Čižek (Cizek), Franz (1865–1946), Kunstpädagoge und Maler

Čižek (Cizek) Franz, Kunstpädagoge und Maler. Geb. Leitmeritz, Böhmen (Litoměřice, CZ), 12. 6. 1865; gest. Wien, 17. 12. 1946 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Zeichenlehrers Franz Xaver Čižek (gest. 1900) und der Barbara Čižek. – Nach Besuch der Oberrealschule in seiner Geburtsstadt studierte Č. zuerst an der Technischen Hochschule in Wien Architektur (nicht nachweisbar), 1885–89 bildete er sich gemeinsam mit →Koloman (Kolo) Moser in der Allgemeinen Malerschule bei →Franz Rumpler und 1889–93 in der Spezialschule für Historienmalerei bei →Josef Mat(t)hias von Trenkwald an der Akademie der bildenden Künste weiter (1892 Spezialschul-Preis). Danach war er als freischaffender Künstler tätig und gründete 1897 unter dem Namen „Iris“ eine private Zeichen- und Malschule für Kinder. 1900 begann er seine Tätigkeit als Lehrer, 1902 als Supplent an der k. k. Staats-Realschule (verbunden mit einer gewerblichen Fortbildungsschule) in Wien 7, ab 1903 unterrichtete er an der k. k. Kunststickerei-Schule. 1902–06 leitete er auch Übungskurse für Lehramtskandidaten in Wien, Salzburg und Villach. Mit der Ernennung zum Professor 1906 wurde die private Kunstschule in die k. k. Kunstgewerbeschule integriert und Č. bis 1911 mit der Leitung eines Vorkurses betraut. Später war er in die Unterrichtsreform von →Otto Glöckel eingebunden. Weiters fungierte er als Inspektor der gewerblichen Lehranstalten bei der Zentral-Kommission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts in Wien und unternahm u. a. Reisen nach Deutschland (Dresden, Hamburg, Berlin) sowie Italien und England. Nach den Reformen →Alfred Rollers 1909 übernahm Č. neben der Jugendkunstklasse bis 1934 auch die Leitung des Kurses für Ornamentale Formenlehre (ab 1925 Allgemeine Formenlehre) an der Kunstgewerbeschule. Nach seiner Pensionierung 1934 unterrichtete er bis zur Ausgliederung der Jugendkunst-Klasse 1939 als unbezahlter Hilfslehrer weiter an der Kunstgewerbeschule. Danach wurde die Einrichtung als Institut für Kunsterziehung der Stadt Wien und ab 1941 als private Kunstschule installiert und er konnte seine Arbeit mit Hilfe seiner Assistentin Adelheid Schimitzek fortsetzen (das Institut bestand als solches bis 1955). Die Arbeiten seiner Schülerinnen und Schüler wurden u. a. 1908 auf der Kunstschau, 1912 auf dem IV. Internationalen Kunsterziehungskongress in Dresden und auf Wanderausstellungen in England, den USA und Holland gezeigt, wobei die ab 1919 entstandenen Werke stilistisch mit den Richtungen der internationalen Avantgarde (Expressionismus, Futurismus und Kubismus) verwandt sind und unter dem Begriff des Wiener Kinetismus weltweit bekannt wurden. Č.s kunstpädagogische Arbeit war Vorbild für die musikalische Graphik von →Oskar Rainer. Bekannte Schülerinnen und Schüler waren u. a. Erika G. Klien, Marianne (My) Ullmann, Elisabeth Karlinsky, Franz Probst, Herbert Ploberger und Margarethe Hammerschlag. Č. war 1913 Gründungsmitglied des Österreichischen Werkbunds und 1917 Mitglied der Weltkulturgesellschaft. 1916 wurde er Ritter des Franz Joseph-Ordens, 1928 erhielt er das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Er gilt als Begründer der „Wiener Jugendkunst“, die auch im angloamerikanischen Raum große Erfolge feierte, zu einer Reform der Kunstpädagogik führte und bis in die Gegenwart Einfluss genommen hat. Teilnachlässe befinden sich in der Wienbibliothek im Rathaus und im Wiener Stadt- und Landesarchiv.

W.: Kaiser Franz Joseph I., Erzherzog Johann. – Publ.: Papier-, Schneide- und Klebearbeiten, 1914; Das freie Zeichnen, 1925; Children’s coloured paperwork, 1927; Curriculum Vitae, o. J. (Ms., Wienbibliothek im Rathaus).
L.: AKL; Czeike; Lex. böhm. Länder; Kosel 1; NDB; ÖKL; Thieme-Becker; Vollmer; L. Hevesi, Altkunst – Neukunst, 1908, S. 454ff.; A. Weixlgärtner, in: Die graphischen Künste 45, 1922, S. 1ff.; L. W. Rochowanski, Formwille der Zeit in der angewandten Kunst, 1922, Reprint 1980; ders., Dreißig Jahre Jugendkunst, 1928, S. 5ff.; Who’s who in Central and East-Europe 1933/34, ed. St. Taylor, 1935; W. Viola, Child Art and F. C., 1936; F. C. Pionier der Kunsterziehung (1865–1946), ed. H. Bisanz, Wien 1985 (Kat.); Kunst: Anspruch und Gegenstand, red. E. Patka, 1991, s. Reg.; D. D. Kelly, Uncovering the History of Children’s Drawing and Art, 2004, s. Reg.; R. Laven, F. Č. und die Wiener Jugendkunst, 2006; Kinetismus. Wien entdeckt die Avantgarde, ed. M. Platzer – U. Storch, Wien 2006, s. Reg. (Kat.); M. Kaiser, Der Schritt in den Raum – Plastiken und Architekturutopien der Avantgarde im Wien der Zwischenkriegszeit, hist.-kulturwiss. DA Wien, 2010; Wiener Kinetismus, ed. G. Bast, Wien 2011, s. Reg. (Kat.); ABK, TU, beide Wien.
(M. Kaiser)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)