Eis, Maria (1896–1954), Schauspielerin

Eis Maria, Schauspielerin. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 22. 2. 1896; gest. Wien, 18. 12. 1954 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Zentralfriedhof). Tochter des Kaffeehausbesitzers Blasius Eis und seiner Frau Maria Eis, geb. Lötsch, einer Wirtstochter, Mutter des Schauspielers Heinrich Kilian Gereon (Heiki) Eis, der von Walter Firner als Kinderdarsteller entdeckt wurde und neben Albert Bassermann am Wiener Volkstheater bzw. als Filmpartner von Attila Hörbiger in „Gottes Engel sind überall“ (1947) große Bekanntheit erlangte; 1919–21 mit Alfred Felgel von Farnholz, 1924–36 mit dem Schauspieler Theo Goetz (eigentl. Theophile Menu), 1937–46 mit dem Dirigenten und Komponisten Robert Fanta (Fantl) und in 4. Ehe mit dem Modeschöpfer Marcel André verheiratet. – E. stammte aus einer musikalischen Familie. Sie besuchte das Lyzeum des Frauenerwerbsvereins und arbeitete zunächst als Administrationsbeamtin beim „Prager Tagblatt“, danach in einer Advokatenkanzlei und in der Hypothekenabteilung der Zentralbank der Deutschen Sparkassen Prag. Nachdem ihr Schauspieltalent anlässlich einer Wohltätigkeitsvorstellung entdeckt worden war, nahm sie Unterricht bei Maximilian Wolff, einem Schauspieler und Regisseur des Prager Landestheaters, und besuchte 1916–17 die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Daneben war sie als Sekretärin am Burgtheater beschäftigt. 1918 erhielt E. ihr erstes Engagement bei →Emil Geyer an der Neuen Wiener Bühne und spielte auch an der Renaissancebühne und an den Kammerspielen. Ab 1923 unternahm sie ausgedehnte Tourneen mit Paul Wegener (Strindberg-, Wedekind-Zyklus) und Ernst Deutsch in Holland und Norddeutschland, die ihre künstlerische Reifung förderten. 1924 trat sie u. a. am Renaissance-Theater in Berlin auf, ehe →Hermann Röbbeling sie 1925 nach Hamburg holte, wo ihr unter seiner Direktion am Thalia-Theater, dann auch am Deutschen Schauspielhaus der Durchbruch als Charakterspielerin und Tragödin gelang. Ihre außergewöhnliche Wandlungsfähigkeit bewies sie hier in der Darstellung von mehr als 90, sehr unterschiedlichen Frauengestalten (als Wedekinds Franziska ebenso wie als Jungfrau von Orleans oder Polly Peachum in der „Dreigroschenoper“). 1932 verpflichtete Anton Wildgans E. an das Burgtheater nach Wien, dessen Direktion Röbbeling bald darauf übernahm. Während eines Gastspiels des Burgtheaters anlässlich der Weltausstellung in Paris 1937 wurde sie auch von der französischen Presse als „Königin der Schauspielkunst“ gefeiert. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten benötigte E., da ihr Mann jüdischer Herkunft war, eine „Sondergenehmigung“ der Reichstheaterkammer. Neben ihrem Wiener Engagement war sie während des 2. Weltkriegs zwei Jahre als erste Tragödin am Berliner Schillertheater tätig. Sie stand auf der „Gottbegnadeten-Liste“ und wurde unter den „Künstlern im Künstlerkriegseinsatz“ geführt. Ihre Stellung im „Dritten Reich“ nützte die als politisch indifferent Eingestufte, um ihren zweiten bzw. dritten Mann zu schützen. Auch soll sie eine Zeitlang den Souffleur des Burgtheaters Maximilian Blumenthal in ihrer Wohnung versteckt haben. Zur Wiedereröffnung des Burgtheaters 1945 spielte sie in dessen Ausweichquartier im Ronacher die Sappho in Grillparzers gleichnamigem Trauerspiel. 1946 wurde sie zur Kammerschauspielerin ernannt. Zu den bedeutendsten Rollen der Charakterdarstellerin zählte jene der Elisabeth, die sie sowohl in Schillers „Maria Stuart“ als auch in Maxwell Andersons „Elisabeth und Essex“ und in →Ferdinand Bruckners „Elisabeth von England“ verkörperte. Darüber hinaus hatte E. eine große Begabung für das Komische. Eine ihrer Glanzrollen in diesem Fach war die böhmische Frau Peschta in František Langers „Das Kamel geht durch das Nadelöhr“, die sie über 200-mal am Akademietheater verkörperte. Kritiker hoben an E.’ Spiel die eindringliche Darstellung, die enorme Wandlungsfähigkeit, den ironisch-scharfen und tiefgreifenden Humor, ihren Nuancenreichtum und die souveräne Ausdrucksfülle hervor. Markant war ihre zunächst „harte“ Prager Aussprache. Ihre auffallende Erscheinung wurde noch durch das Tragen eines Monokels unterstrichen. Neben ihren Bühnenauftritten gab E. Chansonabende und wirkte (ab 1935) auch in einer Reihe von Filmen mit. So stand sie etwa als Fürstin Gollinsky in „Tanz mit dem Kaiser“ (1951) oder als Frau Willard in „Geheimnisvolle Tiefe“ (1959) vor der Kamera. E. war Präsidentin der Oesterreichisch-Tschechoslowakischen Gesellschaft.

Weitere Rollen (s. auch Alth; Schinnerer-Kamler): Eva (I. Madách, Tragödie des Menschen); Medea (F. Grillparzer, Das goldene Vlies); Maria Stuart (F. v. Schiller, Maria Stuart); Frau Knobbe (G. Hauptmann, Die Ratten); Irina Nikolajewna Arkadina (A. Tschechow, Die Möwe); Kalypso (F. Th. Csokor, Odysseus); Madame Alexandra (J. Anouilh, Colombe); Lady Macbeth (W. Shakespeare, Macbeth); Marthe Schwerdtlein (J. W. v. Goethe, Faust I); Buhlschaft (H. v. Hofmannsthal, Jedermann).
L.: Der Abend, 16. 12. 1955; AZ, Die Presse (beide mit Bild), Neues Österreich, WZ, 19. 12. 1957; Alth, Burgtheater; Czeike (mit Bild); Kosch, Theaterlex.; NDB; F. Langer, in: NÖB 22, 1987, S. 152ff.; O. M. Fontana, Wiener Schauspieler von Mitterwurzer bis M. E., 1948, s. Reg. (mit Bild); H. Rohner, M. E. Eine Schauspielerpersönlichkeit, phil. Diss. Wien, 1948; Österreicher der Gegenwart, bearb. R. Teichl, 1951; L. Schinnerer-Kamler, M. E., 1961 (mit Bildern); O. Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, 1991, s. Reg.; Tagbl.Archiv, Wien (mit Bildern, auch von Heiki E.); Zeitungsausschnitt-Sammlung, Theatermuseum, Wien (mit Bildern); Národní archiv, Praha, CZ.
(E. Offenthaler)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)