Eberl, Irmfried (1910–1948), Mediziner und NS-Täter

Eberl Irmfried, Mediziner und NS-Täter. Geb. Bregenz (Vorarlberg), 8. 9. 1910; gest. Ulm (D), 16. 2. 1948 (Suizid). Sohn des Gewerbeinspektors Ing. Franz Josef Eberl (geb. 1876), der an der Technischen Hochschule in Wien Mitglied einer deutsch-nationalen Burschenschaft war, 1937 wegen NS-Zugehörigkeit in den Ruhestand versetzt und 1941 reaktiviert wurde, und der Theresia Josefine Eberl, ebenfalls Parteimitglied der NSDAP, Bruder von Ekkehard Eberl (geb. 1904), der während des NS-Regimes in Österreich als Ortsgruppenleiter in Kitzbühel fungierte, und des Rechtsanwalts Harald Eberl (1902–1990), der als NSDAP-Mitglied Gauredner im Gau Tirol-Vorarlberg und kurzfristig Finanzreferent in Vorarlberg war; in 1. Ehe mit Ruth Eberl, geb. Rehm (1907–1944), einer Referentin bei der Reichsführung der NS-Frauenschaft, verheiratet. – Nach dem Besuch des Gymnasiums, wo er vermutlich Mitglied der schlagenden Mittelschulverbindung Nibelungen war, studierte E. ab 1928 Medizin an der Universität Innsbruck, wo er in der deutschnationalen Burschenschaft Germania radikalisiert wurde. 1930 organisierte er als politische Kundgebung eine Fahrt der Innsbrucker Waffenstudenten nach Bregenz. 1931 trat er der NSDAP bei und war Teil der Sturmabteilung der Gruppe 14; 1935 Dr. med. Kurzzeitig arbeitete er in der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien sowie an der Lungenheilanstalt in Grimmenstein. Aufgrund seiner nationalsozialistischen Aktivitäten hatte E. Schwierigkeiten, in Österreich beruflich dauerhaft Fuß zu fassen. 1936 ging er nach Deutschland, wo er vom NSDAP-Flüchtlingshilfswerk als politischer Flüchtling anerkannt wurde und mehrere Praktika absolvierte, bis er 1938 auf Intervention seiner Ehefrau in Berlin im Hauptgesundheitsamt Büroleiter des Staatssekretärs im Reichsinnenministerium und Reichsärzteführers Leonardo Conti wurde. Anfang 1940 wurde E. zum Leiter der „Heil- und Pflegeanstalt“ Brandenburg bestellt, wo zu dieser Zeit ein Tötungsraum im Rahmen des 1938 begonnenen „Euthanasie-Programms“ (Aktion T4) eingerichtet wurde. Im Jänner 1940 fand eine erste „Probevergasung“ in Anwesenheit von E. statt, bei der 18–20 Männer durch Kohlenmonoxid erstickt wurden. Insgesamt wurden in Brandenburg zwischen Jänner und Oktober 1940 ca. 9.000 Menschen ermordet, zumeist drehten die Anstaltsärzte den Gashahn auf, oft E. selbst. Von Herbst 1940 bis Sommer 1941 leitete E. in Bernburg an der Saale jenen Teil der „Heil- und Pflegeanstalt“, in dem insgesamt etwa 9.000 Menschen ermordet wurden. Im Jänner 1942 wurde er als Mitarbeiter der Aktion T4 nach Lublin abkommandiert. Von April bis August 1942 war E. – mittlerweile im Rang eines SS-Untersturmführers – Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka und zeichnete im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ für etwa 280.000 Tötungen verantwortlich. Ein Grund für seine Ablöse als Kommandant im August dürfte gewesen sein, dass E. nicht zum Netzwerk des für Lublin zuständigen SS- und Polizeiführers Odilo Globočnik gehörte und dass er geraubtes Geld in Millionenhöhe an die Kanzlei des Führers abführte, bei der er formal beschäftigt war, und nicht nach Lublin. E. kehrte Mitte September nach Bernburg zurück, wo er für weitere Tötungen verantwortlich war (Aktion 14f13). Ab 1944 war er Militärarzt an der Westfront, im April 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Juli desselben Jahres entlassen wurde. Anschließend ließ sich E. in Blaubeuren bei Ulm nieder und heiratete erneut. Im Zuge der Bearbeitung seines Antrags auf Niederlassung als praktischer Arzt und des Entnazifizierungsverfahrens recherchierte das Gericht Ulm v. a. wegen seiner Tätigkeit in Bernburg. Im Jänner 1948 wurde er mit der Begründung in Haft genommen, er habe „als Mörder aus niedrigen Beweggründen heimtückisch und grausam Menschen getötet“. E. erhängte sich in seiner Zelle und entzog sich so dem Gerichtsverfahren.

L.: E. Klee, Was sie taten – Was sie wurden, 1986; M. Gehler, in: Tirol und Vorarlberg in der NS-Zeit, ed. R. Steininger – S. Pitscheider, 2002, S. 361ff.; M. Grabher, I. E., 2006 (mit Bild); Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas, ed. G. Morsch – B. Perz, 2011, s. Reg.; S. Berger, Experten der Vernichtung, 2013, S. 72ff., 403; UA, Innsbruck, Tirol.
(W. Dreier)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)