt, 29. (mit Bild), Der Wiener Tag, 30. 12. 1937 (mit Bild); Dizionario Biografico degli Italiani 23, 1979; R. Matzinger, Die Geschichte des Balletts der Wiener Hofoper 1869–1918, phil. Diss. Wien, 1982, passim; I. Guest, Ballet in Leicester Square. The Alhambra and the Empire 1860–1915, 1992, S. 109, 165; R. Raab, Biographischer Index des Wiener Opernballetts von 1631 bis zur Gegenwart, 1994; Pfarre St. Augustin, Wien.
(G. Oberzaucher-Schüller)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)