Fahrbach, Henriette (Jetti); verehel. Ehmki (Fahrbach-Ehmki) (1851–1923), Musikerin, Komponistin, Kapellmeisterin, Pädagogin und Kaffeesiederin

Fahrbach Henriette (Jetti), verehel. Ehmki (Fahrbach-Ehmki), Musikerin, Komponistin, Kapellmeisterin, Pädagogin und Kaffeesiederin. Geb. Wien, 22. 1. 1851; gest. ebd., 24. 2. 1923; röm.-kath. Tochter von →Josef Fahrbach und Antonia Philippa Fahrbach, geb. Satory (geb. Wien, 22. 3. 1810; gest. ebd., 27. 8. 1887), Nichte von →Philipp Fahrbach d. Ä. und →Friedrich Fahrbach (s. u. Josef Fahrbach) (geb. Wien, 17. 7. 1809; gest. Verona, I, 19. 3. 1867), Cousine von →Philipp Fahrbach d. J. (s. u. Philipp Fahrbach d. Ä.), Mutter des Geigers Professor Franz Fahrbach-Ehmki (geb. Dresden, Deutsches Reich/D, 30. 12. 1894), der als Musikprofessor in Kattowitz tätig war, in den späten 1920er- und 30er-Jahren in Berlin eine Jazzband leitete und nach dem 2. Weltkrieg im Münchner Rundfunkorchester als erster Geiger engagiert war; ab 1894 verheiratet mit dem Geiger und Musikpädagogen Franz Ehmki (geb. Rössel, Preußen / Reszel, PL, 2. 2. 1861; gest. Wien, 23. 12. 1927), der in ihrem Ensemble als Kapellmeister und gelegentlich auch als Musiker mitwirkte. – F. war musikalisch hochbegabt und erhielt von ihrem Vater Instrumental-, Musiktheorie- und vermutlich auch Kompositionsunterricht. Als spätgeborene Tochter einer kinderreichen Familie musste sie bereits im Alter von 15 Jahren mit Näharbeiten Geld verdienen. Dennoch entwickelte sie sich zu einer sehr guten Flötistin (1878 wirkte sie in einem Konzert des Kirchenmusikvereins Alservorstadt im Ehrbarsaal als Solistin mit), darüber hinaus spielte sie Klavier und komponierte: 1873 veröffentlichte sie erstmals drei Lieder sowie 1875 ein Idyll für Klavier, „Fleur d’hiver“, der gleichaltrigen Komponistin Ernestine de Bauduin gewidmet. Ihr op. 10 (3 Lieder für 1 Singstimme mit Klavier) eignete sie drei Jahre später der Sängerin →Pauline Lucca zu. Ihre Werke op. 6–18 erschienen in mehreren Verlagen sowie in der „Deutschen Musik-Zeitung“, deren Musikbeilage F.s Vater redigierte. Ihre dreiaktige Operette „Prinz Julian’s Abenteuer“ (Text: Friedrich Blum), von der nur die Partitur und der Klavierauszug in Handschrift existierten, sollte Presseberichten zufolge nach einer ausschnittweisen Privatvorführung 1879 sowohl am Brünner Stadttheater wie auch am Theater an der Wien und anderen Bühnen aufgeführt werden, wozu es aber nicht gekommen sein dürfte. Einige ihrer Lieder hingegen fanden bei Soiréen und Liedertafeln nachweislich großen Beifall (1878 Augarten-Saal, Brünn; 1880 Bösendorfer-Saal, 1884 Palais Chotek, beide Wien). 1881 bewarb sie sich erfolglos um ein Künstlerstipendium beim Ministerium für Cultus und Unterricht. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie durch Unterricht in Gesang, Flöte und Klavier. Zudem gründete sie die Original-Wiener-Damenkapelle Fahrbach, in der sie Flöte und Klavier spielte. Von deren erfolgreichem Auftreten zeugen erstmals einige Artikel im Sommer 1890 in Linz. Die Engagements in Restaurants, Hotels, Cafés und auf Freiluftbühnen ermöglichten F., sich ein eigenes Instrumentarium für die Kapelle anzuschaffen. Es folgten mindestens zehn Jahre ununterbrochener Gastspieltätigkeit mit den wichtigsten Stationen in Deutschland (Hamburg und Berlin), den Niederlanden (Amsterdam), Schweden (Stockholm und Karlstad), Polen (Warschau), im heutigen Lettland (Riga), Estland (Pernau) und Finnland (Helsingfors, Borgå, Tammerfors, Åbo, Wasa) sowie in Odessa. Die Kapelle bestand aus bis zu 16 Musikerinnen und trat unter F.s Namen bzw. als Erste Wiener Elite-Damencapelle und auch als Wiener Schwalben auf, was zu einem Streit mit Marie Pollack führte, die mit ihrer gleichnamigen Wiener Damenkapelle ebenfalls in Nordeuropa spielte. Zwischen den verschiedenen Engagements konzertierte F. immer wieder in Hamburg, wo sie auch heiratete. 1899 kehrte sie zumindest für einige Konzerte im 1. Kaffeehaus in der Prater-Hauptallee nach Wien zurück. Drei Jahre später suchte sie aber in Inseraten nach Musikerinnen auch für ein Engagement in Hamburg. Im Juni dieses Jahres gastierte sie mit ihrer Damenkapelle im Sommeretablissement „Venedig“ im Wiener Prater und wohnte in der Wiener Zirkusgasse, wo sie fortan mit ihrem Mann das Café Grand Paris (Café Ehmki) betrieb, in dem 1904 noch Konzerte mit dem „Damen-Orchester Fahrbach Ehmki“ stattfanden. Danach trat sie weder als Musikerin noch als Musikpädagogin in Erscheinung. Von ihrem kompositorischen Schaffen zeugt zuletzt eine Polka Mazur, die 1899 im Druck erschien. Sie vererbte einen Teil ihres Orchester-Notenmaterials sowie ihre eigenen gedruckten und handschriftlichen Werke ihrem Sohn.

Weitere W.: s. MGG; Marx – Haas; Pazdirek.
L.: Tages-Post (Linz), 10. 8. 1890; Hamburger Nachrichten, 11. 1. 1892, 28. 5. 1893; Nya Pressen (Helsingfors), 10. 12. 1895; Program-Bladet. Tidning för Helsingfors Teatrar och Konserter, 29. 1. 1896 (mit Bild); Aftonposten (Helsingfors), 30. 7. 1897; NWT, 2. 3. 1923; MGG I, II (s. Familienartikel, mit W.); C. M. Ziehrer’s Deutsche Kunst- & Musik-Zeitung 6, 1879, S. 79, 7, 1880, S. 201f.; Deutsche Musik-Zeitung 7, 1880, S. 201f.; Philipp F., Altwiener Erinnerungen, 1935, S. 135, 182; D. Kaufmann, „... routinierte Trommlerin gesucht“. Musikerin in einer Damenkapelle. Zum Bild eines vergessenen Frauenberufes aus der Kaiserzeit, 1997, S. 148f.; 210 österreichische Komponistinnen …, ed. E. Marx – G. Haas, 2001 (mit W.); biografiA. Lexikon österreichischer Frauen 1, 2016; Kompositio (Helsinki), 2019, H. 2, S. 15; N. Koivisto, Sähkövaloa, shampanjaa ja Wiener Damenkapelle, 2019, passim; AVA, Bezirksmuseum Leopoldstadt, Pfarre Maria Treu, Pfarre St. Florian, Pfarre St. Leopold, WStLA, alle Wien.
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)