Dittes, Christian Friedrich (1829–1896), Pädagoge

Dittes Christian Friedrich, Pädagoge. Geb. Irfersgrün, Sachsen (Lengenfeld, D), 23. 9. 1829; gest. Pressbaum (Niederösterreich), 15. 5. 1896; evang. AB. Sohn des Pechsieders Carl Friedrich Dittes (geb. 1798) und von Christiane Karoline Dittes, geb. Feustel (1798–1861), Vater von →Paul Dittes; ab ca. 1864 verheiratet mit Fanny Dreßler (1842–1892). – D. gelangte über Vermittlung des Dorfpfarrers Johann Ernst August Kaufmann 1844 an das Lehrerseminar in Plauen. Nach Abschluss dieser Ausbildung 1848 wurde er Schulvikar in Thalheim im Erzgebirge, ehe er 1849 als Lehrer an die Bürgerschule in Reichenbach im Vogtland wechselte. Um an der Universität Leipzig ein Studium der Philosophie, Pädagogik und Naturwissenschaften aufnehmen zu können, ließ sich D. 1850 von seinem Lehrerposten beurlauben. Seine Mittel reichten nur für eineinhalb Jahre, weshalb er 1852 nach Reichenbach zurückkehren musste. 1853 wechselte er als Lehrer an die Bürgerschule Plauen, wo er bis 1857 blieb. Daraufhin ging er wiederum nach Leipzig, wo er neben seiner Tätigkeit an der dortigen Bürgerschule erneut an der Universität studierte; 1860 Dr. phil. Seine unverändert prekäre finanzielle Lage veranlasste ihn im selben Jahr, eine Stelle als Subrektor an der Realschule in Chemnitz anzunehmen. Dort wurde er 1864, in seiner Funktion als Vorsitzender des dortigen Pädagogischen Vereins, durch eine kritische Rede zum Status quo der Pflichtschulen überregional bekannt. Adolf Diesterweg schlug ihn daraufhin für den Posten des Seminardirektors in Gotha vor. D. nahm an und begann dort 1865 seine Tätigkeit. 1868 warb ihn die liberale Mehrheit des Wiener Gemeinderates ab, um ihn mit der Stelle des Direktors am neu gegründeten Pädagogium der Stadt Wien zu betrauen. D. wurde zudem Bezirksschulinspektor, war Mitglied des Landesschulrats und Mitglied der Prüfungskommission. Er verfasste in seiner Wiener Zeit fünf Monographien, die ab 1875 in einer Gesamtausgabe unter dem Titel „Schule der Pädagogik“ in mehreren Auflagen erschienen. Inhaltlich beschäftigt er sich in diesem Werk mit Geschichte, Theorie und Praxis der Pädagogik sowie mit dem Verhältnis der Pflichtschule zur Religion und zur Politik. In dem von ihm 1878 gegründeten „Pädagogium. Monatsschrift für Erziehung und Unterricht“, das bis 1896 erschien, finden sich diese Themen in zahlreichen Artikeln wieder. D. war zudem 1866–86 Rezensent für den „Pädagogischen Jahresbericht“. Ebenso wurden viele seiner Reden gedruckt. Darüber hinaus war er in politische, religiöse und wissenschaftliche Auseinandersetzungen involviert. Die von ihm eingenommenen Positionen polarisierten so stark, dass sich Befürworter und Gegner insgesamt drei Jahrzehnte eine massive publizistische Debatte lieferten. Kritik an seiner an Friedrich Eduard Beneke orientierten Pädagogik kam vom Verein für wissenschaftliche Pädagogik rund um den Herbartianer Tuiskon Ziller. Politisch verstärkte sich die Gegnerschaft, speziell im Gemeinderat, als er Abgeordneter zum Reichsrat für die Demokratische Partei wurde (1873–79). Die Forderung der Laisierung des Pflichtschulwesens brachte ihm von katholisch-konservativer Seite Anfeindungen ein. Seine Pensionierung durch den Gemeinderat 1881 erfolgte nach Unstimmigkeiten über die Aufgaben des Direktors am Pädagogium. Dennoch blieb er in Wien als Vortragender in pädagogischen Vereinen wie auf Lehrertagen und als erstes Ehrenmitglied der Wiener Pädagogischen Gesellschaft bis zu seinem Tod präsent.

Weitere W. (s. auch NDB): Ueber Religion und religiöse Menschenbildung, 1855; Naturlehre des Moralischen und Kunstlehre der Moralischen Erziehung, 1856; Ueber die sittliche Freiheit …, 1860; Das Lehrer-Pädagogium der Stadt Wien …, 1873.
L.: NFP, 16. 5. 1898 (Parte); Biograph. Jb. 1, 1897, S. 243ff.; Adlgasser; NDB (mit W.); A. Kolatschek, Das Wiener Pädagogium in den Jahren 1868–81, 1886, passim; H. Drewke, D. Eine Gedächtnisrede, 1897; M. Zens, in: Die deutsche Schule. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis 1, 1897, S. 321ff.; R. Dittes, in: Plauener Seminarbote 21, 1929, H. 2/3, S. 9ff.; K.-H. Günther, Bürgerlich-demokratische Pädagogen …, 1963, S. 130ff.; F. Tosch, in: Verlag J. Klinkhardt 1834–2009, ed. U. Sandfuchs u. a., 2009, S. 39ff.; C. Gerdenitsch – J. Hopfner, in: Die Herbartrezeption in österreichischen Zeitschriften für die Lehrerbildung am Beispiel von F. D., ed. E. Adam, 2009, S. 81ff.; K. Frey, Zur Geschichte des Pädagogischen Vereins zu Chemnitz (1831–1934), 2011, S. 114ff.
(J. Pircher)   
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 188
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