Terramare, Georg; eigentl. Eisler Edler von Terramare (1889–1948), Schriftsteller und Regisseur

Terramare Georg, eigentl. Eisler Edler von Terramare, Schriftsteller und Regisseur. Geb. Wien, 2. 12. 1889; gest. La Paz (BOL), 4. 4. 1948; mos., ab 1892 röm.-kath. Sohn des Industriellen Josef Eisler Edler von Terramare (geb. Wien, 16. 10. 1855; gest. ebd., 8. 4. 1913) und seiner Frau Edith Eisler Edle von Terramare, geb. Bles (geb. Prestwich, GB, 8. 2. 1863; gest. London, GB, 1959); 1915–32 mit Margarethe Schroth (geb. Wien, 21. 2. 1889; gest. Pittsfield, MA, USA, November 1983), ab 1932 mit der Schauspielerin Erna (Erni) Terrel (Künstlername), geb. Beutel (geb. Wien, 2. 11. 1906; gest. Montevideo, ROU, 27. 9. 1985), verheiratet. – Nach der Matura am Schottengymnasium 1908 inskribierte T. bis 1909/10 zunächst an der juridischen Fakultät der Universität Wien, 1910–11 sowie 1912/13 auch an der philosophischen. Dazwischen studierte er an der deutschen Universität Prag. In Wien wurde T. 1913 mit einer Arbeit über „Andreas Gryphius’ Cardenio und Celinde in der neueren Literatur“ zum Dr. phil. promoviert, nachdem seine erste Dissertation reprobiert worden war. 1906 mit dem Drama „Brutus“ erstmals als Schriftsteller hervorgetreten, veröffentlichte er in der Folge zahlreiche, oft religiöse und historische Motive aufgreifende Erzählungen, Novellen, Romane (wie die Bearbeitung des Jeanne-d’Arc-Stoffes „Das Mädchen von Domremy“, 1921) und Dramen (etwa das Prinz-Eugen-Stück „Die stille Stunde“, aufgeführt 1918 am Wiener Burgtheater). Ab 1922 widmete sich T. der Wiederbelebung der im 16. Jahrhundert von Wolfgang Schmeltzl begründeten Klosterspiele im Schottenstift und inszenierte neben eigenen Werken („Ein Spiel von der Geburt des Herrn, den Hirten und den Königen“, „Ein Spiel vom Tode“) auch Stücke von Gerhart Hauptmann und →Hugo Hofmann von Hofmannsthal. 1929 wurde er als Erster Regisseur an das Stadttheater Bern berufen. Ab 1931 wirkte er in dieser Funktion am Hamburger Schauspielhaus; zugleich war er als Gastregisseur am Burgtheater verpflichtet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste T. aufgrund seiner jüdischen Herkunft Deutschland verlassen und übernahm 1934 für drei Jahre die Leitung des städtischen Theaters in Troppau. 1939 flüchtete er nach Bolivien. Seine bedeutende Sammlung von Kunstgegenständen, darunter eine Madonna von Michael Pacher, wurde in der Folge enteignet. In La Paz wirkte T. mit anderen österreichischen Flüchtlingen zunächst bei einer deutschsprachigen Radiosendung mit, bevor er die nur kurze Zeit existierende Kleine Casino-Bühne gründete. Danach entstand unter seiner Leitung ein fixes, aus Laien und Berufsschauspielern (wie Erna Terrel) bestehendes Ensemble, das im Rahmen der Aktivitäten der überparteilichen Exilorganisation Federación de Austríacos Libres en Bolivia (FAL) eine kontinuierliche Aufführungspraxis entfaltete. So wurde im Februar 1943 die von T. verfasste Komödie „Hofopernballett“ aufgeführt, in der Episoden aus dem Leben der Tänzerin →Franziska (Fanny) Elßler mit deutlichen Anspielungen auf die politische Situation des besetzten Österreich verknüpft werden. Von T. stammt auch der Text der „Hymne der Freien Österreicher“ zur Melodie des letzten Satzes von →Ludwig van Beethovens „Eroica“. Bis zu seinem Austritt im September 1933 war er Mitglied des österreichischen P.E.N.-Clubs.

Weitere W. (s. auch Kosch; Kürschner): Die ehemals waren, 1911; Der Liebesgral, 1913; Erfüllung, 1923; Stimmen am Wege. Ein Buch um F. von Assisi, 1924; Uns ward ein Kind geboren. Eine Weihnachtslegende, 1951; Therese Krones, 1959.
L.: Bolbecher–Kaiser; Hdb. der Emigration 2; Jb. der Wr. Ges.; Kosch, Theaterlex. (mit W.); Nagl–Zeidler–Castle (mit Bild); Wer ist’s?, 1935; Kürschners Deutscher Literatur-Kalender. Nekrolog 1936–70, 1973 (mit W.); E. M. Auer, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 42, 1986, S. 92ff., 116; Wie weit ist Wien. Lateinamerika als Exil für österreichische Schriftsteller und Künstler, ed. A. Douer – U. Seeber, 1995, S. 74f., 85f. (mit Bild); Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–45, ed. F. Trapp u. a., 1, 1999, S. 453, 2, 1999; Buscando Huellas. Inmigración y exilio austríaco en La Paz, Bolivia (1938–45), ed. C. Heckl, La Paz 2001 (Kat., mit Bildern); S. Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, 2003, S. 1260ff.; L. Spitzer, Hotel Bolivia. Auf den Spuren der Erinnerung an eine Zuflucht vor dem Nationalsozialismus, 2003, S. 225ff., 236; G. Gaugusch, Wer einmal war, A–K, 2011, S. 501, 507; L. E. Bieber, Jüdisches Leben in Bolivien. Die Einwanderungswelle 1938–40, 2012, S. 185f., 188; V. Zwerger, in: Networks of Refugees from Nazi Germany, ed. H. Schreckenberger, 2016, S. 116f.; UA, Wien.
(Ch. Kanzler)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)

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Gedenktafel am Terramare-Schlössl
Das Terramare-Schlössl in Wien-Hernals
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