Facchinetti (Fachinetti), Michele de (1812–1852), Politiker, Schriftsteller und Großgrundbesitzer

Facchinetti (Fachinetti) Michele de, Politiker, Schriftsteller und Großgrundbesitzer. Geb. Visinada, Illyrische Provinzen (Vižinada, HR), 7. 10. 1812; gest. ebd., 22. 10. 1852; röm.-kath. Sohn des der venezianischen Herrschaft nachhängenden und Österreich gegenüber ablehnend eingestellten Großgrundbesitzers Giorgio de Facchinetti, Bruder des Arztes Giovanni de Facchinetti, Cousin des Geistlichen, Publizisten und Fachschriftstellers Antonio de Facchinetti (geb. Visinada, 9. 10. 1805; gest. ebd., 1867); ab 1841 verheiratet mit Zoe Gräfin De Furegoni. – F. besuchte das Gymnasium in Capodistria und inskribierte an der medizinischen Fakultät der Universität Padua, wechselte 1835 jedoch an die juridische. In Padua verkehrte er mit zahlreichen italienischsprachigen Intellektuellen aus dem Küstenland und Dalmatien (u. a. →Niccolò Tommaseo) und kam so in Kontakt mit republikanisch-mazzinianischen Ideen; 1840 Dr. iur. Nach dem Tod des ältesten Bruders 1837 verbrachte F. immer wieder längere Zeit in Visinada, um sich um die Familiendomäne zu kümmern, ehe er 1840 endgültig an seinen Geburtsort zurückkehrte. Neben seiner Hauptbeschäftigung als Privatier und Gutsbesitzer schrieb und dichtete F. für die damals bedeutendsten Blätter Triests, wie „L’Osservatore Triestino“, „La Favilla“ und „L’Istria“. Nach Ausbruch der Revolution wurde er im Juli 1848 als Vertreter der istrischen Bezirke Buie, Montona, Pinguente und Parenzo in den Reichstag entsandt. Während dieser parlamentarischen Tätigkeit verstärkte sich F.s antihabsburgische bzw. proitalienische Einstellung. Als Vertreter des istrischen Landbesitzertums verfolgte er mit Sorge die Liberalisierung der ruralen Struktur innerhalb der Monarchie und setzte sich gegen die Eingliederung des ehemals venezianischen Istriens in den Deutschen Bund zur Wehr. Er publizierte polemische Artikel in der Wiener und Triestiner Presse, in denen er Istrien zum ersten Mal als „italienisches Land“ definierte. Darüber hinaus plädierte er in Wien für ein Bündnis des istrischen Küstenstreifens mit dem aufständischen Venedig. Wegen seiner radikalen Ansichten distanzierten sich die anderen italienischsprachigen Abgeordneten aus Istrien (→Antonio Madonizza, →Carlo De Franceschi und →Francesco Vidulich) von ihm. Während sich F. in bestimmten Fragen mit der föderalistischen Partei innerhalb des Reichstags verbündete, blieb er als Gegner der Monarchie jedoch isoliert. Offiziell aus Gesundheitsgründen, tatsächlich jedoch wegen Differenzen mit Madonizza zog sich F. aus der parlamentarischen Versammlung im Dezember 1848 zurück. Nach Niederschlagung der Revolution wurde er wegen antiösterreichischer Aktivitäten unter polizeiliche Überwachung gestellt, auch das Triestiner Landesgericht ermittelte gegen ihn. In dieser Zeit vernichtete F. den Großteil seiner Manuskripte und Korrespondenzen, verfasste in der Folge jedoch erneut politische Artikel für die Triestiner und friaulische Presse. 1850 gründete F. die Zeitschrift „Il Popolano dell’Istria“ und fungierte bis 1851 als deren Herausgeber. Kurz vor seinem Tod wurde das Gerichtsverfahren wegen seiner Aktivitäten im Zusammenhang mit der Revolution von 1848/49 wieder aufgenommen.

W.: Frate Felice, 1847; Poesie e prose, 1865.
L.: Adlgasser; C. De Franceschi, Memorie autobiografiche, ed. C. De Franceschi, 1926, S. 12f.; S. Cella, in: Pagine istriane 1, Ser. 4, 1960, H. 1–2, S. 37; A. Madonizza, Lettere dalla Costituente austriaca del 1848–49, ed. G. Quarantotti, 1966, s. Reg.; Dizionario Biografico degli Italiani 44, 1994; Istarska enciklopedija, 2005; Archivio di Stato di Trieste, I.
(F. Toncich)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)