Dienstleder, Alois (1885–1946), Jurist und Politiker

Dienstleder Alois, Jurist und Politiker. Geb. Graz (Steiermark), 17. 6. 1885; gest. Wien, 31. 1. 1946; röm.-kath. Sohn des Postbeamten Franz Dienstleder und dessen Frau Maria Dienstleder, geb. Graf; ledig. – Nach Besuch der Bürgerschule absolvierte D. eine Ausbildung zum Buchhändler und war einige Jahre in diesem Beruf tätig, ehe er für etwa zwölf Jahre in den Sparkassendienst wechselte. Währenddessen legte er am staatlichen Gymnasium als Privatist die Matura ab. Im 1. Weltkrieg diente D. als Soldat beim Infanterieregiment Nr. 27, später arbeitete er als Sparkassenbeamter zur Abwicklung der Kriegsanleihe. Etwa zur selben Zeit nahm er an der Universität Graz ein Studium der Rechtswissenschaften auf und promovierte 1920. Im selben Jahr begann D. eine Rechtsanwaltspraxis und trat 1922 in den Dienst der steiermärkischen Landesverwaltung. Dort durchlief er einige Karrierestationen wie das Kultusreferat, war ab 1930 bei der Landesamtsdirektion tätig und wurde zuletzt zum Landesregierungsrat ernannt. 1934 habilitierte sich D. mit einer Arbeit zur Kultusbaulast („Die Kultus-Baulast. Mit besonderer Berücksichtigung des Partikularrechtes in Österreich“, 1934) und wurde noch im selben Jahr zum ao. Professor und 1937 zum o. Professor für Kirchenrecht an die Universität Graz berufen. 1938 beurlaubt und 1939 von den Nationalsozialisten zwangsweise in den Ruhestand versetzt sowie zeitweise inhaftiert, kehrte er 1945 als o. Professor wieder in den aktiven Dienst zurück. Als Politiker gehörte D. dem christlichsozialen Landtagsklub an, trat im politischen Tagesgeschäft jedoch kaum in Erscheinung und hatte ein Naheverhältnis zu →Anton Rintelen, der ihn nach seiner Entsendung als Botschafter nach Rom als Nachfolger etablierte. Im November 1933 wurde D. zum steirischen Landeshauptmann gewählt. In seine Regierungszeit fielen große ökonomische und politische Krisen. Während des Bürgerkriegs und des Juliputschs 1934 koordinierte er die regierungstreuen Einsatzkräfte und entfernte danach Sozialdemokraten aus dem öffentlichen Dienst. Er galt andererseits jedoch als karitativ, gemäßigt-demokratisch und bewies Verständnis für die Anliegen des politischen Gegners, was ihm auch im sozialdemokratischen Lager Respekt einbrachte. 1934 stellte er den Posten des Landeshauptmanns zur Verfügung, wurde vom Bundeskanzler gemäß der neuen Verfassung nicht mehr bestellt und in den Staatsrat entsandt, dem er bis 1938 angehörte. Von Mai bis Dezember 1945 fungierte D. schließlich als Vertreter des konservativen Lagers als Landeshauptmann-Stellvertreter der Landesregierungen unter Reinhard Machold und gehörte zudem von Dezember 1945 bis zu seinem Tod dem österreichischen Bundesrat als Mandatar der ÖVP und stellvertretender Vorsitzender an.

Weitere W.: Das neue großdeutsche Eherecht samt Durchführungsverordnung und Personenstandgesetz für das Land Österreich, 1939; Die Kirchenbeitragsordnung im Lande Österreich mit einem Anhang für den Reichsgau Sudetenland, 1941.
L.: Das Steirerblatt, Neue Zeit. Organ der Sozialistischen Partei Steiermarks, 1. 2. 1946; G. Enderle-Burcel – J. Kraus, Mandatare im Ständestaat 1934–38, 1991, S. 55; A. Ableitinger, in: Steiermark. Die Überwindung der Peripherie, ed. A. Ableitinger – D. A. Binder, 2002, S. 3ff.; St. Karner, Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2. Aufl. 2005, S. 149ff., 315ff.; P. Naschenweng, Die Landeshauptleute der Steiermark, 2011, S. 206ff.; Website des Parlaments der Republik Österreich (mit Bild, Zugriff 15. 3. 2017); Pfarre Graz-Münzgraben, Steiermärkisches Landesarchiv (mit Bild), UA (mit Bild), alle Graz, Steiermark.
(St. Wedrac)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)